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Risk-Pooling
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Das Original: Gabler Wirtschaftslexikon
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1. Definition: Risk-Pooling in der Logistik ist die Vereinigung individueller Nachfrage- und/oder Lieferzeitschwankungen, um die durch sie gebildete Gesamtschwankung und damit die Unsicherheit und das Risiko, die Möglichkeit, Unternehmensziele nicht zu erreichen, zu senken. Die individuellen Schwankungen oder Variabilitäten werden meist mit der Standardabweichung gemessen und durch Aggregation von Nachfragen (Demand-Pooling) und/oder Lieferzeiten (Lead-Time-Pooling) vereinigt.
2. Ursprung: Risk-Pooling hat seinen Ursprung im Versicherungs- und Finanzwesen. Hier wird es oft als Diversifikation bezeichnet und kann das mit der Variabilität individueller Aktien verbundene Risiko senken, wenn ein Investor ein Portfolio von Aktien hält (Markowitzˈ Portfoliotheorie). Außerhalb des Finanzwesens führt Volatilität oder Variabilität nicht zwangsläufig direkt zu Risiko. Oft führen die Variabilitäten über einen Mittler wie z.B. Sicherheitsbestände, die proportional zur Nachfrage- und/oder Lieferzeitvariabilität sind, zu wirtschaftlichem Risiko. Deshalb schließt sich die synonyme Verwendung der Begriffe Variabilität und Risiko aus. Da Risk-Pooling individuelle Variabilitäten und nicht individuelle Risiken vereinigt, kann der Begriff Risk-Pooling irreführend wirken.
3. Erklärung: Risk-Pooling wird durch einen Spezialfall der Minkowski-Ungleichung für p = 2, der Subadditivität der Quadratwurzel aus nichtnegativen reellen Zahlen und den Ausgleichseffekt von überdurchschnittlichen und unterdurchschnittlichen Werten einer Zufallsvariable erklärt.
wobei:
σ die Gesamtvariabilität ohne Risk-Pooling,
σi die einzelnen Standardabweichungen (Variabilitäten) der Nachfrage bzw. des Prognosefehlers oder der Lieferzeit,
σa die Gesamtvariabilität mit Risk-Pooling und
ρij der Korrelationskoeffizient ist.
4. Eigenschaften: Risk-Pooling ist eine operationelle betriebliche Methode zur Risikoverringerung und kann, muss aber aufgrund des Größer-Gleich-Zeichens in obiger Gleichung nicht zwangsläufig die Gesamtvariabilität und damit den Lagerbestand für einen gegebenen Servicegrad senken, den Servicegrad für einen gegebenen Lagerbestand erhöhen oder eine Kombination aus Lagerbestandssenkung und Servicegraderhöhung (Risk-Pooling-Nutzen) ermöglichen. Eine Gleichheit der Gesamtvariabilität mit und ohne Risk-Pooling ergibt sich allerdings nur, wenn die Zufallsvariablen perfekt positiv korreliert sind (der Korrelationskoeffizient ρij 1 entspricht, i, j) oder mindestens n-1 σi gleich 0 sind, sodass die Zufallsvariablen nicht gegenseitig ihre Schwankungen ausgleichen können.
Risk-Pooling zeigt für gewöhnlich zunehmenden Nutzen mit zunehmender Anwendung (zunehmenden beteiligten Produkten, Standorten oder Lieferkettenpartnern), aber abnehmenden Grenznutzen. Der Risk-Pooling-Nutzen nimmt im Allgemeinen mit abnehmender Korrelation der vereinigten Nachfragen und / oder Lieferzeiten und Unsicherheitskonzentration (Ähnlichkeit der Werte der Standardabweichungen) als auch zunehmender Variabilität zu.
5. Risk-Pooling-Methoden: Es gibt zehn Risk-Pooling-Methoden, zu denen jeweils viele synonyme Begriffe in der Literatur existieren: (1) Inventory-Pooling, (2) Virtual-Pooling, (3) Transshipments, (4) Centralized-Ordering, (5) Order-Splitting, (6) Component-Commonality, (7) Postponement, (8) Capacity-Pooling, (9) Product-Pooling und (10) Product-Substitution.
Diese Methoden können überall entlang der Supply-Chain angewendet werden und beziehen sich hauptsächlich auf die unterstützenden Wertschöpfungskettentätigkeiten Lagerung (1) und Transport (2 und 3) und die primären Wertschöpfungskettentätigkeiten Beschaffung (4 und 5), Leistungserstellung (6, 7 und 8) und Distribution (9 und 10). Da Risk-Pooling Nachfrage- und/oder Lieferzeitvariabilität senken kann, können die Wertschöpfungstätigkeiten zu geringeren Kosten für einen gegebenen Servicegrad, einem höheren Servicegrad bei gegebenen Kosten oder beiden ausgeführt werden. Dadurch kann der erwartete Gewinn steigen, indem die erwarteten Kosten gesenkt und/oder der erwartete Erlös erhöht wird. Porters Wettbewerbsstrategien Kostenführerschaft und Differenzierung können durch Risk-Pooling verbunden werden, um einen Wettbewerbsvorteil zu erlangen: Zum Beispiel können durch Postponement die Kostenvorteile einer Massenproduktion mit dem Wettbewerbsvorteil einer kundenindividuellen Produktanpassung in der Mass-Customization verbunden werden.
Risk-Pooling-Methoden können danach klassifiziert werden, ob sie zu Demand-Pooling und/oder Lead-Time-Pooling (siehe 1. Definition) führen können. Alle Risk-Pooling-Methoden außer (5) Order-Splitting führen zu Demand-Pooling: Stochastische Nachfragen werden aggregiert, sodass sich über- und unterdurchschnittliche Nachfragen ausgleichen können. (3) Transshipments führen zusätzlich zu Lead-Time-Pooling, (5) Order-Splitting führt lediglich zu Lead-Time-Pooling: Stochastische Lieferzeiten werden aggregiert, sodass sich über- und unterdurchschnittliche Lieferzeiten ausgleichen können. Eine verspätete Lieferung kann durch eine verfrühte Lieferung ausgeglichen werden, sodass Sicherheits- und Fehlbestände gesenkt werden können.
(1) Inventory-Pooling ist die Vereinigung von Lagerbeständen z.B. durch Zentralisierung oder selektive Lagerhaltung, um Lagerhaltungs- und Fehlbestandskosten durch Risk-Pooling zu senken. Durch die Vereinigung von Lagerbeständen werden stochastische Nachfragen aggregiert, da sie vom konsolidierten Lagerbestand befriedigt werden. Dadurch können sich Nachfrageschwankungen ausgleichen (Demand-Pooling). Inventory-Poolings Risk-Pooling-Effekt bezüglich der Lagerbestandsersparnis kann mit der Square-Root-Law, dem Portfolio-Effect und der Inventory-Turnover-Curve bestimmt werden.
(2) Virtual-Pooling weitet den Bestand eines Unternehmenslagers über den physischen Bestand hinaus auf den Bestand anderer eigener oder fremder Standorte aus mittels Informations- und Kommunikationstechnologie, Drop-Shipping (Streckengeschäft bzw. Direktversand) oder Cross-Filling (Querlieferungen).
(3) Transshipments sind Transporte von Lagerbeständen zwischen Standorten z.B. zwischen Lagern oder Verkaufsstellen u.a. bei Fehlbeständen. Sie führen zu Demand-Pooling über alle Standorte oder Händler, da alternative Standorte Kundennachfragen befriedigen können, und Lead-Time-Pooling, da das ganze System die Möglichkeit zu teilweisen Lagerbestandsauffüllungen hat.
(4) Centralized-Ordering oder Order-Pooling ist die gemeinsame Bestellung für verschiedene Standorte und ihre spätere Aufteilung z.B. durch ein Depot auf die Bedarfsträger oder Distributionspunkte anhand aktuellerer Nachfrageinformationen.
(5) Order-Splitting teilt eine Bestellung auf mehrere Lieferanten oder Lieferungen auf. Die eine Bestellung und damit ihre Lieferzeit wird in mehrere Bestellungen oder Lieferungen und ihre jeweiligen Lieferzeiten aufgeteilt, sodass sich die Schwankungen dieser Lieferzeiten ausgleichen können.
(6) Component-Commonality (Gleichteileverwendung) nutzt gleiche anstatt individuelle Bauteile für mehrere Produkte. Die Nachfrage nach den individuellen Bauteilen wird zur Nachfrage nach den (wenigeren) generischen Bauteilen oder einem generischen Bauteil aggregiert, sodass die Variabilität der Nachfrage nach Bauteilen sinken kann.
(7) Postponement schiebt Entscheidungen in der Logistik, Beschaffung, Produktion oder Distribution so lange wie möglich auf, z.B. in Produktentwicklung, Einkauf, Bestellung, Zuweisung, Fertigung, Montage, Verpackung, Beschriftung, Preissetzung und Versand. Durch den dadurch verkürzten Prognosehorizont und eine aggregierte Prognose können genauere Informationen genutzt werden. Aggregierte Vorhersagen sind für gewöhnlich genauer als disaggregierte wegen der statistischen Ausgleichseffekte des Risk-Pooling (statistische Economies of Scale). Postponement erlaubt, ein einziges generisches (einheitliches) Produkt länger die Lieferkette hinab zu befördern und später bedarfsgerechter anhand aktuellerer Nachfrageinformationen zu individuellen Produkten auszudifferenzieren (Delayed-Product-Differentiation oder aufgeschobene Variantenbildung). Auf den vorausgehenden Lieferkettenstufen vor der Variantenbildung werden die Nachfragen nach den individuellen Produkten zur Nachfrage nach dem generischen Produkt aggregiert, die weniger stark schwankt, da sich die stochastischen Schwankungen der individuellen Nachfragen durch Risk-Pooling zu einem gewissen Grad ausgleichen.
(8) Capacity-Pooling vereinigt Produktions-, Service- oder Lagerkapazitäten mehrerer Einrichtungen. Ohne Pooling erfüllt jede Einrichtung ihre Nachfrage nur mit ihrer eigenen Kapazität. Mit Pooling werden die Nachfragen aggregiert und durch die zusammengefasste Kapazität befriedigt. Es kann ein höherer Servicegrad mit derselben Kapazität oder derselbe Servicegrad mit weniger Kapazität geboten werden. Die Kapazitätsflexibilität erlaubt Kapazitätsverschiebungen zu umsatzstarken Produkten, um entgehende Umsätze zu vermeiden.
(9) Product-Pooling vereinigt verschiedene Produktdesigns zu einem universellen Design oder verringert die Anzahl von Produktvarianten oder Stock-Keeping-Units, sodass Nachfragen, die vorher mit ihrer eigenen Produktausführung befriedigt wurden, nun mit weniger Produkten bedient werden. Die Nachfragen nach den verschiedenen Produkten werden zur Nachfrage nach dem universellen Design oder der verringerten Anzahl an Stock-Keeping-Units aggregiert, die dank Risk-Pooling weniger stark schwankt.
Bei der (10) Product-Substitution werden Kunden zum Kauf eines Alternativproduktes veranlasst, weil der ursprüngliche Kundenwunsch nicht vorhanden ist oder im Rahmen des Demand-Reshape obwohl er vorhanden ist. Substitution erlaubt dem Hersteller, Händler oder Dienstleister, die Nachfrage nach substituierbaren Teilen, Produkten oder Dienstleistungen zu aggregieren.
6. Fazit und Ausblick: Nachfrage- und Lieferzeitvariabilität nimmt ständig zu durch z.B. zunehmende Produktvielfalt, sich rasch ändernde Kundennachfrage, kürzere Produktlebenszyklen, Prognoseschwierigkeiten, Globalisierung, Outsourcing, Single-Sourcing und wenig Spielräume durch z.B. Just-in-Time. Dadurch müssen höhere Sicherheitsbestände gehalten werden, um einen bestimmten Kundenservicegrad zu gewährleisten. Risk-Pooling kann die Nachfrage- und Lieferzeitvariabilität und somit Kosten für einen gegebenen Servicegrad senken, was besonders in Zeiten wirtschaftlichen Abschwungs nützlich ist.
Die umfangreiche, aber zersplitterte und uneinheitliche Literatur von über 700 Publikationen zu Risk-Pooling ist vor allem in den letzten Jahren angewachsen. Überwiegend beschäftigt sie sich mit bestimmten mathematischen Modellen und vernachlässigt größtenteils den Vergleich der verschiedenen Risk-Pooling-Methoden hinsichtlich ihrer Eignung für bestimmte Bedingungen und die Auswahl und Implementierung geeigneter Risk-Pooling-Methoden in der Praxis. Die Risk-Pooling-Methoden sind weithin bekannt (Centralized-Ordering, Product-Substitution und Inventory-Pooling am meisten), aber nur Inventory-Pooling, Transshipments, und Centralized-Ordering werden weithin angewendet.
Die Risk-Pooling-Forschung könnte ausgeweitet werden auf weitere empirische und spieltheoretische Untersuchungen, Simulationen, Umfrageforschung, von einzelnen Unternehmen auf die gesamte Lieferkette, andere Unsicherheiten als Nachfrage- und Lieferzeitunsicherheiten, weitere Streuungsmaße neben der meist verwendeten Standardabweichung und weitere Bestellpolitiken neben der Economic-Order-Quantity (optimalen Bestellmenge) oder dem Newsvendor-Modell und die Berücksichtigung steigender Transportkosten. Außerdem könnte mit Risk-Pooling dem demografischen Wandel begegnet werden, indem eine gleichbleibend gute Gesundheitsversorgung einer älter werdenden Bevölkerung zu geringeren Kosten gewährleistet werden kann (Krankenhauslogistik).
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