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Kunst
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Das Original: Gabler Wirtschaftslexikon
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Inhaltsverzeichnis
Allgemein
Kunst (lat. "ars") ist das von Menschen geschaffene Künstliche in einem kulturellen Kontext mit einer sozialen Funktion in einer ästhetischen Dimension. Es kann sich um ein Artefakt (das Kunstwerk im engeren Sinne), eine Struktur oder einen Prozess handeln. Der Künstler will sein Geschick zeigen, etwas Besonderes und Schönes auf die Welt oder etwas zur Entfaltung und Anschauung bringen, unter Anwendung von Kulturtechniken wie der Schrift oder der Zeichnung. Eine Triebfeder der Kunst ist die sexuelle Leidenschaft, verwandelt zur kreativen Kraft, die das sexuelle Begehren – gerichtet häufig auf existierende oder imaginierte Personen – unterstützt und den Körper als Objekt einbezieht. Zu den sogenannten schönen Künsten zählen bildende Kunst (Malerei, Grafik, Fotografie, Digitalkunst, Bildhauerei, Architektur), Musik (Komposition, Vokalmusik, Instrumentalmusik), Literatur (Lyrik, Dramatik, Epik) und darstellende Kunst (Tanz, Theater, Kabarett, Film). Kunst und Kultur sind Gegenentwürfe zur Natur, wobei sie diese, ihre Ansichten, Lebewesen und Rohstoffe, ständig integrieren und transformieren. Manche Kunstformen entfalten eine immersive Wirkung, wie der Roman, das Drama oder das Computerspiel. Der Leser, Zuschauer oder Benutzer wird also in das Geschehen hineingezogen und gibt sich der Illusion hin. Diese kann gezielt zerstört werden, z.B. durch den V-Effekt, wie ihn Bertolt Brecht entwickelt hat, um die Kunst (oder die "Kunstpause") zur Agitation zu verwenden. Ob Kunst außerhalb der Kultur möglich ist, etwa hervorgebracht von Tieren wie Affen, ist umstritten. Eingeordnet und erforscht wird die Kunst von der Kunstgeschichte oder Kunstwissenschaft.
Entwicklung
Aus der Altsteinzeit sind Skulpturen, Gebrauchsgegenstände, Musikinstrumente und Höhlenmalereien erhalten. Vieles erfüllt eine bestimmte Funktion, innerhalb eines Kults oder der Beschaffung und Verarbeitung von Nahrung. Die Antike bringt einzigartige Mosaiken, Tempel und Pyramiden hervor. Im Mittelalter dominiert in Europa die Kirche als Auftraggeber, wodurch sich in der geistlichen Kunst hohe Qualität und enorme Variation finden, in der weltlichen jedoch Leerstellen. In der frühen Neuzeit und der Aufklärung treten als Mäzene der Adel und das Bürgertum hinzu. Der Künstler wird zum Selbstständigen in mentaler und ökonomischer Hinsicht und bedient den Kunstmarkt. Universalgenies wie Leonardo da Vinci tauchen auf, Kunst und Technik verbindend. Gemälde und Bücher erleben eine weite Verbreitung. Theaterstücke sowie Musik- und Tanzdarbietungen verwöhnen ihr Publikum in speziell errichteten Häusern mit technisch ausgeklügelten Bühnen. Die Literatur wird als eigenständiger Bereich in und neben der Kunst begriffen und kennt Meister wie William Shakespeare, die später Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller inspirieren. In der Moderne wird das Kunstwerk mehr und mehr zum Selbstständigen und Unabhängigen, zur L'art pour l'art, die Kunstfreiheit zum bestimmenden Prinzip. Impressionismus, Expressionismus und Surrealismus prägen die Malerei. Die abstrakte bildende Kunst verdrängt die gegenständliche, die sich aber weiter – etwa als figurative – hält. Männliche Maler wie Claude Monet, Vincent van Gogh und Pablo Picasso sowie Malerinnen (Georgia O'Keeffe, Frida Kahlo) werden zeitlebens oder posthum zu regelrechten Popstars. Erwin Piscator und Brecht versuchen sich an einer erneuten Funktionalisierung der Kunst. In der Postmoderne bietet die Digitalkunst mit ihren Video- und Klanginstallationen, ihren 3D-Welten (Augmented und Virtual Reality) und ihrer elektronischen Literatur (Computerlyrik, Handyromane, Enhanced E-Books) innovative Ansätze. Die Pop-Art wird nicht nur durch die USA (Andy Warhol, Roy Lichtenstein), sondern auch durch Japan (Takashi Murakami) geprägt.
Kunstmarkt
Der Kunstmarkt mit seinen Anfängen im 17. Jahrhundert richtet sich vor allem auf die bildende Kunst. Akteure sind u.a. Künstler, Kunstagent, Kunstkritiker, Kunstgalerist, Kunsthändler, Kunstsammler und Kunstliebhaber. Orte sind Kunstgalerien, Kunstmessen, Sammlerbörsen, Kunstauktionen und Kunstmuseen, wobei letztere für Wiederherstellung, Ausstellung und Ausleihe wesentlich sind. Das Kunstobjekt wird zum Spekulations- und Investitionsobjekt. Antike und mittelalterliche Schätze, aber auch Werke des Impressionismus, des Expressionismus, des Surrealismus und der abstrakten Malerei werden zu Summen im Millionenbereich gehandelt. An Bedeutung gewinnt die Digitalkunst. Non-Fungible Tokens (NFTs), nicht ersetzbare Verweise, werden in den 2020er-Jahren bekannt. Die Blockchain ist die dahinterliegende Technologie. In ihr wird der Verweis mit dem zugehörigen Hashwert gespeichert. Repräsentiert wird ein konkretes Objekt wie ein digitales Kunstwerk, ein digitales Sammlerobjekt oder ein Meme. Dabei geht es um Einzelwerke oder um Serien. 1,3 Millionen Dollar soll der Popsänger Justin Bieber Anfang 2022 für ein NFT-Bild eines gelangweilten Affen aus der Kollektion des Bored Ape Yacht Club ausgegeben haben. Auch Bilder, die von Affen und anderen Tieren geschaffen wurden, haben hohe Preise erzielt, was freilich nichts mit Non-Fungible Tokens zu tun hat.
Kritik und Ausblick
Kritik an der Kunst übt die Kunstkritik, entweder bezogen auf einzelne Kunstwerke und bestimmte Kunstströmungen oder den Kunstbetrieb insgesamt. Dieser wird zudem zum Gegenstand von Kunstwissenschaft, Ökonomik, Soziologie, Psychologie, Philosophie und speziell Ethik. Eine Kunstethik konnte sich als Bereichsethik nicht etablieren, doch eine Basis aufgebaut werden, nicht zuletzt im Zusammenspiel mit Informationsethik, Medienethik und Wirtschaftsethik. Zudem rücken im 21. Jahrhundert Fragen zu Herkunft und Produktion in den Vordergrund. Es geht zum einen um die Rückgabe von Raubkunst und aufgrund von Notlagen verkauften Artefakten und zum anderen um die Aufarbeitung des Missbrauchs von Modellen in der Malerei, in der Bildhauerei sowie in Fotografie und Film. Neben solchen berechtigten Anliegen fallen in Europa ab ca. 2010 zunehmende Moralisierungstendenzen aller Art auf. So werden in Museen und Galerien die Titel von Kunstwerken umbenannt oder mit Platzhaltern versehen, Triggerwarnungen ausgesprochen und "Giftkammern" mit pikanten Darstellungen eingerichtet sowie Beschreibungen von Kunstwerken in sogenannter geschlechtergerechter Sprache verfasst. "Kulturelle Aneignung" wird zum Kampfbegriff in der Musik wie in der bildenden Kunst, wobei eine Reinheit der Kultur vorausgesetzt wird, die in der Ideologie der extremen Rechten beheimatet ist. Wie die Kunst angesichts solcher Veränderungen die Freiheit bewahren kann, die seit Jahrhunderten unverbrüchlich zu ihr gehört, wird die Zukunft weisen.
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