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Lomé-Abkommen
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Das Original: Gabler Wirtschaftslexikon
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1. Begriff/Charakterisierung: Formale Basis der bes. Wirtschaftsbeziehungen zwischen der EU und den sog. AKP-Staaten.
2. Rechtsgrundlagen: Seit ihrer Gründung (1958) ist die EU (zuvor EWG bzw. EG) verpflichtet, solche außereuropäischen Länder zu assoziieren und wirtschaftlich zu fördern, die zu einem der EU-Staaten langandauernde bes. Beziehungen unterhalten (Art. 182–187 EGV, 198-203 AEUV). Dieser Vorschrift liegen in erster Linie politische Absichten zugrunde; die genannte Verpflichtung kann im Übrigen als eine spezielle Form von Kompensation für die von der Gemeinschaftsgründung zulasten von Nicht-Mitgliedsländern ausgehenden integrationsbedingten Diskriminierungswirkungen (Handelsverzerrung) angesehen werden.
Weitere Rechtsgrundlage: Art. 133 EGV (Art. 207 AEUV), d.h. die Verpflichtung der Mitgliedsstaaten der EU zu einer gemeinsamen Handelspolitik.
2. Entwicklung: a) Den Art. 182 ff. EGV (Art. 198 AEUV) wurde nach Inkrafttreten der Römischen Verträge zunächst durch die unverzügliche Errichtung des ersten EEF (Europäischer Entwicklungsfonds). Dieser Fonds finanziert v.a. die Entwicklungshilfezusammenarbeit der EU mit den AKP-Staaten sowie mit den überseeischen Ländern und Gebieten (ÜLG). Während die Hilfe für die ÜLG ab 2008 in den EU-Haushaltsplan einbezogen worden ist, werden die Mittel für die AKP-Staaten von 2008 bis 2013 weiterhin aus den EEF finanziert. Die Instrumente des EEF sind nichtrückzahlbare Hilfe, Risikokapital und Darlehen an die Privaten.
b) Nachdem diese Staaten die Unabhängigkeit erlangten, kam es zur Vereinbarung des Ersten Jaunde-Abkommens (1964–1969) zwischen den sechs EWG-Staaten und 18 AASM-Staaten (AASM). Das Erste Jaunde-Abkommen nahm bereits einige Elemente der späteren Lomé-Merkmale vorweg: Handelspräferenzen, finanzielle und technische Hilfe, gemeinsame Institutionen auf Ministerebene. Nach Auslauf des Ersten Jaunde-Abkommens trat bis zum 31.1.1975 das Zweite Jaunde-Abkommen in Kraft. Parallel dazu (1971–1975): Arusha-Abkommen zugunsten der Commonwealthländer Kenia, Tansania und Uganda.
c) Durch den EG-Beitritt Großbritanniens (1.1.1973) vergrößerte sich die Zahl potenzieller Anwärter für eine Assoziierung gemäß Art. 131 ff. EWGV (Art. 182 ff. EGV, Art. 206 ff. AEUV) ganz beträchtlich. 1975 kam es zum Abschluss des in Lomé (Hauptstadt von Togo) unterzeichneten Ersten Lomé-Abkommens (1975–1980) zwischen neun EG-Ländern und 46 AKP-Staaten. Der durch die Lomé-I-Konvention begründete bes. Charakter der Wirtschaftsbeziehungen zwischen der EG und den AKP-Staaten ist im Laufe der Zeit fortgeführt und kontinuierlich ausgebaut worden: Lomé-II (1980–1985; zehn EG- und 57 AKP-Staaten); Lomé-III (1985–1990; 12 EG- und 66 AKP-Staaten); Lomé-IV (1990–2000; 12 bzw. 15 EU- und 71 AKP-Staaten); Cotonou-Abkommen (2000–2007; in 2003: 15 EU- und 79 AKP-Staaten).
3. Hauptmerkmale: a) Der schon im Zuge von Lomé-II und Lomé-III eingeschlagene Weg, vermehrt marktwirtschaftliche Anreize für eine stärkere Entfaltung der Eigeninitiative zu etablieren sowie die Effizienz der Gemeinschaftshilfen zu verbessern, wurde mit Lomé-IV durch die Etablierung einer Strukturanpassungsfazilität fortgesetzt. Um einen höheren Selbstversorgungsgrad der AKP-Staaten bei Nahrungsmitteln zu erreichen, wird seit Lomé-II bes. Gewicht auf Maßnahmen zur Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen sowie zum Ausbau der Landwirtschaft gelegt. Außerdem wird seit Lomé-III die Notwendigkeit betont, dass die lokalen sozialen und kulturellen Gegebenheiten in die entwicklungspolitischen Überlegungen einbezogen werden müssen.
b) AKP-EU-Handelsbeziehungen: Seit Anfang an wird das Ziel verfolgt, sowohl den AKP-EU-Handel als auch den Handel zwischen den AKP-Ländern auszuweiten. Fast alle (ca. 99 Prozent) Erzeugnisse mit Ursprung aus den AKP-Staaten haben einen von Zöllen und Kontingenten freien Zutritt zum EU-Raum. Ausgenommen von dieser Vergünstigung sind lediglich solche Erzeugnisse, für die im Rahmen internationaler Warenabkommen spezielle Regelungen bestehen; das Gleiche gilt auch für landwirtschaftliche Produkte, die Gegenstand einer EU-Agrarmarktordnung sind, wobei allerdings die AKP-Staaten eine Präferenzstellung gegenüber sonstigen Drittländern genießen.
Eine Besonderheit der handelspolitischen Beziehungen zwischen den beiden Blöcken besteht darin, dass die EU seit Lomé-I auf die reziproke Gewährung der Handelsvergünstigungen für ihre eigenen Exporte nach den AKP-Ländern verzichtet. Im Übrigen weist das Abkommen eine bisher nie angewendete Schutzklausel auf, nach welcher EU-Importe aus den AKP-Ländern nach beiderseitiger Konsultation partiell und vorübergehend eingeschränkt werden können, falls diese Lieferungen gravierende Störungen einer Branche oder Region innerhalb der EU auslösen sollten.
c) Verstetigung der Devisenerlöse der AKP-Staaten: Bereits mit Lomé-I erfolgte die Etablierung des sog. STABEX-Systems zur Verstetigung der Deviseneinnahmen, welche die AKP-Staaten aus ihrem Export von tropischen und subtropischen Agrargütern in die EU erzielen. Im Rahmen von Lomé-II kam es zur Einrichtung eines an relativ restriktive Bedingungen gebundenen Sonderfonds für die Förderung der Modernisierung und Ausweitung des Bergbaupotenzials der AKP-Staaten (SYSMIN). Sowohl STABEX als auch SYSMIN wurden nach und nach abgebaut und zum 1.1.2008 durch andere Formen der Zusammenarbeit (neue Abkommen) im Rohstoffsektor abgelöst.
d) Industrielle Kooperation: Bereits im Zuge der Umsetzung des Lomé-I-Abkommens wurde Mitte der 1970-er Jahre ein AKP-EG-Zentrum für industrielle Entwicklung gewerblicher bzw. industrieller Vorhaben (Sitz: Brüssel) geschaffen.
e) Im Zuge der Durchführung des Lomé-II-Abkommens wurde ein beiderseits verwaltetes Technisches Zentrum für die Zusammenarbeit in der Landwirtschaft und im ländlichen Bereich errichtet. Außerdem erfolgte seit Lomé-II eine Abkehr von der vorrangigen Förderung von Großprojekten.
f) Strukturanpassungshilfen: Weil während der 1980-er Jahre die Auslandsverschuldung vieler AKP-Staaten beträchtlich zugenommen hat, wurde die Gewährung von Strukturanpassungshilfen in das Vierte Lomé-Abkommen aufgenommen. Seit dem Siebten EEF (1990–1995) werden für diesen Zweck in Form einer Sonderfazilität Mittel ausgewiesen. Deren Einsatz erfolgt in Kooperation mit den Strukturanpassungsprogrammen von IWF und Weltbank. Die gewährten Finanzhilfen dienen zur wirtschaftlichen und sozialen Abfederung von Wirtschaftsreformen.
g) Finanzielle Zusammenarbeit: Für die Gewährung von Finanzhilfen gilt der Grundsatz der vorrangigen Förderung derjenigen AKP-Staaten, deren wirtschaftliches Entwicklungsniveau bes. niedrig ist, die entweder sog. Binnenstaaten oder sog. Inselstaaten sind. Seit dem Dritten Lomé-Abkommen wird verstärkt darauf abgestellt, die Finanzmittel so einzusetzen, dass die Eigeninitiative der einheimischen Bevölkerung angeregt wird.
Das von Seiten der EU für die einzelnen Aufgabenbereiche des Abkommens zur Verfügung gestellte Mittelvolumen ist in einem Finanzprotokoll, das Bestandteil des Vertragswerks ist, festgelegt und besteht aus dem jeweiligen EEF und Leistungen der Europäischen Investitionsbank (EIB). Schon seit dem Ersten Lomé-Abkommen hat der überwiegende Teil der vom EEF gewährten Mittel den Charakter von Zuschüssen getragen. Dieser Anteil ist von Abkommen zu Abkommen erhöht worden. Von den für die Laufzeit der Vierten Lomé-Konvention bereitgestellten Mitteln entfallen rund 90 Prozent auf nichtrückzahlbare Finanzhilfen.
4. Gemeinsame Organe: Die schon im Zuge des Ersten Jaunde-Abkommens errichteten gemeinsamen Institutionen zur Förderung der Vertragsziele und des wechselseitigen Meinungsaustauschs sind durch die vier Lomé-Konventionen sowie das nachfolgende Cotonou-Abkommen fortgeführt und kontinuierlich ausgebaut worden. Insgesamt sind im Abkommen drei paritätisch besetzte Kontroll- und Entscheidungsorgane verankert: der gemeinsame AKP-EG-Ministerrat (richtungweisende Funktion), der Ausschuss der ständigen Vertreter und die sog. paritätische Versammlung (Initiativrecht). Die Beschlussfassung über die Bereitstellung von Finanzmitteln unterliegt allerdings de facto dem üblichen EU-internen Entscheidungsverfahren (d.h. dem Rat der Europäischen Union unter Mitwirkung des Europäischen Parlaments).
5. Bedeutung: Die AKP-EU-Kooperation bildet den Schwerpunkt der Entwicklungspolitik der EU.
6. Perspektiven: Im Abkommen von Cotonou, das im Jahre 2000 abgeschlossen worden ist, wird die Kooperation zwischen der EU und den AKP-Staaten auf die folgenden fünf Elemente gestützt: (1) politischer Dialog (Forderung nach sog. good governance), (2) Armutsbekämpfung durch Integration in den Welthandel, (3) Reform der wirtschaftlichen Kooperation, (4) Einbeziehung nicht staatlicher Akteure (NGO), (5) Reform der finanziellen Zusammenarbeit. Die einseitigen Handelspräferenzen zugunsten der AKP-Staaten sind teilweise bereits abgebaut worden bzw. sollen in absehbarer Zeit eliminiert werden.
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