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Revision von Betrauungsakte vom 01.09.2015 - 16:04

Betrauungsakte

Definition: Was ist "Betrauungsakte"?

Von Betrauung spricht man, wenn einem Unternehmen eine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse kraft eines öffentlichen Hoheitsaktes übertragen wird. Den Hoheitsakt bezeichnet man als Betrauungsakt.

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    Ausführliche Definition im Online-Lexikon

    1. Begriff: Von Betrauung spricht man, wenn einem Unternehmen eine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse (DAWI) kraft eines öffentlichen Hoheitsaktes übertragen wird. Es handelt sich dabei um eine Voraussetzung für eine Ausnahme (Art 106 Abs. 2 AEUV) von den Wettbewerbsregeln, u.a. vom Beihilfenverbot (vgl. Beihilfe). Eine Betrauung ist insofern unverzichtbar für die öffentliche Finanzierung von DAWI.

    2. Merkmale:
    a) Betrauungsfähige Tätigkeiten und Ziel der Betrauung: Betrauungsfähig sind nur solche Tätigkeiten, die von einem im Einklang mit den Marktregeln handelndem Unternehmen nicht zufriedenstellend erbracht werden könnten und auch nicht im gleichen Umfang bzw. zu den gleichen Bedingungen übernommen werden würden. Die Betrauung dient damit insbesondere dazu, ein Marktversagen hinsichtlich Preis, Kontinuität und Zugang der der Dienstleistungen zu verhindern.
    b) Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse: Eine Dienstleistung ist von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse, wenn sie dem Wohle der Bürger oder im Interesse der Gesellschaft als Ganzes erbracht werden muss.
    c) Betrauungsakt: Ein Hoheitsakt in Form eines Betrauungsaktes muss von legislativer oder regulatorischer Art sein und die Form eines oder mehrerer rechtsverbindlicher Rechtssetzungsakte  im Recht des Mitgliedsstaats haben. Er ist eine der Voraussetzungen für die Vereinbarkeit von Beihilfen mit dem AEUV sowie für die Gewährung von ausschließlichen und besonderen Rechten i. S. d. Art. 106 I AEUV. Für Ausnahmen vom EU-Wettbewerbsrecht reicht es im Rahmen einer Betrauung  allerdings nicht aus, dass ein Unternehmen zur Bereitstellung einer bestimmten Dienstleistung ermächtigt wird. Eine bloße Gestattung der Tätigkeit genügt nicht. Erforderlich ist vielmehr eine verbindliche Verpflichtung zur Erfüllung der übertragenen Aufgabe, die damit auch erzwingbar wird.

    Inhaltlich muss der Betrauungsakt die auferlegte Gemeinwohlaufgabe (Gemeinwohl) bestimmen und die jeweilige Verpflichtung des Unternehmens sowie des Staates genau erläutern. Mindestanforderungen sind daneben insbesondere die Bezeichnung des betrauten Unternehmens sowie seines geografischen Geltungsbereiches, Gegenstand und Dauer der Verpflichtung, die Art etwaiger oder ausschließlicher Rechte, die dem Unternehmen gewährt werden, die Parameter für die Berechnung, Überwachung und Änderung der Ausgleichsleistung sowie die Maßnahmen zur Vermeidung einer möglicherweise erfolgenden Überkompensation.

    3. Zuständigkeit, Form und Anwendungsbereich: Welche Behörde betrauen darf oder welche Form der Betrauungsakt konkret haben soll, ist im EU-Recht nicht vorgeschrieben und hängt von dem Recht der Mitgliedstaaten ab. In Deutschland kann er in Form von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Verwaltungsakten oder öffentlich-rechtlichen Verträgen erlassen werden. Betrauungsakte sind in verschiedenen Wirtschaftsgebieten üblich, wie z.B. dem öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV), in der Breitbandversorgung und in der Energiewirtschaft, wobei der klassische Anwendungsfall die Betrauung mit der Grundversorgung eines Gebiets darstellt. Weitere Beispiele für Betrauungsakte sind Konzessionsverträge und öffentliche Dienstleistungsaufträge (vgl. auch öffentliche Auftragsvergabe).

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