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Pflegeversicherung

Definition: Was ist "Pflegeversicherung"?

selbstständiger Zweig der Sozialversicherung zur Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit (Pflegefall).

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    Ausführliche Definition im Online-Lexikon

    Inhaltsverzeichnis

    1. Gesetzliche/Soziale Pflegeversicherung
    2. Private Pflege-Pflichtversicherung

    selbstständiger Zweig der Sozialversicherung zur Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit (Pflegefall). Eingeführt mit dem Pflegeversicherungsgesetz vom 26.5.1994 (BGBl. I 1014) m.spät.Änd. - eingegliedert als Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) - soziale Pflegeversicherung - in das Sozialgesetzbuch.

    Gesetzliche/Soziale Pflegeversicherung

    1. Versicherter Personenkreis: a) Entsprechend dem Grundsatz „Die Pflegeversicherung folgt der Krankenversicherung“ ist jedes Pflichtmitglied der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert in der sozialen Pflegeversicherung.
    b) Entsprechend diesem Grundsatz werden in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig Versicherte in der sozialen Pflegeversicherung pflichtversichert, jedoch mit der Möglichkeit, zur privaten Pflegeversicherung überzuwechseln (§ 20 Abs. 3 SGB XI), wenn sie sich privat versichert haben.
    c) Außerdem werden bestimmte Personenkreise pflichtversichert, die weder bei einer gesetzlichen Krankenkasse noch bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert sind (Personen mit Anspruch auf Heil- oder Krankenbehandlung nach dem BVG; Bezieher einer Kriegsschadensrente oder vergleichbarer Leistungen nach dem Lastenausgleichsgesetz, dem Reparationsschädengesetz oder dem Flüchtlingshilfegesetz sowie Bezieher von ergänzender Hilfe zum Lebensunterhalt im Rahmen der Kriegsopferfürsorge; Bezieher laufender Leistungen zum Unterhalt und von Leistungen der Krankenhilfe nach SGB VIII; Krankenversorgungsberechtigte nach dem Bundesentschädigungsgesetz; Soldaten auf Zeit, die nicht privat krankenversichert sind (§ 21 SGB XI)).
    d) Für Ehegatten und Kinder von Mitgliedern der sozialen Pflegeversicherung besteht ein Anspruch auf - beitragsfreie - Familienversicherung entsprechend den Voraussetzungen der Familienversicherung (Familienhilfe) in der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 25 SGB XI).

    2. Befreiung von der Versicherungspflicht: Von der Versicherungspflicht kann sich befreien lassen, wer in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig versichert ist. Die Befreiung muss bei der zuständigen Pflegekasse beantragt werden und setzt den Nachweis eines privaten Pflegeversicherungsschutzes, der den Leistungen der sozialen Pflegeversicherung gleichwertig ist, voraus. Der Befreiungsantrag kann nur innerhalb von drei Monaten nach Beginn der Versicherungspflicht gestellt werden. Die Befreiung kann nur einheitlich für das Mitglied und die versicherten Familienangehörigen erfolgen (§ 22 SGB XI).

    3. Leistung: a) Bei häuslicher Pflege werden gewährt:
    (1) häusliche Pflegehilfe als Pflegesachleistung (§ 36 SGB XI), d.h. Betreuung durch zugelassene ambulante Pflegeeinrichtungen. Der Umfang der Sachleistung für häusliche Pflegehilfe richtet sich nach dem Grad der Pflegebedürftigkeit bzw. dem Pflegegrad (bis 31.12.2016 Pflegestufe). Im Pflegegrad 2 werden seit 1.1.2017 monatliche Leistungen bis zum Wert von 689 Euro, im  Pflegegrad 3 bis zum Wert von 1.298 Euro, im Pflegegrad 4 bis zum Wert von 1.612 Euro, im Pflegegrad 5 bis zum Wert von 1.995 Euro gewährt. Medizinische Behandlung zählt jedoch nicht zur Pflegesachleistung, sondern zur häuslichen Krankenpflege, für die die Krankenversicherung zuständig ist.
    (2) Pflegegeld für selbst beschaffte Pflegehilfen (§ 37 SGB XI) wird gewährt, wenn der Pflegebedürftige die Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung z.B. durch Angehörige, Nachbarn, Freunde selbst sicherstellen kann. Das Pflegegeld beträgt seit 1.1.2017 monatlich im Pflegegrad 2 316 Euro, im Pflegegrad 3 545 Euro, im Pflegegrad 4 728 Euro und im Pflegegrad 5 901 Euro. Es zählt bei der Gewährung anderer einkommensabhängiger Sozialleistungen nicht als Einkommen.
    (3) Sachleistung und Pflegegeld können in Kombination in Anspruch genommen werden (§ 38 SGB XI). Generell besteht dann eine Bindung an diese Entscheidung für sechs Monate. Sachleistung und Pflegegeld werden entsprechend dem Verhältnis der Inanspruchnahme gewidmet.
    (4) Bei Urlaub oder Verhinderung der Pflegeperson besteht Anspruch auf eine Ersatzkraft für die Dauer von bis zu vier Wochen und bis zu einem Gesamtwert von 1.612 Euro pro Jahr (§ 39 SGB XI).
    (5) Pflegebedürftige haben Anspruch auf teilstationäre Pflege in Einrichtungen der Tages- oder Nachtpflege, wenn häusliche Pflege nicht in ausreichendem Umfang sichergestellt ist (§ 41 SGB XI). Die Kosten für teilstationäre Pflege werden seit 1.1.2017 im Pflegegrad 2 bis zum Wert von 689 Euro, im Pflegegrad 3 bis zum Wert von 1.298 Euro, im Pflegegrad 4 bis zum Wert von 1.612 Euro und im Pflagegrad 5 bis zum Wert von 1.995 Euro übernommen. Wird der jeweilige Höchstwert nicht ausgeschöpft, wird zusätzlich ein anteiliges Pflegegeld gezahlt.
    (6) Für eine Übergangszeit oder in Krisensituationen besteht Anspruch auf Kurzzeitpflege (§ 42 SGB XI) in einer vollstationären Einrichtung, wenn teilstätionäre Pflege nicht ausreicht. Der Anspruch ist auf vier Wochen pro Jahr und 1.612 Euro beschränkt.
    (7) Pflegebedürftige haben Anspruch auf Pflegehilfsmittel und technische Hilfen, die zur Erleichterung der Pflege oder zur Linderung der Beschwerden beitragen oder eine selbstständigere Lebensführung ermöglichen, wenn nicht andere Leistungsträger, bes. die Krankenkassen, zuständig sind (§ 40 SGB XI). Pflegehilfsmittel sind z.B. Desinfektionsmittel oder Unterlagen, technische Hilfsmittel sind z.B. Pflegebetten, Hebegeräte etc. Die Kostenübernahme durch die Pflegekassen ist auf 31 Euro monatlich begrenzt, wenn es sich um zum Verbrauch bestimmte Hilfsmittel handelt. Bei anderen Hilfsmitteln haben Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, eine Zuzahlung von 10 Prozent, höchstens jedoch von 25 Euro zu leisten. In Härtefällen kann eine Befreiung von der Zuzahlung entsprechend den §§ 61, 62 SGB V erfolgen. Zur Verbesserung des Wohnumfeldes der Pflegebedürftigen können Zuschüsse bis zu einem Betrag von 4.000 Euro gewährt werden (§ 40 IV SGB XI).
    (8) Die Pflegekasse erbringt außerdem Leistungen für die Pflegeperson (Pflegekurse, soziale Absicherung).

    b) Anspruch auf vollstationäre Pflege besteht, wenn häusliche oder teilstationäre Pflege nicht möglich ist oder im Einzelfall nicht in Betracht kommt (§ 43 SGB XI). Die Pflegekasse übernimmt ab 1.1.2017 die pflegebedingten Aufwendungen bis zu 2.005 Euro monatlich. Im Übrigen hat der Pflegebedürftige Kosten selbst zu tragen; reichen dessen Einkünfte hierzu nicht aus, können ggf. Ansprüche auf Sozialhilfe in Betracht kommen. Wählt der Pflegebedürftige die vollstationäre Pflege, obwohl diese nach der Feststellung der Pflegekasse nicht erforderlich ist, so erhält er die bei häuslicher Pflege zu gewährende Sachleistung in dem Gesamtwert der Pflegestufe, der er zugeordnet ist.

    c) Die Leistungsansprüche setzen grundsätzlich eine Vorversicherungszeit voraus (§ 33 Abs. 2 SGB XI). Danach muss der Pflegebedürftige, der einen Antrag auf Gewährung von Pflegeleistungen stellt, in den letzten zehn Jahren vor der Antragstellung mind. fünf Jahre als Mitglied versichert oder familienversichert gewesen sein.

    d) Leistungsansprüche ruhen bei Auslandsaufenthalt, wenn nicht über- oder zwischenstaatliche Regelungen greifen (§ 34 Abs. 1 SGB XI). Zu weiteren Ruhenstatbeständen vgl. § 34 Abs. 1 bis 2 SGB XI.

    4. Organisation der sozialen Pflegeversicherung: Träger der Pflegeversicherung sind die Pflegekassen.

    5. Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung: Durch Beiträge und sonstige Einnahmen (§ 54 I SGB XI). Die Finanzierung erfolgt im Umlageverfahren. Der Beitragssatz beträgt seit dem 1.1.2019 3,05 Prozent der beitragspflichtigen Einnahmen des Versicherten (§ 55 I SGB XI) und wird von Arbeitgebern und Arbeitnehmern je zur Hälfte aufgebracht. Kinderlose Versicherte zahlen ab dem 23. Lebensjahr (ohne Beteiligung des Arbeitgebers) einen Zuschlag von 0,25 Prozent der beitragspflichtigen Einnahmen (§ 55 Abs. 3 SGB XI). Beihilfeberechtigte Versicherte erhalten die Hälfte der Leistungen von der Pflegeversicherung und zahlen deshalb nur den halben Beitrag. Als Beitragsbemessungsgrenze gilt diejenige der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 55 II SGB XI). Hinsichtlich der Bemessungsgrundlage besteht weitgehende Übereinstimmung mit der gesetzlichen Krankenversicherung. Der Beitrag wird mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag vom Arbeitgeber an die zuständige Krankenkasse als Einzugsstelle gezahlt. Bei Arbeitslosen entrichtet die Bundesagentur für Arbeit die Hälfte der Beiträge, bei Beziehern von Krankengeld die Krankenkasse. Für die nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Personen, die gemäß § 21 SGB XI pflegeversichert sind, tragen die jeweiligen Leistungsträger die Beiträge. Freiwillig Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung zahlen den gesamten Beitrag zur Pflegeversicherung, erhalten jedoch einen Beitragszuschuss. Bei Rentnern ist der Rentenversicherungsträger seit 2004 nicht mehr an der Finanzierung der Beiträge beteiligt. Auch nach Eintritt des Pflegefalls sind weiter Beiträge zur Pflegeversicherung zu entrichten.

    6. Reformen: Nach einer langen Diskussion über Reformbedarf und Reformoptionen (Rürup-Kommission) wurden 2012 mit dem Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz neue Leistungen für Demenzkranke (Pflegestufe 0) eingeführt und zum 1.1.2015 mit dem Pflegestärkungsgesetz I vom 23.12.2014 (BGBl. I S. 2221) Leistungen und Unterstützungsangebote für die häusliche Pflege ausgebaut und alle Leistungen der Pflegeversicherung erhöht. Zur Finanzierung wurde der Beitragssatz um 0,3 Prozentpunkte angehoben, von denen 0,1 Prozentpunkt zum Aufbau eines Pflegevorsorgefonds verwendet werden soll, der ab 2035 zur Deckung laufender Ausgaben dienen soll. Mit dem Pflegestärkungsgesetz II vom 21.12.2015 (BGBl. I S. 2424) wurde die Zahl der Pflegestufen, jetzt Pflegegrade genannt, zum 1.1.2017 auf fünf erhöht, die Unterscheidung zwischen körperlichen und psychischen oder kognitiven Einschränkungen (insbes. Demenz) ist entfallen und das Begutachtungsverfahren wurde geändert. Zur Finanzierung stieg der Beitragssatz um weitere 0,2 Prozentpunkte. Mit dem Pflegestärkungsgesetz III vom 28.12.2016 (BGBl. I S. 3191), das v.a. die Steuerung, Kooperation und Koordination von Beratung und Versorgung auf kommunaler Ebene verbessern und außerdem die im Sozialhilferecht verankerten Hilfe zur Pflege an die Änderungen bei der Pflegeversicherung anpassen soll, wird die in mehreren Schritten erfolgte Reform abgeschlossen.

    Private Pflege-Pflichtversicherung

    1. Versicherter Personenkreis: a) Versicherungspflichtig sind alle privaten Krankenversicherten mit Anspruch auf allg. Krankenhausleistungen, nicht aber diejenigen, die nur eine private Zusatz- oder Reisekrankenversicherung haben (§ 23 I SGB XI). Außerdem Beamte und Personen, die Anspruch auf Beihilfe haben und privat krankenversichert sind oder keine Krankenversicherung haben (§ 23 I SGB XI), und Heilfürsorgeberechtigte, die weder privat noch gesetzlich krankenversichert sind (z.B. Berufssoldaten, Polizeibeamte etc.), Mitglieder der Postbeamtenkrankenkassen und der Krankenversorgung der Deutschen Bahn und Abgeordnete, die privat oder gar nicht krankenversichert sind. Zur privaten Pflegeversicherung pflichtversichert sind auch die freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten, wenn sie von dem Recht auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung Gebrauch gemacht haben.
    b) Kinder sind beitragsfrei mitversichert wie Kinder in der sozialen Pflegeversicherung (Familienversicherung). Ehegatten sind nicht beitragsfrei in der privaten Pflege-Pflichtversicherung mitversichert, doch erhalten sie eine Prämienvergünstigung.
    c) Befreiungsmöglichkeiten sind grundsätzlich nicht vorgesehen.
    d) Zur Kontrolle der Einhaltung der Versicherungspflicht bestehen Meldepflichten der privaten Versicherungsunternehmen an das Bundesversicherungsamt (BVA), wenn Pflegeversicherungsverträge bei Neuabschlüssen von Krankenversicherungsverträgen nicht geschlossen werden oder Pflegeversicherungsverträge ohne Nachweis eines neuen Vertrages gekündigt werden. Die Nichterfüllung der Verpflichtung zum Abschluss einer privaten Pflegeversicherung kann mit einer Geldbuße bis zu 2.500 Euro durch das Bundesversicherungsamt geahndet werden (§ 121 SGB XI).

    2. Leistungen: Die privaten Pflegeversicherungsunternehmen müssen gleichartige Leistungen vorsehen, wie sie nach dem SGB XI in der sozialen Pflegeversicherung gewährt werden. Hierbei gelten hinsichtlich der Leistungsvoraussetzungen Pflegebedürftigkeit und Pflegegrade und Vorversicherungszeiten dieselben Grundsätze (§ 23 VI SGB XI).

    3. Organisation: Grundsätzlich ist der private Pflegeversicherungsvertrag bei dem Unternehmen abzuschließen, bei dem der Betreffende krankenversichert ist. Die privaten Krankenversicherungsunternehmen führen daher auch die private Pflegeversicherung durch. Allerdings kann der Versicherte auch bei einem anderen Unternehmen den Pflegeversicherungsvertrag abschließen. Hierbei besteht ein Kontrahierungszwang für die Unternehmen (§ 110 SGB XI). Ein Ausschluss von Vorerkrankungen und Risikozuschläge sind nicht zulässig. Auch mit bereits pflegebedürftigen Personen müssen Verträge geschlossen werden.

    4. Finanzierung: grundsätzlich nach dem Kapitaldeckungsprinzip durch Prämien. Aufgrund der vom Gesetz vorgesehenen Rahmenbedingungen erfolgt die Prämiengestaltung nicht allein nach dem zu versichernden Risiko. Die monatlichen Prämien dürfen den Höchstbeitrag der sozialen Pflegeversicherung nicht übersteigen (§ 110 SGB XI). Der Teilkostentarif für Beihilfeberechtigte darf 50 Prozent des Höchstbeitrages nicht übersteigen. Die familienversicherten Kinder sind beitragsfrei, für die nicht erwerbstätigen Ehegatten muss eine Prämienvergünstigung erfolgen. Beide Ehegatten zahlen zusammen höchstens 150 Prozent des Höchstbeitrages der sozialen Pflegeversicherung, wenn das Einkommen eines Ehegatten unter der Geringfügigkeitsgrenze von einem Siebtel der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV (§ 110 Nr. 2g SGB XI) liegt. Arbeitnehmer erhalten Beitragszuschüsse ihres Arbeitgebers in der Höhe, der dem Arbeitgeberanteil in der sozialen Pflegeversicherung entspräche, höchstens jedoch die Hälfte der zu zahlenden Prämie.

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