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Arbeitszeitpolitik

Definition: Was ist "Arbeitszeitpolitik"?

Regelungen gesetzlicher oder (tarif-)vertraglicher Art zur Beeinflussung der Arbeitszeit, um den z.T. divergierenden gesellschaftlichen, betrieblichen, familiären und individuellen Bedürfnissen Rechnung zu tragen.

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    Ausführliche Definition im Online-Lexikon

    Inhaltsverzeichnis

    1. Charakterisierung
    2. Maßnahmen und Trends
    3. Grundrichtungen

    Charakterisierung

    Summe aller Maßnahmen, welche die individuelle und betriebliche Arbeitszeit bez. Umfang (chronometrische Dimension) und Lage (chronologische Dimension) beeinflussen.

    Die Ziele der Arbeitszeitpolitik werden im Wesentlichen zunächst freizeit- und familienpolitisch sowie später v.a. beschäftigungspolitisch und betriebswirtschaftlich begründet.

    Träger sind Gesetzgeber, Tarifvertragsparteien, Unternehmensleitungen und betriebliche Arbeitnehmervertretungen.  Arbeitszeitpolitik kann sich strategisch sowohl auf die Wochen- als auch auf die Lebensarbeitszeit beziehen.

    Maßnahmen und Trends

    1. Die zahlreichen allgemeinen und speziellen gesetzlichen Arbeitszeitvorschriften (Arbeitszeitgesetz, Bundesurlaubsgesetz, Jugendarbeitsschutz, Frauenschutz, Mutterschutz, Ladenschlussgesetz, Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz), die die tägliche, wöchentliche und jährliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer und Betriebe sowie längere Pausen im Berufsleben regulieren, formulieren allgemeine Rahmenbedingungen. Außerdem beeinflussen gesetzliche Regelungen der Schul- und (bis zum 30.6.2011) der Wehrdienstpflicht, zur Rentenversicherung etc. die Lebensarbeitszeit der Erwerbstätigen

    2. Durch Arbeitszeitregelungen, die bes. die Wochenarbeitszeit, die Sonntags-, Feiertags-, Nacht- und Mehrarbeit sowie deren monetäre und/oder zeitliche Vergütung und den Jahresurlaub betreffen, nutzen die Tarifvertragsparteien den arbeitszeitpolitischen Spielraum.

    3. Über Betriebsvereinbarungen und einzelvertragliche Regelungen versuchen Arbeitgeber und -nehmer in der jüngeren Vergangenheit, ihre weitergehenden Arbeitszeitvorstellungen zu realisieren. Die Möglichkeiten einer weitgehenden Flexibilisierung der Arbeitszeiten und damit verbunden einer Dezentralisierung der Arbeitszeitpolitik wurden verstärkt seit Mitte der 1980er-Jahre genutzt. Seit Mitte der 1990er-Jahre gewinnen neben den traditionellen kollektiven Regelungen individuelle Arbeitszeitkonten, Blockfreizeiten bzw. Sabbaticals und Vertrauensarbeitszeiten an Bedeutung. Seit 2000 werden wiederholt befristete Arbeitszeitverkürzungen, aber auch -verlängerungen auf Betriebsebene vereinbart, wodurch langfristige Entwicklungen umgekehrt werden. Unbezahlte Arbeitszeitverlängerungen sind inzwischen ebenfalls kein Tabu mehr. Insgesamt deuten die Entwicklungen auf eine weitere Flexibilisierung bzw. sogar stärkere Individualisierung der Arbeitszeiten hin. Größere Bedeutung gewinnen Probleme der Vereinbarkeit von Familie und Beruf (Work Life Balance).

    Vgl. auch Arbeitszeitmodelle.

    Grundrichtungen

    1. Die staatliche Arbeitszeitpolitik verfolgt vorrangig Ziele des Arbeitsschutzes. Zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit (Arbeitsmarktpolitik) wurde seit den frühen 1980er-Jahren die Verkürzung der Lebensarbeitszeit (Reduzierung des Arbeitskräfteangebots durch Vorruhestand) gefördert.  Im Gegensatz zu diesem langfristigen Trend erfolgt ab dem Jahr 2012 zur Sicherung der Renten (demographischer Wandel) eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit. Aufgrund der Alterung der Bevölkerung und der dadurch bedingten Finanzierungsprobleme der Alterssicherungssysteme wird  das Renteneintrittsalter schrittweise von 65 auf 67 Jahre angehoben (Rentenversicherung).

    2. Aus familien- und beschäftigungspolitischen Gründen streben die Gewerkschaften traditionell die Verkürzung der tariflichen Wochenarbeitszeit an. Seit den 1960er-Jahren stellte die 40-Stunden-Woche den Regelfall dar. In den durch hohe Arbeitslosigkeit gekennzeichneten 1980er- und 1990er-Jahren sollte eine Verkürzung der effektiven Wochenarbeitszeit ("Einstieg in die 35-Stunden-Woche") das vorhandene Arbeitsvolumen auf mehr Beschäftigte verteilen. Forderungen nach Abbau von Überstunden spielten ebenfalls eine Rolle.

    3. Die Arbeitgeberverbände lehnen Gewerkschaftsforderungen nach kollektiven Arbeitszeitverkürzungen als kostensteigernd und beschäftigungsfeindlich ab und fordern stattdessen Arbeitszeitmodelle, die Betrieben mehr Arbeitszeitflexibilität eröffnen. Inzwischen ist die Flexibilisierung und Differenzierung der Arbeitszeiten weit fortgeschritten (vgl. Arbeitszeitverkürzung). Vermehrt werden auch (befristete) Arbeitszeitverlängerungen ohne Lohnausgleich gefordert.

    4. Unabhängig von den intendierten und kontrovers diskutierten Beschäftigungseffekten arbeitszeitpolitischer Maßnahmen werden schließlich die Sicherung der freien Arbeitszeitwahl (Arbeitszeitsouveränität) als arbeitszeitpolitisches Ziel sowie längere Phasen der Erwerbsunterbrechung (z.B. Elternzeit, unbezahlter Urlaub) als sozial- und gesellschaftspolitische Ziele vertreten.

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