Bankassurance – Assurancebanking
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Begriff und Entwicklung
Bankassurance oder Assurancebanking bezeichnet die Zusammenarbeit und den gemeinsamen Marktauftritt von Kreditinstituten (Banken) und Versicherungsunternehmen, auch allgemein Allfinanz genannt. Ziel dabei ist es, den Kunden ein umfassendes und abgestimmtes Produktangebot an Finanzdienstleistungen zu unterbreiten und so die Kundenbindung zu stärken, um nachhaltige und regelmäßige Erträge zu erwirtschaften.
Da die Angebotspalette von Banken und Versicherungsunternehmen gleichartige, aber auch sich ergänzende Produkte umfasst, gibt es schon lange vertragliche Kooperationen und kapitalmäßige Verflechtungen zwischen Banken und Versicherungsunternehmen. Seit jedoch vor einigen Jahren dem Bereich der Altersvorsorge ein hohes Wachstumspotenzial prognostiziert wurde, wurde jedoch das Bemühen um integrative Geschäftsmodelle intensiviert. Zwischenzeitlich haben einige Finanzhäuser von ihren umfassenden Allfinanzstrategien wieder Abstand genommen, während andere sich erfolgreich in diesem wettbewerbsintensiven Markt etabliert haben.
Historisch gesehen wurden Bank- und Versicherungsdienstleistungen grundsätzlich getrennt angeboten, verboten doch schon die Reichsgesetze von 1899 und 1901 aus Sicherheitsgründen das gemeinsame Betreiben von Bank- und Versicherungsgeschäften. Dennoch waren seit jeher Banken und Versicherungsunternehmen organisatorisch und rechtlich miteinander verbunden. So unterhielt die Bayerische Hypo- und Vereinsbank in München seit 1835 einen eigenen Bereich für Feuer- und Lebensversicherungen und der Allgemeinen Versorgungsanstalt im Großherzogthum Baden von 1835 als Vorgänger der Karlsruher Lebensversicherung war als Staatsgesellschaft die Bargeldannahme erlaubt. Bankiers der Kölner Familie Oppenheim beteiligten sich an der Gründung von Versicherungsgesellschaften wie der Colonia AG, der Agrippina und der Kölner RückversicherungsGesellschaft-AG.
Im operativen Geschäft haben Banken und Versicherungsunternehmen stets zusammengearbeitet, sei es im Bereich des Zahlungsverkehrs, der Kapitalanlage oder im Vermittlungs- und Provisionsgeschäft. So sei hier bes. auf zwei vergleichbare Verbundkonzepte hingewiesen, auf den kreditgenossenschaftlichen FinanzVerbund (Genossenschaftsbanken und R+V Versicherungen) und den Sparkassenverbund (Sparkassen, Landesbanken und Provinzial-Versicherungen), die beide dezentral aufgebaut sind und auf Kooperationsvereinbarungen basieren. Auch die Kreditbanken haben seit jeher Kooperationen mit Versicherungsgesellschaften abgeschlossen, z.T. mit kapitalmäßiger Unterlegung.
Der Trend zu Allfinanz-Instituten wurde zunächst von den Banken forciert, inzwischen haben auch die Versicherungsunternehmen ihre Allfinanz-Aktivitäten ausgebaut. Es sind Finanzinstitute entstanden, insbesondere durch Übernahmen und Fusionen, bei denen die Bank- und Versicherungsseite nicht mehr eindeutig zu unterscheiden ist.
Strategien der Bankassurance
Banken und Versicherungsunternehmen streben mit der Umsetzung von Allfinanzstrategien verschiedene Ziele an, bes. die Erhöhung der Kundenbindung, die Erweiterung der Kundenkreise und der Produktpalette sowie die Realisierung von Synergieeffekten im Vertrieb. Um diese Ziele zu erreichen, haben Banken und Versicherungsunternehmen viele Möglichkeiten. Es können jedoch drei grundsätzliche Vorgehensweisen unterschieden werden: die Vertriebskooperation, das Partnerschaftsmodell und das Integrationsmodell (vgl. von Hülsen/Schacht/Schulz, 2003). Diese Basisstrategien lassen sich auch als Entwicklungsstufen beschreiben, wobei im Integrationsmodell die Verschmelzung von Bank- und Versicherungsgeschäften am weitesten fortgeschritten ist.
Bei einer Vertriebskooperation einigen sich die Kooperationspartner auf die gemeinsame Nutzung der Vertriebswege und -kapazitäten, um die eigenen Produkte zu verkaufen. Dabei sind Kooperationen mit und ohne Exklusivität denkbar. In der einfachsten Form beinhaltet dieses Konzept den Vertrieb von Versicherungsprodukten durch Banken gegen Provision, eine Vorgehensweise, die schon lange praktiziert wird. Vertriebskooperationen lassen sich schnell und einfach umsetzen, genauso schnell aber auch wieder kündigen. Als typische Probleme bei der Zusammenarbeit sind v.a. der unzureichende Austausch der Kundendaten, eine nicht gewährleistete Qualität bei den Kooperationsprodukten und der mangelnde Zugriff auf die fremden Vertriebskanäle zu nennen. Deswegen bilden Vertriebskooperationen häufig die erste Stufe für eine Zusammenarbeit, die dann durch zunehmende Integration ausgebaut wird (vgl. Schierenbeck, 2002).
Das Partnerschaftsmodell umfasst weiter reichende Kooperationen, wobei diese oft durch gegenseitige Kapitalbeteiligungen unterlegt sind. Allerdings bleibt die Eigenständigkeit beider Partner erhalten. Die Kooperationspartner einigen sich im Partnerschaftsmodell insbesondere auf eine stärkere Integration der Produktentwicklung und eine Angleichung der Geschäftsprozesse im Vertrieb. Vorteilig für eine solche Strategie ist die hohe Bankstellendichte in Deutschland, die ansonsten unter Kostengesichtspunkten eher kritisch zu sehen ist.
Fehlt ein passender Kooperationspartner, sind alternativ auch Eigengründungen möglich. Während hierbei die Abstimmung von unterschiedlichen Unternehmenskulturen entfällt, wirken sich die hohen Investitionen und langen Vorlaufphasen, die i.d.R. mit Verlusten verbunden sind, negativ aus, sodass diese Vorgehensweise zur Zeit von untergeordneter Bedeutung ist.
Die intensivste Zusammenarbeit von Banken und Versicherungsunternehmen wird durch das Integrationsmodell erreicht. Hier entstehen, meistens durch Fusionen und Übernahmen, Allfinanzkonzerne. Je nach Marktauftritt werden die ursprünglichen Firmennamen beibehalten oder die Produkte werden unter einem einheitlichen Namen vertrieben. Synergieeffekte erhofft man sich v.a. aus der Bündelung gleichartiger Produkte (z.B. Anlage von Kapital zur Altersvorsorge) und der Kombination bestehender Produkte (z.B. Kredit in Verbindung mit einer Restschuldversicherung). Weiterhin sollen auch neue integrierte Allfinanzprodukte geschaffen werden, um sich neue Geschäftsfelder zu erschließen (z.B. Verbundlösungen im Bereich der betrieblichen Altersvorsorge). Dabei ist einzuplanen, dass integrierte Allfinanzstrukturen über Jahre aufgebaut werden müssen.
Erfolgsfaktoren eines Allfinanzkonzeptes
Um ein Allfinanzangebot erfolgreich vermarkten zu können, bedarf es einer systematischen Integration aller Managementbereiche (vgl. Schierenbeck, 2002). Den ersten Erfolgsfaktor bildet daher die Einbindung des Allfinanzgedankens in das Portfolio-Management, indem die angestrebten Geschäftsfelder festgelegt und konkrete Strategien für die Marktbearbeitung entwickelt werden. Synergien zwischen Bank- und Versicherungs-Know-how gilt es dabei zu nutzen, um ein zielgruppenspezifisches Produktportefeuille zu erstellen. Das Produktangebot muss in diesem Zusammenhang regelmäßig an ein verändertes Nachfrageverhalten angepasst werden. Gerade durch die Verschiebung der Altersstruktur in der Bevölkerung werden vormals ertragreiche Produkte an Bedeutung verlieren, was durch veränderte Geschäftsmodelle aufzufangen ist.
Den zweiten Erfolgsfaktor stellt die konsequente Kundenorientierung im Vertrieb dar. Eine zentrale Rolle fällt dabei qualifizierten Kundenberatern zu, die in der Lage sein müssen, branchenübergreifend Produkte zu vermarkten. Hier ist nicht nur eine kompetente Beratung sicherzustellen, sondern auch eine Koordination der Vertriebsaktivitäten zu gewährleisten. Insbesondere hängt der Erfolg von Allfinanzstrategien davon ab, ob es dem Kundenberater gelingt, den Bedarf der Kunden richtig einzuschätzen und aus der Vielzahl der Produktkombinationen das jeweils passende Angebot zu unterbreiten.
Darüber hinaus sind Entscheidungen über den gesamten Vertriebswege-Mix zu treffen. So gibt es immer mehr Kunden, die neue Technologien nutzen, um sich über Finanzdienstleistungen zu informieren und online Verträge abzuschließen und nur in ausgesuchten Fragestellungen eine umfassende Beratung vor Ort wünschen. Gerade beim Verkauf über das Internet wird auch in Zukunft ein deutlicher Zuwachs erwartet. In Hinblick auf diese Kundengruppe mit einer eher hohen Wechselbereitschaft ist eine professionelle und flexibel einsetzbare Internetpräsenz ein wichtiger Erfolgsfaktor geworden.
Beim Verkauf von Bankleistungen ist die Pull-Strategie gebräuchlich (d.h. der Kunde wird zum Bankgeschäft „gezogen“ und vor Ort bedient), im Versicherungsgeschäft dagegen wird die Push-Strategie angewendet (d.h. dem Kunden wird ein Bedarf aufgezeigt). Dies spiegelt sich auch in der jetzigen Vergütungsstruktur wider. Während in Banken Festgehälter gezahlt werden, teilweise mit erfolgsabhängigen Bestandteilen, ist die Bezahlung im Versicherungswesen abschluss- und provisionsorientiert. Eine erforderliche Angleichung der Systeme bezieht sich jedoch nicht nur auf die Vergütung, sondern auch auf die unterschiedlichen Unternehmenskulturen, was eine bes. Herausforderung darstellt und erhebliche Anstrengungen notwendig macht.
Im Bereich der Produktion sind drittens Kosten- und Produktivitätsvorteile im Retailgeschäft durch die integrierte Marktbearbeitung zu realisieren. An die Stelle eines breiten Produktsortiments mit einer Vielzahl von Produktvarianten sollen dabei standardisierte Kernprodukte und Lösungskonzepte, die Bank- und Versicherungsprodukte kombinieren, treten, um so Kosten einzusparen und Vertriebssynergien zu nutzen. Flankierend sind im Back-Office-Bereich Bank- und Versicherungsprozesse zu vereinfachen und die Vertriebsmitarbeiter durch gezielte Informationen über beide Sparten (z.B. Mehrfachabschlüsse von Kunden, Vertriebsmargen, regionale Schwerpunkte) zu unterstützen.
Letztendlich geht es darum, die geschäftspolitischen Entscheidungen dahingehend zu bewerten, ob und in welcher Höhe die Synergien von Bankassurance-Aktivitäten zum Erfolg eines Unternehmens beitragen.
Ausblick
Während noch vor einigen Jahren ein großes Marktpotenzial durch das Zusammenwachsen des Bank- und Versicherungsgeschäfts prognostiziert wurde, werden heute die Bankassurance-Strategien und ihre Ertragsaussichten sehr differenziert bewertet. Der Trend zu branchenübergreifenden Verflechtungen hat sich abgeschwächt, dennoch gibt es Finanzkonglomerate, die sehr erfolgreich über Tochtergesellschaften und Beteiligungen unterschiedliche Finanzdienstleistungen anbieten. Auf der anderen Seite stehen Finanzinstitute, die sich von ihren bisherigen Beteiligungen getrennt haben und stattdessen Formen der vertraglichen Kooperation bevorzugen. Hier ist insbesondere der erwartete Zuwachs bei den Vertragsabschlüssen ausgeblieben, darüber hinaus haben die mit dem Allfinanzkonzept verbundenen Kosten das Ergebnis erheblich belastet. Hinzu kamen die unterschiedlichen Vertriebsphilosophien, die sich in vielen Fällen nicht vereinbaren ließen.
Außerdem sind bei vielen Kooperationen zwischen Banken und Versicherungsunternehmen die Vorteile ungleich verteilt: Während sich der Verkauf von Versicherungsprodukten durch Banken etabliert hat, besitzt umgekehrt der Absatz von Bankprodukten durch Versicherungen eine eher geringe Bedeutung. Die Kunden sehen hier deutliche Unterschiede in der Beratungskompetenz und erwarten eine bessere Beratung beim Vertrieb der unterschiedlichen Bank- und Versicherungsprodukte (vgl. Mihm, 2008).
Vor dem Hintergrund einer sehr dynamischen Umweltentwicklung ist es für viele Institute sinnvoll zu überprüfen, welches Allfinanzkonzept die individuelle Wettbewerbsposition stärken kann. Auf der einen Seite werden große Finanzgruppen ihre Marktposition weiter ausbauen, auf der anderen Seite bietet die Konzentration auf die Kernkompetenzen gerade kleineren und mittleren Finanzinstituten Spezialisierungsmöglichkeiten auf bestimmte Produkte oder Kundengruppen.