Body Image Marketing
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1. Begriff: Body Image Marketing beschreibt unternehmerische Marktaktivitäten, die z.B. im Rahmen der Marketingkommunikation auf die menschliche Körperwahrnehmung gerichtet sind. Darin enthalten sind insbes. mediale Bilder und Botschaften, die die Sinneseindrücke, Gedanken und Gefühle von Konsumenten dahingehend beeinflussen, wie sie ihre Körper innerhalb ihres sozio-kulturellen Umfeldes wahrnehmen.
Die Körperwahrnehmung ist ein essentieller Bestandteil der Persönlichkeit, bzw. des Selbstkonzepts und beeinflusst betriebswirtschaftliche Komponenten wie Konsumentenverhalten, Markt- und Werbepsychologie maßgeblich. Die Wahrnehmung von körperbezogenen Botschaften und Bildern, wie bspw. die Abbildung von Models in der Werbung, steht bei Body Image Marketing im Fokus des Interesses, denn über 60% der eigenen Körperwahrnehmung werden allein durch Medien und Werbung geformt.
Als gesellschaftliches und kulturelles Konstrukt wird der menschliche Körper allg. als Objekt wahrgenommen, das bestimmte Werte und Wertvorstellungen verkörpert. Entsprechend den gängigen „Ideal“-Vorstellungen von Schönheit, Attraktivität und Ästhetik wird der Körper als Spiegel der Seele betrachtet, der Charaktereigenschaften nach außen hin sichtbar macht und anhand dessen menschliche Qualitäten bewertet werden können. Im Rahmen der westlichen Überflussgesellschaft wird Schlankheit typischerweise mit vermeintlich positiven Attributen wie Selbstdisziplin, Selbstbeherrschung, sozialer Anerkennung und Erfolg assoziiert, wohingegen Muskeln speziell bei Männern als Zeichen für Stärke und Maskulinität gelten. Die Mehrheit der heutigen Körperpräsentationen in den populären Medien entspricht diesen Idealvorstellungen.
Obwohl Medienbilder als Konsequenz der fortschreitenden technischen Idealisierungsmöglichkeiten nachweislich immer stärker von den Körperproportionen eines Durchschnittsmenschen abweichen, dienen sie häufig als unrealistisches und auf natürlichem Wege kaum erreichbares Vergleichsmaß für Konsumenten. Die daraus folgende wahrgenommene Diskrepanz zwischen medial dargestelltem Idealbild und dem eigenen Selbstbild kann Körperunzufriedenheit und gesundheitsgefährdende Verhaltensmuster wie Essstörungen auslösen. Zusätzlich verstärkt wird diese negative Selbstwahrnehmung mitunter durch Marketingaktivitäten, die Produkte und Dienstleistungen zur „Problemlösung“ offerieren. Dazu zählen bspw. Diätprodukte oder Schönheitsoperationen.
2. Geschichte: Darstellungen und Definitionen von körperlicher Schönheit sind so alt und vielfältig wie die Menschheit selbst und wurden im Laufe der Zeit maßgeblich durch philosophische, politische, religiöse, kulturelle, kunsthistorische und gesellschaftliche Einflüsse geprägt. Bereits in der griechischen Antike wurde der nackte menschliche Körper verehrt und aus Stein, Lehm oder in Farbe künstlerisch nachgestellt. Gleichzeitig entwickelten sich dort die ersten Schönheitstheorien und Proportionslehren, die später, insbes. während der Renaissance, weiter ausgeführt wurden.
In der Philosophie entwickelten sich die Ansichten über die Beziehung von Körper und Seele im Rahmen des Körper-Geist- bzw. Leib-Seele-Dualismus dagegen äußerst konträr: Während Körper und Seele einerseits als zwei voneinander völlig separat zu betrachtende, gegensätzliche und ungleiche Kräfte beschrieben wurden (z.B. Sokrates, Plato, aber auch René Descartes‘ Kartesischer Dualismus), wurde andererseits angenommen, dass sie als Ganzes unweigerlich miteinander verbunden seien (z.B. Aristoteles, Jean Paul Sartre).
In der neuzeitlichen Denkweise ist durch die Medizin ein weiterer Aspekt hinzugekommen, der das öffentliche Körperbild beeinflusst. Die Möglichkeit, den Körper kosmetisch und ästhetisch modifizieren zu können, hat dazu geführt, dass er als plastisch, bionisch, veränderbar und kontrollierbar wahrgenommen wird. Ferner besteht ein zunehmender gesellschaftlicher Druck, der u.a. durch werbemediale Bilder und Botschaften, aber auch durch das allgegenwärtige Verlangen, sich öffentlich in den sozialen Medien möglichst ideal zu präsentieren, zum Ausdruck kommt.
3. Zielgruppensegmentierung: Eine Studie im Rahmen der „Dove Initiative für wahre Schönheit“ von Unilever entdeckte, dass nur 2% aller Frauen in Deutschland sich selbst als schön bezeichnen. Dieses Ergebnis bestätigt, dass Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper weit verbreitet ist. Individuen aller Kulturen unabhängig von Alter, Geschlecht, Sexualität und Herkunft sind von diesem Problem betroffen. Auch wenn frühere Studien primär die Körperwahrnehmung von jungen Frauen untersuchten, rücken andere Zielgruppen immer stärker in den Mittelpunkt des wissenschaftlichen Interesses: Die Bedeutung eines Idealkörpers, der nicht nur schlank und/oder muskulös, sondern auch makellos, jung und möglichst westlich aussieht, ist nämlich auch für Männer, ältere Menschen und selbst Kinder weltweit stark angestiegen.
Auch wenn werbemediale Bilder und Botschaften nicht als die alleinigen Auslöser für eine negative oder verzerrte Körperwahrnehmung oder gar weiterreichende Folgen wie Essstörungen betrachtet werden können, haben mehrere Studien bestätigt, dass schlank-idealisierte Körperdarstellungen in der Werbung ein negatives Selbstbild begünstigen. Entsprechend rufen Wissenschaftler verstärkt dazu auf, Schönheit nicht auf unrealistische Ideale zu reduzieren, sondern öffentlich facettenreich und realistisch zu porträtieren.
4. Wirtschaftszweige: Body Image Marketing findet direkt oder indirekt in allen Unternehmen Anwendung, die körperbezogene Botschaften und Bilder kommunizieren. Eine Spezifizierung kann allerdings im Bereich derjenigen Unternehmen gemacht werden, die Produkte oder Dienstleistungen anbieten, die im Wesentlichen auf das ästhetische Erscheinungsbild abzielen, z.B. Kleidung, Kosmetik, Diätprodukte und medizinische Dienstleistungen wie Schönheitsoperationen.
Die Darstellung eines möglichst schlanken Körpers galt jahrelang als Garant für Werbeeffektivität, stand aber ebenso in öffentlicher Kritik. Erst im letzten Jahrzehnt wurde verstärkt die Wirkung von Models auf Werbeeffektivität und Body Image untersucht. Die Studien zeigten, dass Werbeeffektivität hingegen der allgemeinen Annahme nicht von der Schlankheit des dargestellten Models abhängt, sondern dass durchschnittlich proportionierte, attraktive Figuren als gleichermaßen effizient wahrgenommen werden können. Auch die Haltung gegenüber einer Marke kann sich positiv verändern, wenn sich Konsumenten stärker mit einem Model identifizieren:
- Die Evaluation von Werbung und der Wille, ein beworbenes Produkt zu kaufen, hängen nicht von der Konfektionsgröße eines Models ab. Models mit Durchschnittsgröße werden bei ähnlicher Attraktivität genauso überzeugend wahrgenommen. Die Sorge um das eigene Aussehen (negatives Body Image) wird verstärkt durch dünne Models hervorgerufen.
- 5 Minuten einem ideal-typischen Werbebild ausgesetzt zu sein, kann bereits zu starker Unzufriedenheit führen.
- Werbeeffektivität kann durch das Body Image von Konsumenten und deren wahrgenommener Ähnlichkeit zu den dargestellten Models beeinflusst werden. Das Werben mit bes. dünnen Models stellt deshalb möglicherweise keine effektive Brand Image Strategie für Unternehmen dar.
5. Entwicklungstendenzen: Die oben dargestellten Studien haben in der Wissenschaft zu einem erkennbaren Trend geführt, positive Körperdarstellungen in der Werbung weiter zu erforschen und praktische Implikationen daraus abzuleiten, um ein gesundes Körperselbstbild in der Gesellschaft zu unterstützen. Einige deutsche Unternehmen wie Unilever reagieren bereits auf diese Entwicklung. Darüber hinaus setzen sich auch Politiker für eine positivere Körperwahrnehmung ein: In Israel wurde bspw. ein Anti-Photoshop Gesetz erlassen, welches beinhaltet, dass künstlich modifizierte Werbebilder öffentlich gekennzeichnet werden müssen. In Deutschland leitet das Bundesministerium für Gesundheit seit 2007 die „Initiative Leben hat Gewicht – gemeinsam gegen den Schlankheitswahn“. Des Weiteren fordern Politiker in Großbritannien eine Anpassung von Schaufensterpuppen im Einzelhandel auf realistischere Körperproportionen.
Es kann deshalb angenommen werden, dass eine bewusste Differenzierung von idealtypischen, auf die so genannte „Size Zero“ reduzierten Schlankheitsidealen und die Verbreitung von Marketingkommunikationsmaßnahmen zur Unterstützung eines gesunden Körperselbstbildes im Rahmen eines effizienten, nachhaltigen und sozial verantwortlichen Body Image Marketings in den nächsten Jahren zunehmend an gesellschaftlicher Relevanz gewinnen werden.