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Ethnic Entrepreneurship

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    Ausführliche Definition im Online-Lexikon

    1. Begriff: Der Begriff Ethnic Entrepreneurship bezeichnet unternehmerisches Handeln von Menschen mit Migrationshintergrund, die ursprünglich Produkte und Dienstleistungen primär der eigenen Migrations-Zielgruppe angeboten haben. Es handelt sich i.d.R. um kleine und mittelständische Unternehmen, deren Mitarbeiter/innen ebenfalls überwiegend aus dem Migrationsumfeld stammen. In den USA finden sich bereits Anfang der 1990er-Jahre erste Definitionen zu diesem Themenfeld.

    2. Motive der Unternehmensgründung: In 2014 waren nach einer Studie der Bertelsmann Stiftung 709.000 Personen mit Migrationshintergrund selbstständig. Einige Branchen sind hier besonders hervorzuheben: Handel, Gastgewerbe, öffentliche und private Dienstleistungen sowie produzierendes Gewerbe. In 2005 betrug die Anzahl der selbstständigen Migrant/innen 570.000 Personen. Dies ist ein Anstieg um ca. 25 %. Die Gründe für die Unternehmensgründungen sind bei einer so großen Anzahl an Unternehmern sicherlich sehr vielfältig. Bei der Unternehmensgründung durch Ethnic Entrepreneurs spielen im Unterschied zu der Mehrheitsgesellschaft einige besondere Gründungsmotive eine wichtige Rolle.

    Hierzu zählt z. B., dass die Unternehmensgründung z. T. die einzige Alternative zur Arbeitslosigkeit ist (sog. Push-Ansatz: Migrant/innen werden in die Selbstständigkeit gedrängt.). Das Einkommen durch die Selbstständigkeit kann zu Anfang niedriger sein als im abhängigen Beschäftigtenverhältnis, aber immerhin höher als das Einkommen bei Arbeitslosigkeit. Die Aussicht auf ein höheres Einkommen durch die Selbstständigkeit ist ein Hauptmotiv für die Unternehmensgründung. Zahlen aus dem Jahr 2014 belegen, dass das Durchschnittseinkommen von Ethnic Entrepreneurs mit 2.167 € um 40 % höher liegt als bei abhängig Beschäftigten.

    Die Unterstützung durch die Familie und Bekannte aus der Migrations-Community sowohl bei der Finanzierung des Vorhabens als auch durch die Arbeitskraft ist bei Ethnic Entrepreneurs sehr stark ausgeprägt. Dieses Phänomen der familiären Unterstützung wird auch in anderen Ländern wie z. B. England (bei pakistanischen und indischen Unternehmer/innen) oder auch in Frankreich (bei marokkanischen und tunesischen Unternehmer/innen) beobachtet.

    Dadurch, dass die Produkte und Dienstleistungen insbesondere an Personen mit Migrationshintergrund vertrieben werden, kennt der/die Unternehmer/in seine/ihre Zielgruppe sehr gut. Es bestehen z. T. auch gute Verbindungen in die Heimatländer, sodass aus diesen Produkte direkt bezogen werden können. Die Identifikation mit der ethnischen Zielgruppe und den ethnischen Produkten kann als Wettbewerbsvorteil betrachtet werden.

    Weitere Gründungsmotive sind kulturelle Faktoren wie großer Arbeitswille, Risikofreudigkeit, Solidarität, Loyalität und soziale Werteschemata, z. B. das Gefühl, „es geschafft zu haben“ (sog. Pull-Ansatz: Migranten/innen wollen in die Selbständigkeit.). Letzteres wird z. T. auch in Form von Statussymbolen wie z. B. einem repräsentativen Auto dargestellt.

    3. Entwicklung der Ethnic Entrepreneurs in Deutschland am Beispiel der Deutschtürk/innen: Eine homogene Beschreibung der Ethnic Entrepreneurs in Deutschland und anderen Ländern ist nicht möglich. Unternehmer/innen, die aus der Türkei stammen, werden als deutschtürkische Unternehmer/innen bezeichnet und stellen eine große Unternehmerschaft innerhalb der Ethnic Entrepreneurs in Deutschland dar. Im Folgenden wird die Entwicklung dieser Entrepreneure im Zeitablauf dargestellt:

    Die Abbildung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und soll lediglich grob die Entwicklung der deutschtürkischen Entrepreneure im Zeitablauf widerspiegeln. Andere ethnische Unternehmer/innen in Deutschland haben z. T. eine ganz andere Entwicklung wie z. B. die sog. Russlanddeutschen, die Mitte der 1990er-Jahre nach Deutschland eingewandert sind und derzeit auch eine große ethnische Unternehmerschaft innerhalb Deutschlands darstellen. Eine große Parallele zwischen den deutschtürkischen und russischsprachigen Unternehmer/innen im Lebensmittelsektor besteht z. B. darin, dass sowohl die Deutschtürk/innen als auch die Russlanddeutschen versuchen, ihre Zielgruppe(n) zu erweitern. Derzeit versuchen zudem namhafte Markenartikelhersteller aus der Konsumgüterindustrie die ethnischen Zielgruppen über den Verkaufskanal ethnischer Lebensmittelhandel zu erreichen. Hintergrund ist, dass dieser Verkaufskanal ein zusätzliches Umsatzpotenzial bietet. Es werden z. B. Produkte in größeren Verpackungseinheiten angeboten, die es im deutschen Lebensmittelhandel eher selten gibt.
    4. Zukünftige Herausforderungen: Es besteht weitestgehend Konsens darüber, dass die Migration und Integration Deutschland noch Jahrzehnte beschäftigen wird. 2014 gab es in ethnischen Unternehmen etwa 1,3 Millionen lohnsteuerpflichtige Arbeitsplätze. Bei den Ethnic Entrepreneurs sollten v.a. zwei Gruppen betrachtet werden:

    Die erste Gruppe ist die, die bereits z. T. seit Jahrzehnten ein Geschäft in Deutschland führt. Diese Gruppe braucht eher professionelle Beratung, wie sie ihre ursprüngliche Zielgruppe erweitern und zusätzliche Umsatzpotenziale generieren kann.

    Die zweite Gruppe sind Einwanderer/Einwanderinnen, die in den letzten Jahren nach Deutschland gekommen sind. Es ist zu erwarten, dass Personen, die bereits in ihren Heimatländern ein eigenes Geschäft geführt haben, auch in Deutschland versuchen werden, sich selbstständig zu machen. Es ist daher empfehlenswert, diese Personen, soweit es erfolgversprechend ist, bei ihrem Wunsch nach Selbstständigkeit zu unterstützen. Es ist bekannt, dass insbesondere unter Ethnic Entrepreneurs staatliche Fördermaßnahmen zur Existenzgründung unzureichend in Anspruch genommen werden. Hier wäre es empfehlenswert, diese Programme den potenziellen Ethnic Entrepreneurs z.T. in ihrer eigenen Sprache, aber auch mit Personen aus der Migrations-Community näher zu bringen.

    Dabei gilt es zu beachten, dass ethnische Unternehmer/innen immer noch höhere Insolvenzraten als Unternehmer/innen der Mehrheitsgesellschaft zeigen. So wurde z. B. festgestellt, dass Industrie- und Dienstleistungsbetriebe türkischstämmiger Unternehmer/innen eine geringere finanzielle Leistungsfähigkeit besitzen als jene deutscher Unternehmer/innen. Die Einkommen ethnischer Unternehmer/innen untereinander scheinen sich nach ihrer Herkunft zu unterscheiden.

    Aus wissenschaftlicher Perspektive ist es wichtig, einen Zugang zu Ethnic Entrepreneurs zu erhalten, um ihre Bedürfnisse näher zu analysieren. Die Ethnic Entrepreneurs können auch eine „Vermittler-Rolle“ übernehmen, damit Unternehmen der Mehrheitsgesellschaft ethnische Minderheiten besser erreichen können.

    Vgl. Entrepreneurship.

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    Bücher

    Sachs, A. et al.: Migrantenunternehmen in Deutschland zwischen 2005 und 2014
    2016
    Volery, T.: Ethnic entrepreneurship: a theoretical framework
    2007, S. in: Dana, L.-P. (Hrsg.): Handbook of Research on Ethnic Minority Entrepreneurship: a Co-evolutionary View on Resource Management, S. 30-41.
    Waldinger, R., H. Aldrich, R. Ward: Opportunities, group characteristics and strategies
    London, 1990, S. In: R.Waldinger,H. Aldrich, R.Ward (Hrsg.): Ethnic Entrepreneurs: Immigrant Business in Industrial Societies, S. 13–48.

    Zeitschriften

    Aydin, N. et al.: Do Turkish companies and German companies in Germany differ in terms of financial performance?
    Jg. 7, H. 5, 2012, S. In: International Journal of Business & Management, S. 40-52
    Aygün, T./Oeser, G.: Challenges and opportunities of Turkish food retail in Germany from a value chain perspective
    Jg. 40, H. 3, 2017, S. In: International Journal of Retail and Distribution Management, S. 308-327
    Floeting, H., Reimann, B., Schuleri-Hartje, U.K.: Von „Tante Emma“ zu „Onkel Ali“ – Entwicklungen der Migrantenökonomie in den Stadtquartieren deutscher Großstädte
    Jg. 20, 2005, S. In: Aktuelle Information/Deutsches Institut für Urbanistik
    Sahin M., Nijkamp P., Stough R.R.: Impact of urban conditions on firm performance of migrant entrepre¬neurs: A comparative Dutch-US study
    Jg. 46, H. 3, 2010, S. In: Annals of Regional Science, S. 661–689.

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