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Informationsethik

Definition: Was ist "Informationsethik"?

Die Informationsethik hat die Moral (in) der Informationsgesellschaft zum Gegenstand. Sie untersucht, wie wir uns, Informations- und Kommunikationstechnologien und neue Medien anbietend und nutzend, in moralischer Hinsicht verhalten bzw. verhalten sollen.

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Das Original: Gabler Wirtschaftslexikon

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    Ausführliche Definition im Online-Lexikon

    Inhaltsverzeichnis

    1. Allgemein
    2. Stellung innerhalb der Bereichsethiken
    3. Möglichkeiten der Systematisierung
    4. Problembereiche und Fragestellungen
    5. Moral von Menschen und Maschinen
    6. Praktische Implikationen

    Allgemein

    Die Informationsethik hat die Moral derjenigen zum Gegenstand, die Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) und neue Medien anbieten und nutzen. Sie geht der Frage nach, wie sich diese Personen, Gruppen und Organisationen in moralischer bzw. sittlicher Hinsicht verhalten (empirische oder deskriptive Informationsethik) und verhalten sollen (normative Informationsethik). Von Belang sind auch diejenigen, die keine IKT und neuen Medien anbieten und nutzen, aber z.B. an deren Produktion beteiligt oder von deren Auswirkungen betroffen sind. Informationsethik hat also die Moral (in) der Informationsgesellschaft zum Gegenstand und untersucht, wie sich deren Mitglieder in moralischer Hinsicht verhalten respektive verhalten sollen; ebenso betrachtet sie unter sittlichen Gesichtspunkten das Verhältnis der Informationsgesellschaft zu sich selbst, auch zu nicht technikaffinen Mitgliedern, und zu wenig technisierten Kulturen. In der Metainformationsethik werden moralische Aussagen analysiert, etwa ausgehend von darin enthaltenen informationstechnischen Begriffen, und Ansätze der Informationsethik verortet und verglichen. "Digitale Ethik" wird zuweilen wie "Informationsethik" gebraucht, zuweilen auch in anderer Weise.

    Stellung innerhalb der Bereichsethiken

    Die Informationsethik gehört zur angewandten Ethik und zu den Bereichs- oder Spezialethiken. Diese beziehen sich auf abgrenzbare Lebens- und Handlungsbereiche. Beispiele sind neben der Informationsethik Medizinethik, Bioethik, Umweltethik, Militärethik, Friedensethik, Technik­ethik, Roboterethik, Medienethik, Wissenschaftsethik, Wirtschaftsethik, Politikethik und Rechtsethik. Ferner werden Sterbe- und Altersethik in Theorie und Praxis genannt, die Zukunftsethik, ebenfalls mit zeitlicher Konnotation, und die Sexualethik, deren Eigenständigkeit nicht unumstritten ist. Alle Bereichsethiken müssen sich mit der Informationsethik verständigen; die Informationsethik kann sich selbst genügen und sich damit begnügen, sich in ausgewählte Richtungen zu strecken. Der Informationswissenschaftler Rainer Kuhlen hat in seinem Buch "Informationsethik" die Beziehung zwischen Bioethik und Informationsethik thematisiert. Oliver Bendel hat die Informationsethik zu zehn Bereichsethiken ins Verhältnis gesetzt – und dann das Verhältnis zwischen Medizinethik und Informationsethik unter die Lupe genommen.

    Möglichkeiten der Systematisierung

    Auf den Medienwissenschaftler Rafael Capurro ist die Einteilung der Informationsethik in Netz-, Medien- und Computerethik zurückzuführen. Informationsethik ist für ihn sowohl eine auf Informations- und Kommunikationstechnologien als auch – ganz in informationswissenschaftlicher Tradition – auf Information bezogene Beschäftigung; von daher ist es konsequent, dass die Medienethik unter ihren Begriff fällt. Es liegt v.a. an der Entwicklung der Technologien und Medien, dass die Abgrenzung im Einzelfall schwer sein kann. Wenn man die Moral in sozialen Netzwerken analysiert – betreibt man dann Netz­ethik, Medienethik oder Computerethik? Wahrscheinlich alles zusammen, und je nach Fokus tritt der erste, zweite oder dritte Bezugspunkt hervor. Mit seiner Unterscheidung ist es Capurro auf jeden Fall gelungen, die eine oder andere ältere Bereichsethik einer neueren zuzuordnen.

    Man kann Informationsethik genauso, der eingangs vorgetragenen Definition folgend, als Ethik der Bereitstellung und Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien und neuen Medien auffassen; der Begriff der Information funktioniert dabei ähnlich wie in den Komposita "Informationsmanagement" und "Informationsgesellschaft". "Informationsmanagement" ist ein vielschichtiger Begriff; eine verbreitete Bedeutung ist das Management von Informations- und Kommunikationstechnologien und Informationssystemen. Die Informationsgesellschaft ist weniger eine informierte als vielmehr eine Information verarbeitende bzw. verarbeiten lassende Gesellschaft. Unterschieden werden kann entsprechend auch mit Blick auf Technologien und Medien. Man mag auf dem Gebiet der Informationsethik von einer Ethik der Informations- und Kommunikationstechnologien sprechen, von einer Ethik der neuen Medien und von einer Ethik des Contents, wobei es wohlgemerkt um den geistigen und körperlichen Umgang mit diesen Gegenständen geht. Eine Ethik des Contents kann auch das Urheberrecht im virtuellen Raum und das Recht am eigenen (digitalen) Bild abdecken, sich mit Rechtswissenschaft und -ethik überschneidend.

    Eine weitere Systematisierung stammt von Kuhlen. Er teilt in seinem Buch in Akteursgruppen wie Urheber und Künstler, Wissenschaft und Technik, Ausbildung, Staat, Nutzer und Verbraucher ein und ordnet ihnen Interessen zu, von denen die einen grundsätzlicher Art und die anderen auf IKT und neue Medien sowie auf Content bezogen sind. Der Informationswissenschaftler versteht Informationsethik "als praktizierte Aufklärung", deren Instrument "der informationsethische Diskurs" sei, dessen "theoretische Grundlagen durch die Diskursethik gelegt worden sind" (Kuhlen 2004, S. 67). Der Bedarf an solchen Auseinandersetzungen entsteht nun, wenn divergierende Interessen der Akteursgruppen bzw. innerhalb der Akteursgruppen aufeinanderprallen. Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen schlägt Kuhlen einen Ablauf für informationsethische Diskurse vor.

    Problembereiche und Fragestellungen

    Eine Systematisierung ist zudem anhand von Problembereichen und Fragestellungen möglich. Auch mit ihnen wird man konkret; häufig befindet man sich damit im normativen Bereich. Ein Beispiel dieser Art findet sich bei Bendel:

    • Wir nehmen Einbußen bei der Qualität in Kauf.
    • Wir verschwenden Zeit und Aufmerksamkeit.
    • Wir gleichen uns an in unserem Denken und Verhalten.
    • Wir schaffen Alternativen ab und stellen Abhängigkeiten her.
    • Wir verlieren unsere Erkenntnisse und unsere Fähigkeiten.
    • Wir lassen Kunden, Mitarbeiter und Freunde zu Schaden kommen.

    Diese (zugespitzt formulierten) Probleme sind für Privatpersonen und für (anbietende und nutzende) Organisationen und Unternehmen gleichermaßen relevant. Sie bestehen seit langem; doch durch den Einsatz und die Verwendung von IKT und digitalen Medien entstehen neue Möglichkeiten, neue Qualitäten und Quantitäten. Vor dem Hintergrund der genannten Grundprobleme kann man zahlreiche Problem- und Sachbereiche identifizieren, etwa die scheinbare Prozessoptimierung durch Wirtschaftsinformatiker, das Potenzial des Netzes für den Totalitarismus, die Gefahren durch Automatismen und Manipulationen, die Abhängigkeit von IT-Unternehmen und IT, die Risiken von Anonymität und Identifizierbarkeit im Netz, die Zunahme von Mobbing und Denunziation in virtuellen Räumen und der Verlust der Privatheit durch Internet und Outernet.

    Ebenso kann man von ethischen Grundfragen ausgehen und Fragestellungen für die Informationsethik ableiten. Annemarie Pieper sieht in ihrem Buch "Einführung in die Ethik" drei Fragenbereiche, nämlich Glück bzw. Glückseligkeit, Freiheit sowie Gut und Böse. Zu Freiheit und Determination schreibt die Philosophin: "Mit dem Problem von Freiheit und Determination steht und fällt die Moral und damit zugleich die Ethik als die Wissenschaft von der Moral." (Pieper 2007, S. 168) Man kann grundsätzlich fragen, wie sich in der Informationsgesellschaft die Freiheit von Individuen und Gruppen verändert. Und man kann spezifische Fragen stellen: Wie verändert sich die Freiheit, wenn der Mensch nicht nur Maschinen benutzt, sondern auch von Maschinen benutzt wird? Welchen Einfluss auf unsere Autonomie hat es, wenn uns webbasierte Dienste Bücher und Freunde vorschlagen und personalisierte Werbung einblenden? Wie verändert sich unsere Privatsphäre, wenn wir uns selbst ausstellen und durch andere ausgestellt werden? Eng mit dem Begriff der Freiheit ist der Begriff der Verantwortung verbunden. Auch hier lässt sich grundsätzlich fragen: Wer übernimmt Verantwortung in einer hochtechnisierten Welt mit vielen Mittlern und Akteuren? Und man kann spezifische Fragen stellen, jeder für sich, auch bezüglich der eigenen Verantwortung.

    Moral von Menschen und Maschinen

    Noch in anderer Weise kann man die Ethik (mithin die Informationsethik) untergliedern, nämlich hinsichtlich des Subjekts und Objekts der Moral. Die Ethik ist üblicherweise der Moral von Menschen verpflichtet; aber sie kann sich als Maschinenethik auch auf die Moral von Maschinen beziehen. Diese Disziplin kann Informations- und Technikethik zugeschlagen oder als neue "Hauptethik" eingestuft werden. Der Begriff "moralische Maschine" ist ebenso wie "maschinelle Moral" ("künstliche Moral") ein Terminus technicus. Das Anliegen ist, die menschliche Moral zu simulieren. Das Subjekt der Moral ist ein neuartiges, fremdartiges, merkwürdiges, es hat keinen freien Willen und trägt keine Verantwortung. Michael Anderson und Susan Leigh Anderson gehen als Herausgeber des Buchs "Machine Ethics" der Frage nach, ob und wie autonome Systeme in moralischer Weise handeln sollen. Schon in den 1950er- und 1960er-Jahren hat man in Wissenschaft und Literatur über diese Frage nachgedacht; aber ein ernstzunehmendes Forschungsgebiet ist erst in den 00er- und 10er-Jahren des 21. Jahrhunderts entstanden. Ohne Zweifel ist die Notwendigkeit vorhanden, das "Verhalten" von Maschinen in den Kontext der Moral zu stellen und Ethiker und Vertreter der Künstlichen Intelligenz (KI) darüber nachdenken zu lassen. Wie sollen Maschinen mit uns umgehen, und wie sollen sie sich entscheiden in Situationen, in denen wir in unserer Identität und in unserer Existenz bedroht werden? Im Rahmen der Roboterethik kann man auch über das Verhalten gegenüber autonomen Maschinen nachdenken. Objekte der Moral im engeren Sinne – etwa Träger von moralischen Rechten – werden diese aber mit hoher Wahrscheinlichkeit nie werden.

    Praktische Implikationen

    Die Informationsethik ist ein relativ junges Gebiet der Ethik. Sie vermag aber recht betagte Bereichsethiken wie die Computerethik einzuschließen. Ihre Anwendungsbereiche vermehren und vergrößern sich Tag für Tag, und es ist zu klären, welches Spezialgebiet für welche Spezialfrage zuständig ist und wie es mit einem anderen Spezialgebiet oder einer anderen Spezialethik zusammenhängt. Definitionen und Systematisierungen helfen dabei, Zuständigkeiten deutlich zu machen und Lücken zu erkennen. Auch der von Kuhlen skizzierte Ablauf für informationsethische Diskurse hat Bedeutung für die Praxis. Und wie in der Praxis verfahren werden soll, ist für die normative Informationsethik, diesen Prüfstein der Informationsgesellschaft, von hoher Relevanz.

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    Zeitschriften

    Bendel, O.: Die Medizin in der Moral der Informationsgesellschaft: Zum Verhältnis von Medizinethik und Informationsethik
    1, Zürich, 2012, S. in: IT for Health, S. 17-18.

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