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Transatlantic Trade and Investment Partnership
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Das Original: Gabler Wirtschaftslexikon
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abgek. TTIP, dt.: Transatlantisches Freihandelsabkommen, offiziell Transatlantisches Handels- und Investitionspartnerschaft, ist in Verhandlung zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) und der Europäischen Union (EU). Das Freihandelsabkommen wird seit Juli 2013 geheim verhandelt bis Oktober 2016 waren 15 Verhandlungsrunden angesetzt. Ein Abschluss sollte bis Ende 2016 erfolgen, der Erfolg der Verhandlungen ist jedoch aufgrund von unterschiedlichen Verhandlungspositionen und erheblichen Protesten von Interessengruppen und der Zivilgesellschaft, die allesamt Einschränkungen der in der EU und Deutschland erreichten Datenschutz-, Sozial- und Umwelt-Standards befürchten, stark gefährdet. Insbesondere die privaten Schiedsgerichte sind ein Streitpunkt der Verhandlungspartner und nach Einschätzung der deutschen Regierung bewegt sich die USA in den Verhandlungen bislang zu wenig, um einen schnellen Abschluss erreichen zu können, wenn dieser bei der verhärteten Verhandlungssituation überhaupt möglich ist.
1. Ziel: Freihandelsabkommen zwischen USA und der EU mit dem Ziel des fast vollständigen Abbaus der Zölle (ca. 97 % der derzeitigen Zölle) und sonstigen Handelsschranken sowie eines verbesserten Investitionsschutzes und festgeschriebener Sozial- und Umweltstandards, das im Rahmen des Bilateralismus und Regionalismus mit dem Ziel der Gründung einer Freihandelszone ausgehandelt wird. Die beiden größten und bedeutensten Wirtschaftsräume der Welt versuchen mit dem TTIP zum wiederholten Mal eine Freihandelszone zu schaffen.
2. Verhandlungsstand: In bislang 15 angesetzten Verhandlungsrunden wurden abwechselnd in Brüssel und verschiedenen Orten in den USA in geheimen Verhandlungen die TTIP-Entwürfe erarbeitet, die allerdings noch nicht vollständig verhandelt sind. Verlängerungen der Verhandlungen sind sehr wahrscheinlich. Ob es letztlich zu einem Verhandlungsabschluss kommt, ist nach der Wahl des neuen US-Präsidenten Trump und seiner "America first"-Politik im Herbst 2016 sehr unwahrscheinlich. Aufgrund sehr starker Proteste von Globalisierungsgegnern, Experten und anderen Kritikern stocken die Verhandlungen (auch wegen der starren Positionen der Verhandlungspartner) und der deutsche Wirtschaftsminster Gabriel hält die TTIP-Verhandlungen derzeit für gescheitert, da bislang in keinem der verhandelten Kapitel wirkliche Einigungen erzielt worden sind.
3. Proteste, Gutachten, Urteile und Ratifikationsprozess: Viel stärker als bisher steht die geheime Verhandlungsführung der Europäischen Kommission im Fokus der Öffentlichkeit und viele Interessensgruppen und Teile der Zivilgesellschaft haben massiven Protest geäußert und künftige Verfassungsbeschwerden beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) angekündigt. Im zeitlich davor liegenden Freihandelsabkommen mit Kanada (Comprehensive Economic and Trade Agreement, CETA) sind die Proteste v. a. nach Abschluss der Verhandlungen aufgekommen und Eilanträge zur Verhinderung der Unterzeichnung und vorläufigen Anwendung des CETA sind beim BVerfG am 13. Oktober 2016 gescheitert. Das CETA ist am 30. Oktober 2016 unterzeichnet worden. Die Kommission sieht grundsätzlich auch das TTIP als reines Freihandelsabkommen und damit vollständig in der (übertragenen) Kompetenz der EU. Die Mitgliedstaaten und viele Kritiker haben jedoch auf die vielen Regelungsinhalte und Berührungspunkte mit anderen Themenfeldern hingewiesen, die nicht im Regelungsbereich der EU liegen, weswegen diese das TTIP als sog. „gemischtes Abkommen“ betrachten, was zur Folge hat, dass es von allen nationalen Parlamenten der EU-Mitgliedstaaten ratifiziert werden muss. TTIP enthält neben den eigentlichen Freihandelsregelungen umfassende Regelungen zur regulatorischen Kooperation, zum Investitionsschutz, zur nachhaltigen Entwicklung, zum Umweltschutz und zu Arbeitsstandards. Die Kommission hat für den Abschluss des Freihandelsabkommens mit Singapur beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) ein Rechtsgutachten nach Art. 218 Abs. 11 AEUV in Auftrag gegeben, welches den tatsächlichen Status des Abkommens feststellen soll (Gutachten EuGH 2/15). Im Mai 2017 hat der EuGH geurteilt, dass die nationalen Parlamente diese neuen Freihandelsabkommen ratifizieren müssen. Verschiedene Interessensverbände haben in Deutschland Verfassungsbeschwerden beim BVerfG angekündigt und verschiedene Gruppen sammeln Unterschriften für ein Volksbegehren gegen TTIP.
4. Ökonomische Prognosen: Ein Gutachten des ifo-Instituts in München im Auftrag des Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) aus dem Jahr 2013 kommt zum Schluss, dass durch die TTIP Handelsschaffungsgewinne von mindestens 67% zu erwarten sind. Die Handelsschaffung ist ein Vielfaches dessen, was aus beobachtbaren Zollreduktionen zu erwarten wäre. In allen direkt durch die transatlantische Freihandelsinitiative betroffenen Ländern kommt es zu einer Ausweitung des Handels. Durch eine umfassende Handelsliberalisierung steigt im globalen Durchschnitt die Wohlfahrt (das reale Einkommen) in der langen Frist um etwa 3,3%. In Deutschland nimmt sie um etwa 4,7% zu, in Frankreich um 2,6%. Die USA und Großbritannien präsentieren sich als die wichtigsten Gewinner mit respektive 13,4% und 9,7%. Länder, mit denen entweder die EU oder die USA bereits Freihandelsabkommen unterhalten, sind die wichtigsten Verlierer. Dazu zählen Mexiko, Kanada, oder Chile, aber auch die Länder Nordafrikas. Eine Analyse unter Berücksichtigung von Arbeitsmarkteffekten zeigt, dass in Deutschland bis zu 110.000 und in der EU insgesamt 400.000 Arbeitsplätze entstehen. Die Beschäftigungszuwächse in den USA sind geringer. In Kanada und Mexiko kommt es nur zu sehr geringen, teilweise positiven Beschäftigungseffekten. Der Rest der Welt verliert etwa 240.000 Jobs. Ein weiteres von der Kommission, DG Trade, in Auftrag gegebenes Gutachten des Centere for European Policy Research in London kommt zu folgenden Prognosen: Die EU würde pro Jahr wirtschaftliche Zuwächse von 119 Mrd. Euro zu verzeichnen haben, die USA Zuwächse von 95 Mrd. Euro pro Jahr. Die Zuwächse auf beiden Seiten des Atlantiks würden eben nicht zu Lasten anderer (ärmerer) Weltgegenden gehen, sondern auch den globalen Handel um jährlich zusätzlich 100 Mrd. Euro erhöhen. EU-Exporte würden sich um 28 % erhöhen und insgesamt würden sich die Exporte der EU um 6 % und die Exporte der USA um 8 % erhöhen. Allerdings hat eine Bertelsmann-Studie für den deutschen Arbeitsmarkt nur ein Sinken der Arbeitslosenquote von 0,11 % vorhergesagt. Und andere, kritische Studien von renomierten US-Universitäten sagen z. B. ein Sinken des Intra-EU-Handels voraus, welche die Effekte von TTIP konterkarieren.
5. Zeitstrahl: Aushandlung seit Juli 2013. Im Oktober 2016 noch nicht abgeschlossen und ein Abschluss nach der Wahl von US-Präsident Trump im Dezember Jahr 2016 sehr unwahrscheinlich. Textauszüge von Vorschlägen werden regelmäßig teilweise veröffentlicht. Eine Veröffentlichung der fertig verhandelten deutschen Texte ist noch lange nicht absehbar. Eine Ratifikation ware durch 29 Vertragsparteien (Kanada und EU-28, bzw. 28 Vertragsparteien mit der EU-27 ohne das Vereinigte Königreich nach dem angekünditen Brexit) innerhalb von zwei bis fünf Jahren erforderlich. Eine vorläufige Anwendung der TTIP wäre nach Artikel 218 Abs. 5 AEUV möglich ist jedoch inzwischen sehr unwahrscheinlich.
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