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Industriepolitik
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Das Original: Gabler Wirtschaftslexikon
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1. Begriff: Industriepolitik ist die gezielte Beeinflussung der sektoralen Produktionsstruktur einer Volkswirtschaft durch den Staat. Sie ist damit Teil der Strukturpolitik.
Abgrenzung: Zielobjekt der Industriepolitik sind stets Teilbereiche (i.d.R. Branchen), nicht die Volkswirtschaft als Ganzes. Makroökonomische Politiken zählen nicht dazu, auch wenn sie mittelbar die Branchenstruktur beeinflussen mögen. Ebenfalls ausgeklammert bleibt die Ordnungspolitik, z.B. Wettbewerbspolitik, gewerblicher Rechtsschutz oder staatliche Regulierung bestimmter Wirtschaftszweige. Auch hier sind die Rückwirkungen auf die Branchenstruktur nur mittelbare Folge der wirtschaftspolitischen Eingriffe, nicht ihr erklärtes Ziel. Im Unterschied zu der heute üblichen Begriffsabgrenzung wurde im älteren dt. Sprachgebrauch unter Industriepolitik diejenige Politik verstanden, die sich auf den industriellen Sektor richtet.
2. Bereiche: Die wirtschaftspolitische Praxis wird i.d.R. nicht von in sich geschlossenen industriepolitischen Konzeptionen (Industriepolitik, Konzeptionen) geprägt, sondern von einem Bündel mehr oder weniger koordinierter Maßnahmen mit unterschiedlichen Zielsetzungen und Zuständigkeiten. Von der Intention des staatlichen Lenkungseingriffs her lassen sich drei Bereiche unterscheiden: a) In bestimmten Wirtschaftszweigen soll ein Mindestmaß an inländischer Produktion aufrechterhalten werden. Dabei geht es zumeist um Aspekte der Versorgungssicherheit oder der militärischen Sicherheit (Strukturerhaltungspolitik).
b) Strukturelle Anpassungsprozesse sollen zeitlich gestreckt und in ihren sozialpolitischen Auswirkungen abgefedert werden. Auch hier stehen schrumpfende Branchen im Mittelpunkt, wobei es in erster Linie um den Erhalt bedrohter Arbeitsplätze geht (Strukturanpassungspolitik).
c) Zukunftsträchtige Produktionsbereiche sollen gestärkt werden. Hier geht es um die gezielte Unterstützung von Branchen, deren Anteil an der Gesamtproduktion erhöht werden soll (strategische Industriepolitik).
Die beiden erstgenannten Bereiche bilden den Kern der traditionellen Industriepolitik, während die strategische Industriepolitik erst in jüngerer Zeit an Bedeutung gewonnen hat und auch als „neue Industriepolitik” bezeichnet wird.
3. Instrumente: Eine eindeutige Zuordnung von Politikinstrumenten zu Politikbereichen ist nicht immer möglich, d.h. manche Instrumente, die für industriepolitische Ziele eingesetzt werden, dienen in gleicher oder ähnlicher Form auch den Zielen anderer Politikbereiche. Grundsätzlich setzen industriepolitische Instrumente jedoch entweder bei den Produktionsbedingungen für Unternehmen im Inland (Binnenprotektion) oder den Absatzbedingungen gegenüber Konkurrenten aus dem Ausland (Außenprotektion) an.
4. Wirkungen industriepolitischer Maßnahmen: Generell gilt, dass die Begünstigung einzelner Wirtschaftsbereiche stets eine (relative) Benachteiligung für alle anderen darstellt. Bei der Binnenprotektion sind es die höheren Staatsausgaben, mit denen die Subventionen finanziert werden und die letztlich in den nicht subventionierten Wirtschaftsbereichen erwirtschaftet werden müssen. Bei der Außenprotektion sind es die Rückwirkungen auf den Wechselkurs; denn die Reduzierung der Importe durch tarifäre oder nicht-tarifäre Maßnahmen wirkt einer Aufwertung der heimischen Währung vergleichbar und erschwert den Export. Darüber hinaus werden die Konsumenten bei Außenprotektion mit einem „Excess Burden” belastet, da sie ihre Kaufentscheidungen nicht mehr an den Weltmarktpreisen, sondern an den durch Protektion verzerrten Inlandspreisen ausrichten.
5. Beurteilung: In der Beurteilung industriepolitischer Maßnahmen klafft eine erhebliche Lücke zwischen Theorie und Praxis. Von der Wirtschaftswissenschaft ist immer wieder darauf verwiesen worden, dass industriepolitische Eingriffe des Staates nur selten theoretisch zu rechtfertigen sind und dass ein weltweiter Abbau der Binnen- und Außenprotektion letztlich die Wohlfahrt aller beteiligten Länder erhöhen würde. Trotz dieser Kritik hat das Ausmaß der industriepolitischen Interventionen im Zeitverlauf jedoch nicht abgenommen, sondern eher noch zugenommen. Vor diesem Hintergrund verfolgt die wirtschaftswissenschaftliche Forschung derzeit v.a. zwei Strategien: a) Im Rahmen der neueren Außenhandels- und Wachstumstheorie wird analysiert, inwieweit der Einsatz industriepolitischer Instrumente unter bestimmten Bedingungen doch wohlfahrtssteigernde Wirkungen haben könnte, zumindest für das intervenierende Land selbst. Dabei wird v.a. versucht, traditionelle Außenhandels- und Wachstumsmodelle durch die Einbeziehung industrieökonomischer Ansätze realitätsnäher zu gestalten.
b) Im Rahmen der Public-Choice-Theorie wird versucht, die Abweichungen zwischen ökonomischer Theorie und politischer Realität aus den Gesetzmäßigkeiten politischer und bürokratischer Entscheidungsprozesse heraus zu erklären. Ins Blickfeld geraten dabei auch die Auswirkungen der Industriepolitik auf die Entscheidungsprozesse innerhalb von Unternehmen. Wenn der Staat selektiv Protektion gewährt, kann es für die Unternehmen lohnend sein, einen Teil ihrer Ressourcen in gesamtwirtschaftlich unproduktive Verwendungsrichtungen zu investieren, um in den Kreis der Protektionierten hineinzugelangen (Rent Seeking).
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