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Geldtheorie
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Das Original: Gabler Wirtschaftslexikon
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I. Charakterisierung:
Die Geldtheorie umfasst die Beziehungen zwischen den geldwirtschaftlichen Größen untereinander und jene zwischen Geld- und Güterwirtschaft unter Berücksichtigung internationaler Verflechtungen: Sie erklärt, welche Rolle die einzelnen Größen, wie z.B. Geld, Kredit und Zins, im Wirtschaftsablauf spielen.
II. Wesen, Entstehung von Geld und Geldangebot:
1. Wesen:
Das Geld wird i.Allg. von seinen Funktionen her definiert. Danach ist alles Geld, was als Tauschmittel (Tauschmittelfunktion des Geldes), Wertaufbewahrungsmittel (Wertaufbewahrungsfunktion des Geldes) und als Recheneinheit (Rechenmittelfunktion des Geldes) akzeptiert wird (Geld). Diese Funktionen werden heute überwiegend von den gesetzlichen Zahlungsmitteln (Zentralbankgeld) und den Einlagen bei den Geschäftsbanken (bes. den Sichteinlagen wegen deren täglicher Fälligkeit) erfüllt. Gesetzliche Zahlungsmittel und Bankengeld (Geldmenge) können durch Inflation ihre Wertaufbewahrungs- und Tauschmittelfunktion und damit auch den Geldcharakter ganz oder teilweise einbüßen. Entscheidend ist daher weniger die gesetzliche Vereinbarung darüber, was Zahlungsmittel ist, sondern die Sicherung der Geldfunktionen im Rahmen der Geldordnung.
2. Entstehung:
a) Die Entstehung des Geldes ist historisch gesehen mit der zunehmenden Arbeitsteilung verbunden. Um den Güteraustausch effizienter zu machen, d.h. die hohen Transaktions- und Informationskosten der Naturaltauschwirtschaft zu senken, wurden allgemein akzeptierte Zahlungsmittel entwickelt. Der Geldwert ist in modernen Geldsystemen durch die Relation zwischen Geldumlauf und Güterangebot bestimmt: An die Stelle einer Bindung an einen stofflichen Wert (Goldwert) tritt das Wirken der Zentralbank und das Vertrauen der Bevölkerung in die durch den Staat geschaffene Geldordnung.
b) Geld entsteht in einem zweistufigen Bankensystem, das sich aus Zentralbank und Geschäftsbanken zusammensetzt, auf zweifache Weise:
(1) Schaffung von Zentralbankgeld: Zentralbankgeld kommt durch Käufe der Notenbank in Umlauf, z.B. durch Ankauf von Devisen oder Wertpapieren. Die Notenbank finanziert einen solchen Ankauf durch Bereitstellung von Zentralbankgeld (Noten, Münzen, Zentralbankguthaben).
(2) Geld- und Kreditschöpfung der Geschäftsbanken (Giralgeldschöpfung): Die Geldschöpfung durch Kreditvergabe der Geschäftsbanken kann an einem Beispiel verdeutlicht werden. Es sei angenommen, das Geschäftsbankensystem bestehe nur aus zwei Banken A und B. Bank A erhalte Zentralbankgeld aufgrund einer Einlage E des Nichtbankensektors. Die Bank A gewähre auf Basis dieser Einlage einem Bankkunden Kredit zur Finanzierung von Güterkäufen, die dieser bei einem Lieferanten tätigt, der sein Konto bei der Bank B führt. Dann wird in Höhe des Kredites eine Überweisung zur Bank B vorgenommen. Bank B erhält Zentralbankgeld in Höhe der Einlage E. Bei Bank A findet ein Aktivtausch statt (Zentralbankgeld gegen Kredit). Der Umfang an Zentralbankgeld hat sich bei beiden Banken zusammen nicht geändert, es sind jedoch zusätzliche Kredite und Einlagen entstanden. Die Einlagen zählen je nach Geldmengenabgrenzung zu einer Kategorie der Geldmenge M1, M2 oder M3.
Die Kreditausweitung und Geldschöpfung kann beliebig oft wiederholt werden, solange den Banken kein Zentralbankgeld entzogen wird. In der Praxis sind jedoch der Geldschöpfung durch die gesetzliche Mindestreserve und Barabhebungen der Nichtbanken Grenzen gesetzt.
3. Theorie des Geldangebots (Geldangebotstheorie):
Ausgehend von den Bestimmungsfaktoren der Giralgeldschöpfung analysiert die Theorie des Geldangebots die Determinanten der den Nichtbanken insgesamt angebotenen Geldmenge. Das (nominale) Geldangebot wird hierbei als Produkt aus freier Liquidität (freie Liquiditätsreserven) und Geldschöpfungsmultiplikator dargestellt. In diesem Zusammenhang kann formal der Einfluss von Zahlungsgewohnheiten und variierenden Mindestreservesätzen analysiert werden. Steigende (sinkende) Zinsen verringern (erhöhen) z.B. die Bargeldumlaufquote und haben so einen restriktiven (expansiven) Effekt auf das Geldangebot. Analoge Beziehungszusammenhänge sind bez. steigender (sinkender) Mindestreservesätze darstellbar; hier wird die Reservehaltungsquote zur bestimmenden Variable.
Es ist ersichtlich, dass die Zentralbank das Geldangebot in diesem Grundmodell rein theoretisch über die Reservehaltungsquote und die freie Liquidität der Geschäftsbanken beeinflussen kann.
III. Theorie der Geldnachfrage (Geldnachfragetheorie):
1. Geldnachfrage:
Als Geldnachfrage bezeichnet man die von Nichtbanken geplante (gewünschte) Kassenhaltung. Zur Kassenhaltung zählen dabei nicht nur die Bargeldbestände, sondern auch die Einlagen der Nichtbanken bei Banken. Welche Einlagen zur Kassenhaltung zu rechnen sind, hängt vom zugrunde gelegten Geldmengenbegriff ab; soll z.B. die Geldmenge M1 aus dem Zusammenspiel von Geldangebot und -nachfrage erklärt werden, sind neben dem Bargeld nur die Sichteinlagen als Bestandteil der geplanten Kasse anzusehen.
2. Ansätze/Konzepte:
Die Geldnachfragetheorie untersucht, aus welchen Gründen die Wirtschaftssubjekte einen Teil ihres Vermögens in Form von Geld zu halten wünschen, anstatt es in ertragbringende Vermögenstitel anzulegen, und welche Faktoren die Höhe der geplanten Kasse bestimmen: a) Die ältere Quantitätstheorie stellt das Transaktionsmotiv in den Mittelpunkt, d.h. Geld wird zur Abwicklung von Zahlungen gehalten. Da die Ein- und Auszahlungen meist zu verschiedenen Zeitpunkten anfallen, verfügt jedes Wirtschaftssubjekt über einen bestimmten Kassenbestand, dessen durchschnittliche Höhe von der Zahlungshäufigkeit und vom Transaktionsvolumen abhängt. Die (gesamtwirtschaftliche) Geldnachfrage wird demnach durch die Zahlungsgewohnheiten, die sich in der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes niederschlagen, und durch das Transaktionsvolumen (Handelsvolumen) bestimmt. b) Die keynesianische Liquiditätstheorie fügt dem Transaktionsmotiv Vorsichts- und Spekulationsmotiv als Gründe der Geldhaltung hinzu: Das Vorsichtsmotiv erklärt die Geldnachfrage mit der Unsicherheit der Wirtschaftssubjekte über Zeitpunkte und Höhe künftiger Zahlungen. Während die Geldnachfrage aus dem Transaktions- und Vorsichtsmotiv in der Tauschmittelfunktion des Geldes begründet ist, steht die Kassenhaltung aus dem Spekulationsmotiv im Zusammenhang mit der Wertaufbewahrungsfunktion des Geldes: Die Geldhaltung erbringt zwar keine (oder nur geringe) Zinserträge, ermöglicht dafür aber im Vergleich zu anderen Vermögensobjekten eine relativ risikolose Wertaufbewahrung (bei stabilem Preisniveau). Die keynesianische Liquiditätstheorie stellt hier vereinfachend auf die Alternative zwischen Geldhaltung und Erwerb von festverzinslichen Wertpapieren ab. Da bei steigendem Marktzinssatz die Kurse der im Umlauf befindlichen Wertpapiere sinken, müssen risikobewusste Anleger mögliche Kursverluste in ihre Überlegungen einbeziehen. Nach Keynes hat jedes Wirtschaftssubjekt eine (i.d.R. unterschiedliche) Vorstellung vom normalen Zinsniveau, bei dessen Unterschreiten es mit einem wieder ansteigenden Marktzinssatz, also mit dann eintretenden Kursverlusten rechnet. Übersteigen die erwarteten Kursverluste die festen nominalen Zinszahlungen, ist es lohnend, den Kauf von Wertpapieren (vorläufig) zurückzustellen und stattdessen Geld zu halten. Überträgt man diese zunächst einzelwirtschaftliche Erklärung auf die Gesamtwirtschaft, so lässt sich feststellen, dass die Geldnachfrage mit sinkendem Zinsniveau zunimmt. Dabei wird unterstellt, dass bei fallendem Marktzins eine immer größere Zahl von Wirtschaftssubjekten wieder einen Zinsanstieg (also künftige Kursverluste) erwartet. Folglich wächst die Bereitschaft zur Geldhaltung, d.h. die Geldnachfrage steigt mit sinkendem Zinsniveau. Bei Berücksichtigung des Transaktionsmotivs ergibt sich schließlich eine mit wachsendem Volkseinkommen und sinkendem Marktzinssatz steigende Geldnachfrage. c) Die keynesianische Liquiditätstheorie wurde in der Folgezeit durch die postkeynesianische Geldnachfragetheorie mithilfe lagerhaltungs- und portfoliotheoretischer Überlegungen weiterentwickelt. Diese Ansätze erweitern die keynesianische Liquiditätstheorie in Richtung auf eine allgemeine Theorie der optimalen Vermögenshaltung unter Unsicherheit. Diesen Ansätzen gemeinsam ist, dass die Geldnachfrage das Ergebnis individueller Optimierungskalküle darstellt. d) Dies verbindet sie mit der monetaristischen Neoquantitätstheorie (Friedman). In Abgrenzung davon stellt hier Geld eins von mehreren entscheidungsrelevanten Aktiva (z.B. Humankapital, Sachvermögen) dar, dessen Nutzen in der Liquidität liegt. Die Wirtschaftssubjekte treffen eine barwertorientierte Entscheidung über die optimale Aufteilung des Vermögens. Im Optimum ist das Vermögen so strukturiert, dass die Grenznutzen aller einzelnen Vermögensbestandteile in der letzten Verwendung gleich sind. Neben den theoretischen Differenzen bei der Ableitung der Geldnachfragefunktion unterscheiden sich die keynesianischen und monetaristischen Auffassungen auch bei der Beurteilung der Stabilität der Zusammenhänge zwischen der Geldnachfrage und den einzelnen Parametern. Während die Monetaristen von einem zumindest langfristig stabilen Zusammenhang ausgehen, attestieren die Keynesianer eine instabile Beziehung.
VI. Geldwirkungen und Transmissionsmechanismen:
Ein zentraler Gegenstand der monetären Theorie ist die Frage, wie monetäre Impulse (bes. Maßnahmen der Zentralbank) auf den realen Sektor übertragen werden. Hierzu werden Geldmengen-, Zins- und Preisniveaueffekte aus dem Zusammenspiel von Geldangebot und -nachfrage hergeleitet, die im realen Sektor Anpassungsreaktionen auslösen. Über die konkreten Wirkungen monetärer Impulse herrschen allerdings gravierende Meinungsunterschiede:
1. Nach der klassischen Geldlehre bestimmt die Geldmenge das Preisniveau, ist hinsichtlich realwirtschaftlicher Entwicklungen jedoch völlig wirkungsneutral (Dichotomie des Geldes).
2. Nach der Keynesschen Lehre (Keynesianismus) bewirkt eine Geldmengenausweitung zunächst eine Zinssenkung, die die Investitionstätigkeit anregt. Damit steigt über den Einkommensmultiplikator die Gesamtnachfrage nach Gütern um ein Vielfaches der zusätzlichen Investitionen an. Herrscht in der Ausgangslage Unterbeschäftigung, kommt es zu einer Ausweitung von Produktion und Beschäftigung, bei Vollbeschäftigung dagegen entsteht Inflation.
3. Die postkeynesianische Geldtheorie erweitert diesen Übertragungsmechanismus durch Einbeziehung portfoliotheoretischer Überlegungen: Zinssenkungen führen zu einer Umstrukturierung des Vermögens. Finanzanlagen werden durch rentablere Aktiva ersetzt, was die Nachfrage nach neu produzierten Kapitalgütern und damit die Investitionstätigkeit stimuliert. Die Postkeynesianer messen diesem Wirkungszusammenhang allerdings keine überragende Bedeutung bei, sondern betonen bei der Beurteilung der Kausalität zwischen Geldmenge und wirtschaftlicher Aktivität eher den umgekehrten Wirkungszusammenhang: Die Entwicklung von Volkseinkommen und Produktion wird wesentlich von realwirtschaftlichen Faktoren (z.B. geänderten Absatzerwartungen) bestimmt, während die beobachtbaren Geldmengenveränderungen hauptsächlich als Reflex von Einkommensschwankungen zu sehen sind.
4. Ganz anders dagegen die Ansicht der Vertreter des Monetarismus. Nach deren Vorstellung sind Auswirkungen der wirtschaftlichen Aktivitäten auf die Geldmenge von begrenzter Bedeutung, die Geldmenge bestimmt maßgeblich die Entwicklung des nominellen Volkseinkommens. Auf die in diesem Zusammenhang wichtige Frage, wie die monetären Impulse in reale und nominale (Preisniveau-)Effekte umgesetzt werden, haben die Monetaristen eine klare Antwort: Bei Geldmengenausweitung sind kurzfristig expansive Produktions- und Beschäftigungswirkungen infolge sinkender Realzinsen und Reallöhne zu erwarten (wegen der grundsätzlichen inflationären Wirkung der Geldmengenerhöhung und weil dann die Gewinne der Unternehmen und damit die Investitionstätigkeit tendenziell ansteigen). Sobald jedoch die auftretenden Preissteigerungen von den Wirtschaftssubjekten erkannt und in die Lohn- und Zinssätze einkalkuliert werden, fallen Produktions- und Beschäftigungsniveau auf den alten Stand zurück. Die gestiegene Geldmenge hat dann lediglich das Preisniveau erhöht.
5. Eine wiederum deutliche Gegenposition zum Monetarismus nimmt die Liquiditätstheorie des Geldes ein. Sie geht davon aus, dass für das Ausgabeverhalten die Liquiditätssituation der einzelnen Wirtschaftssubjekte entscheidend ist, für die Gesamtwirtschaft entsprechend die gesamtwirtschaftliche Liquidität. Die Geldmenge ist zwar Teil, aber eben nur eine von mehreren Determinanten der gesamtwirtschaftlichen Liquidität. Zu jenen gehören die Möglichkeit der Kreditaufnahme (bei Geschäftsbanken und anderen Finanzierungsinstituten oder in Form von Handelskrediten), die Einlagen bei paramonetären Instituten, das sonstige Vermögen und subjektive Liquiditätskomponenten wie das allgemeine Umsichgreifen optimistischer Erwartungen, Hoffnungen und Wünsche.
6. Ein Transmissionskonzept, das die monetäre Politik der Deutschen Bundesbank maßgeblich geprägt hat, ist der kredittheoretische Ansatz. Er stellt die Kreditgewährung als wichtiges Bindeglied zwischen monetärem und realem Bereich heraus. Danach sind Kreditverfügbarkeit und -kosten die beiden wesentlichen monetären Determinanten der Ausgabetätigkeit, die von der Zentralbank beeinflusst werden können. Diese Auffassung wird durch die Tatsache gestützt, dass die Unternehmen ihre Nettoinvestitionen i.d.R zum überwiegenden Teil (häufig ca. 75 Prozent und mehr) mithilfe von Krediten finanzieren. Folgerichtig erhofft sich die Geld- und Kreditpolitik, über eine Einschränkung (Erweiterung) des Spielraums für die Kreditgewährung der Banken und eine Verteuerung (Verbilligung) der Kreditaufnahme die Ausgaben v.a. der Unternehmungen tendenziell reduzieren (erhöhen) zu können.
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