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Unternehmungsbewertung

Definition: Was ist "Unternehmungsbewertung"?

Mit Unternehmungsbewertung bezeichnet man die Verfahren zur Wertermittlung von Unternehmen als Ganzes (Wert). Unternehmensbewertungen als periodisches Rechenwerk werden sowohl bei der wertorientierten Unternehmensführung (z.B. Entscheidungen zur Geschäftsfeldstrategie, Leistungsbeurteilung von Führungskräften) als auch bei der externen Rechnungslegung nach HGB und IFRS (Beteiligungsbuchwerte, Impair­ment-Test beim Goodwill) verwendet.

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    Ausführliche Definition im Online-Lexikon

    Inhaltsverzeichnis

    1. Begriff und Anlässe
    2. Wertkonzepte
    3. Ertragswert- und DCF-Verfahren
      1. Überschüsse
      2. Diskontierung
    4. Marktwertverfahren
    5. Liquidationswertverfahren
    6. Substanzwertverfahren
    7. Vergleich und Verfahrenswahl

    Begriff und Anlässe


    Mit Unternehmungsbewertung bezeichnet man die Verfahren zur Wertermittlung von Unternehmen als Ganzes (Wert).

    Bei den unregelmäßig vorkommenden Anlässen lassen sich Situationen ohne Einigungszwang (z.B. Kauf und Verkauf von Unternehmen(steilen), Eintritt von Gesellschaftern, Verschmelzungen) und mit Einigungszwang (z.B. Berechnung des Zugewinnausgleichs, zwangsweiser Ausschluss von Gesellschaftern) unterscheiden.

    Unternehmensbewertungen als periodisches Rechenwerk werden sowohl bei der wertorientierten Unternehmensführung (z.B. Entscheidungen zur Geschäftsfeldstrategie, Leistungsbeurteilung von Führungskräften) als auch bei der externen Rechnungslegung nach HGB und IFRS (Beteiligungsbuchwerte, Impair­ment-Test beim Goodwill) verwendet.

    Wertkonzepte

    1. Eine „objektive“, d.h. allge­meingültige und eindeu­tige Ermittlung des Unternehmenswerts ist nicht möglich.

    2. Dasselbe Unternehmen weist aus der individuellen Sicht von beispielsweise Käufer und Verkäufer Wertunter­schiede auf. Ursachen sind verschiedene Zukunftserwartungen (z.B. hinsichtlich Nachfrage, Kosten, Konkurrenz), Gestaltungsmöglichkeiten (z.B. Synergiepotenziale, alters- oder krankheitsbedingte Einschränkungen) und Zielsysteme (z.B. Risikoeinstellung, soziale Ziele). Der auf eine bestimmte Person (das sog. Bewertungssubjekt) bezogene und insoweit „subjektive“ Unternehmenswert wird auch individueller Gebrauchswert, Nutzwert oder Ertragswert genannt. Für einen potenziellen Verkäufer legt sein Ertragswert des Unterneh­mens die Preis­unter­grenze, für einen potenziellen Käufer dessen Ertragswert die Preisober­grenze in den Preisverhandlungen fest. Daher die ver­breitete Bezeichnung als „Grenz­preis“ (besser wäre: Preis­grenze) oder Entschei­dungs­wert.

    Allerdings werden der Berechnung von Entscheidungswerten in der Praxis Grenzen gesetzt: Erstens sind dem Bewerter die individuellen Verhältnisse manchmal nicht bekannt (z.B. persönliche Risikoeinstellung und Steuersatz) und/oder es müssen Werte für Personenmehrheiten (z.B. zahlreiche Aktionäre) bestimmt werden. Hier legt man der Bewertung keine individuellen, sondern für eine größere Zahl von Personen typische, durchschnittliche Verhältnisse zugrunde (sog. Typisierung). Zweitens kann es sehr unterschiedliche Auffassungen über die Zukunftsentwicklung geben. Jedoch erfordern Gerichtsverfahren und andere Anlässe die Verwendung intersubjektiv nachprüfbarer Daten. Diese sog. Objektivierung erfolgt z.B. durch Prognosen auf Basis der historischen Unternehmensentwicklung oder durch Nutzung von Kapitalmarktdaten.

    3. Ein weiteres Ziel von Unternehmensbewertungen besteht darin, den bei einer Transaktion voraussichtlich realisierbaren Preis (Tauschwert) des Unternehmens zu bestimmen. Von besonders großer prakti­scher Bedeutung ist dabei derjenige Preis, der sich für ein Unternehmen am Markt „im ge­wöhnlichen Geschäftsverkehr“, d.h. unter normalen Umständen, unabhängig von be­stimmten Käufern und Verkäufern, bei gegebener Kauf- bzw. Verkaufsbereitschaft, bilden würde. Man spricht hier vom sog. Verkehrswert, Marktpreis oder gemeinen Wert. Diese Wertkategorie ist insbesondere bei verschiedenen rechtlichen An­lässen (z.B. im Rahmen des Zugewinnausgleichs oder bei Pflichtteilsansprüchen) vorgesehen. Sie stellt bei heterogenen Gütern, wie es die meisten Unternehmen darstellen, letztlich eine Fiktion dar.

    4. Im Laufe von Kauf- oder Gerichtsverhandlungen versucht man jeweils die Bewertungsgrundlagen der Gegenseite zu erschüttern und so Zugeständnisse zu erreichen. Die tatsächlichen Grenzpreise werden dabei nicht genannt. Zur Unterstützung der Verhandlungen werden scheinbare Unternehmenswerte, sog. Argumentationswerte oder Arbitriumwerte, vorgebracht.

    Folgerungen: Nach der sog. Funktionen­lehre ist für die konkrete Durchführung von Unternehmensbewer­tungen auf die Funktion des Wertes (d.h. seinen Zweck) und den entsprechenden Auftrag an den Bewerter zu achten (Beratungsfunktion = Entscheidungswert,  Argumentationsfunktion = Argumentations­wert, Schiedsfunktion = i.d.R. Verkehrswert bzw. der nach IDW objektivierte und typisierte Wert). Jedoch vernachlässigt die Funktionenlehre mit ihrer einseitigen Ausrichtung auf den Bewertungszweck weitere situative Einflussfaktoren.

     

    Ertragswert- und DCF-Verfahren

    Der Unternehmenswert hängt davon ab, inwieweit ein Eigentümer damit künftig seine Ziele verwirklichen kann. Dabei kon­zentriert man sich i.d.R. auf die monetären Nutzenströme, die sich aus dem Unternehmen „herausholen“ lassen. Entgegen dem Begriff „Ertragswert“ handelt sich dabei nicht um die er­zielten Gewinne. Nur ausgeschüttete Zahlungsüberschüsse (nicht Ge­winne) können beim Ei­gentümer zu einem Nutzen, etwa durch Befriedigung von Konsum­wünschen, führen. Entsprechend sind zur Bewertung diskontierte Zahlungen heranzuziehen.

    Überschüsse

    Den be­wer­tungs­­relevan­ten Zahlungsstrom bezeichnet man in der Sprache der Un­ter­nehmensbewertung als „Freier Cash Flow“ oder „Free Cash Flow“ (FCF). Er wird für die einzelnen Jahre des Bewertungszeitraums mit Hilfe einer integrierten Planungsrechnung er­mittelt. Dazu müssen Annahmen über die künftige Ent­wicklung des Unterneh­mens getroffen werden. Um die Treffsicherheit der Prognosen zu erhöhen, nimmt man die Planungen auf Grundlage einer Vergan­genheitsanalyse und Due Diligence vor. Dabei werden neben den Rechnungswesendaten auch allgemeine Infor­mationen über das Unternehmen und seine Stellung innerhalb der Umwelt (insbesondere der Branche) beschafft. Auf dieser Grundlage schließen sich Bereinigungen der Rechnungslegung sowie die Berechnung von Kennzahlen, den sog. Werttreibern, an. Sie erfassen mögliche Einflussgrößen für Wachstum, Rentabilität und Kapitalbindung und hängen in einer baumartigen Struktur zusammen. Eine bloße statistische Fortschreibung der Werttreiber ist jedoch nicht empfehlenswert, da sich sowohl externe Einflüsse (Umweltbedingungen) als auch interne Gegebenheiten (Unternehmenspolitik) im Ver­gleich zur Vergangenheit ändern können. Aus den Annahmen über die künftigen Werttreiber lassen sich für einen Prognosezeitraum von typischerweise drei bis fünf Jahren die Plan-GuV, die Plan-Bilanz sowie die Plan-Kapital­fluss­rechnung berechnen. Der letztlich benötigte Free Cash Flow kann dann aus der Kapitalflussrechnung abgelesen werden. Jenseits des Planungshorizonts muss noch eine Prognose für die restlichen Jahre abgegeben werden. Die Überschüsse nach dem expliziten Pla­nungshorizont ergeben in ihrer Gesamtheit den sog. „Restwert“.

     

    Diskontierung

    Als zweites Teilproblem sind die prognostizierten Zahlungsüberschüsse mit einem Kalkulationszinssatz abzuzinsen (Discounted Cash Flow-Methoden, DCF). Durch die Diskontierung wird ein Vergleich zur Geldanlagealternative „Kapitalmarkt“ hergestellt. Geldanlage und Unternehmensinvestition müssen deshalb hinsichtlich des Grades an Unsicherheit vergleichbar sein. In der Praxis wird der Zins für sichere Geldanlagen um einen unternehmensspezifischen Risikozuschlag erhöht. Die konkrete Höhe des Risikozuschlags ist allerdings schwierig zu bestimmen. Zur Festlegung der risikoadäquaten Kapitalkosten wird heute meist das Capital Asset Pricing Model (CAPM) verwendet. Die vom Unternehmen erwartete Rendite (gleich den Eigenkapitalkosten bzw. dem Diskontierungszins bei der Equity-Methode) ergibt sich aus dem risikofreien Zins (Basisverzinsung), erhöht um die Marktrisikoprämie multipliziert mit dem relativen Risikograd des Unternehmens (Betafaktor).

    Die Wahl der Zahlungsüberschuss-Größe und des Diskontierungszinssatzes hängen bei den DCF-Methoden zusammen. Wegen der risikoerhöhenden Hebelwirkung der Fremdfinanzierung müssen je nach Methode unterschiedliche Diskontierungszinssätze eingesetzt werden:

    • Geht man vom Zahlungsüberschuss nach Zins und Nettotilgung aus, so spricht man von der Netto-Methode (Equity-Ansatz, Flow to Equity/FTE ). Die Diskontierung erfolgt mit einem Eigenkapitalkostensatz.
    • Rechnet man (zunächst) mit Zahlungsüberschüssen vor Zins und Nettotilgung, so bezeichnet man dies mit der Brutto-Methode (Entity-Ansatz; mit den steuerlichen Varianten Weighted Average Cost of Capital/WACC, Adjusted Present Value/APV und Total Cash Flow/TCF). Die Abzinsung wird mit einem durchschnittlichen Gesamtkapitalkostensatz vorgenommen. Vom errechneten Barwert müssen dann noch die Schulden abgezogen werden.

    Marktwertverfahren

    Die marktorientierten Bewertungsverfahren (Multiplikatormethoden) versuchen den Verkehrs­wert aus am Markt tatsächlich bezahlten Preisen abzuleiten. Dabei greift man auf Fälle ähnlicher Unter­nehmenskäufe zurück (sog. Recent Acquisition-Ansatz) oder zieht den Kurswert vergleichbarer börsennotierter Unternehmen als Bewertungsgrundlage heran (sog. Similar Public Company-Ansatz). Man spricht deshalb auch von einer relativen Bewertung.

    Verkehrswerte verschiedener Unternehmen können in der Regel nicht direkt mitein­ander ver­glichen werden. Um der unterschiedlichen Unter­nehmens­größe (gemessen durch Gewinn, Umsatz, Mitarbeiter usw.) Rechnung zu tragen, macht man sie durch eine gemein­same Bezugsbasis vergleichbar. Es wird dabei unterstellt, dass sich die Preise proportional zu den jeweiligen Ausprägungen dieser Bezugsgröße verhalten.

    In der Praxis finden sich sowohl ertragsorientierte Bezugsgrößen (z.B. JÜ, EBT, EBIT, EBITDA, Cashflow, Umsatz, Produktionsleistung) als auch, wenngleich wesentlich selte­ner, kapital­einsatzorientierte Größen (bilanzielle Buchwerte oder Zeitwerte). Die Art des herangezoge­nen Multi­plikators hat für verschiedene Varianten auch namens­­gebend gewirkt, z.B. KGV-Verfahren (Kurs-Gewinn-Verhältnis) bzw. PER-Verfahren (Price-Earnings-Ratio), Umsatzverfahren, Leistungswertver­gleich, Marktwert-Buchwert-Ver­hältnis.

    Wegen der relativen Bewertung hängt die Güte des Ergebnisses davon ab, inwieweit Vergleichsunternehmen gefunden werden können, die tatsächlich den zu bewertenden Unternehmen sehr ähnlich sind, zu denen die notwendigen Daten vorlie­gen, und bei denen die Preise unter realistischen Umständen zustande gekommen sind.

    Marktwertverfahren liefern nur Prognosen für allgemeine Verkehrswerte. Zur Bestimmung von subjektiven Entscheidungswerten sind sie nicht geeignet.

     

    Liquidationswertverfahren

    Unter dem Liquidationswert versteht man den Betrag, den der bisherige Eigentümer bei einem Verkauf aller einzelnen Vermögenswerte (nach Begleichung der Schulden) erzielen könnte. Hierbei sind Kosten des Liquidationsverfahrens, liquidationsbedingt entstehende Ansprüche (z.B. Sozialpläne für Arbeitnehmer) und steuerliche Folgen zu berücksichtigen.

    Der Liquidationswert stellt eine besondere Form des Ertragswerts dar, da er eine Ant­wort auf die Frage gibt, was man aus dem Unternehmen „herausholen“ könnte. Man geht lediglich hin­sichtlich der Unternehmenspolitik nicht von einer Fortführung, sondern der Zerschlagung des Unternehmens aus. Er bildet damit die Wertuntergrenze. Dabei hängt der Liquidationswert sowohl von der Liquidationsgeschwindigkeit als auch der Zerschlagungsintensität ab.

     

    Substanzwertverfahren

    1. Unter dem Substanzwert versteht man meist die Kosten einer Wiederbeschaffung aller vorhandenen einzelnen Vermögensgegenstände im vorliegenden Zustand (d.h. für gebrauchte Wirtschaftsgüter mit entsprechenden Preisen), den sog. Teilreproduktionswert oder Teilre­konstruk­tions­wert (Reproduktionswert). Stille Reserven in den Buchwerten wurden mithin aufgedeckt. Dem liegt die Grundidee zugrunde, dass ein möglicher Erwerber nicht bereit sein wird, für ein Altunternehmen mehr zu zahlen, als er selbst für einen Nachbau des Unternehmens ausgeben müsste. Der Substanzwert soll angeblich eine Wertobergrenze bilden. Diese Überlegung ist aber falsch, denn sie ignoriert Kosten der Schaffung einer lebenden Organisation, der Gewinnung von Kunden und die häufig fehlende Nachbaumöglichkeit.

    2. Umfassendere Vollrekonstruktionswerte inklusive aller immateriellen Faktoren sind praktisch kaum zu bestimmen. Darüber hinaus lassen sie auch theoretisch keine sinnvollen Aussagen zu. Substanzwerte besitzen daher keinerlei Aussagekraft.

     

    Vergleich und Verfahrenswahl

    In Deutschland herrscht die vom Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (IDW) geprägte Auffassung vor, nach der verlässliche Unternehmensbewertungen ausschließlich mit Hilfe von Ertragswertverfahren möglich sind. Den Multipikatorverfahren wird allenfalls eine Eignung zur Plausibilisierung zugestanden. Hierbei darf man jedoch nicht vergessen, dass auch das Konzept des Ertrags­werts insbesondere mit
    (1) der Prognose der künftigen Zahlungsüberschüsse sowie
    (2) dem adäquaten Risikozuschlag zum Zins offenkundige Probleme aufweist.

    Die oftmals an den Multiplikatormethoden vorgebrachte Kritik ist nur teilweise berechtigt. So werden marktorientierte Verfahren manchmal bei Bewertungsaufgaben eingesetzt, für die sie nicht gedacht sind (Ermittlung von Grenz­preisen). Dies mindert jedoch nicht ihre potenzielle Eignung bei der Abschätzung von Verkehrswerten. Die Hauptprobleme bestehen hier in
    (1) der unterstellten „richtigen“ Preisbildung bei den Vergleichstransaktionen sowie
    (2) der Suche nach vergleichbaren Unternehmen.

    In anderen Ländern und bei anderen Berufsgruppen schätzt man marktorientierte Verfahren nicht selten höher als die Ertragswertverfahren. Empirische Erhebungen belegen, dass neben dem (von der Funktionenlehre betonten) Bewertungszweck auch die Randbedingungen im Bewertungsumfeld wie verfügbare Daten, Zeitdruck, Ausbildung und Kenntnisse der beteiligten Personen sowie Branchengepflogenheiten für die Verfahrenswahl bedeutsam sind.

    In der Praxis lässt sich auch in Deutschland regelmäßig beobachten, dass Unternehmenswerte parallel mit mehreren Verfahren bestimmt werden, soweit es die Datenlage erlaubt. Wie die Übertragung von Erkenntnissen der Portfoliotheorie zeigt, lässt sich hierdurch in bestimmten Fällen eine Verbesserung des Gesamtergebnisses erzielen. Dabei sind allerdings bei jeder Bewertung stets die Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung zu beachten.

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