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Vertrag von Nizza
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Das Original: Gabler Wirtschaftslexikon
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1. Begriff: Mit dem Vertrag von Nizza, den eine Regierungskonferenz der Mitgliedsstaaten ausarbeitete und am 11.12.2000 beschloss, wurde versucht, die EU auf die Erweiterung (EU-Erweiterung) vorzubereiten. Er war der letzte große Reformvertrag vor der Erweiterung im Jahre 2004 (nach EEA, Maastrichter Vertrag und Amsterdamer Vertrag) und trat am 1.2.2003 in Kraft.
2. Merkmale: Der Vertrag von Nizza enthält v.a. Regelungen zur Reform der Institutionen, Beschlussfassung und verstärkten Zusammenarbeit der EU.
3. Reform der Institutionen: Um die Funktionsfähigkeit einer EU mit 27 Mitgliedsstaaten zu sichern, wurden die Sitzverteilung im Europäischen Parlament und die Stimmgewichtung im Rat der Europäischen Union (Ministerrat) modifiziert und die Anzahl der Mandate und Stimmen der Beitrittsländer festgelegt. Die Zahl der Mandate im Europäischen Parlament wurde auf maximal 732 begrenzt, wobei Deutschland mit unverändert 99 Sitzen das größte Gewicht erhielt. Die Stimmverteilung im Ministerrat sah eine größere Spreizung der Stimmen und eine relativ stärkeres Stimmgewicht für die bevölkerungsreichsten Mitgliedsstaaten vor: Währen die größten Mitgliedsstaaten vorher jeweils zehn Stimmen bei der qualifizierten Mehrheit hatten, erhielten sie nun jeweils 29 Stimmen. Dies betrifft Deutschland, Frankreich, Italien und das Vereinigte Königreich. Für Spanien und Polen wurden jeweils 27 Stimmen vorgesehen. Luxemburg erhielt vier, Malta drei Stimmen. Der neuen Europäischen Kommission seit 1.11.2004 gehört ein Kommissionsmitglied pro Mitgliedsstaat an (vorher je zwei für die fünf großen Mitgliedsstaaten). Dem Europäischen Gericht Erster Instanz (EuG) und dem EuGH gehört jeweils ein Richter pro Mitgliedsstaat. Gleiches gilt für die Mitglieder des EuRH. Die Zusammensetzung der Europäischen Zentralbank (EZB), des Wirtschafts- und Sozialausschusses der EU (WSA) und des Ausschusses der Regionen (AdR) bleibt unverändert. Es wurde auch beschlossen, dass ab 2004 alle Tagungen des Europäischen Rates in Brüssel stattfinden. Weiterhin wurde mit Eurojust eine Einrichtung geschaffen, die die Zusammenarbeit im Bereich Justiz und Inneres verbessern soll.
4. Reform der Beschlussfassung: Die Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit wurde auf ca. 30 neue Bereiche ausgedehnt, z.B. die Freizügigkeit, die Zusammenarbeit in Zivilsachen, Abschluss internationaler Übereinkommen, wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Drittländern etc. Die Schwelle für die Erreichung der qualifizierten Mehrheit wurde gemäß Erklärung Nr. 21 des Vertrags von Nizza auf 232 der 321 Stimmen, d.h. auf 72,3 Prozent, angehoben. Folglich gilt ein Beschluss des Rats als angenommen, wenn mind. 232 von 321 Stimmen darauf entfallen. Sie galt seit dem 1.11.2004 für eine Union mit 25 Mitgliedsstaaten nach einer Übergangsperiode von Mai bis Oktober 2004. Für die in 2004 noch nicht beigetretenen Staaten Rumänien und Bulgarien wurden 14 bzw. zehn Stimmen festgelegt. Die Gesamtzahl der Stimmen stieg somit auf 345, die Schwelle für eine qualifizierte Mehrheit auf 255 von 345 Stimmen (73,91 Prozent) in einer Union mit 27 Mitgliedern inkl. Rumänien und Bulgarien.
5. Verstärkte Zusammenarbeit: Die mit dem Amsterdamer Vertrag institutionalisierte Möglichkeit der verstärkten Zusammenarbeit in Gebieten, in denen der Vertrag keine gemeinschaftliche Politik vorsieht, wurde ebenfalls reformiert: Die Mindestzahl von Mitgliedsstaaten wurde auf acht festgelegt und die Veto-Möglichkeit der anderen wurde gestrichen. Die Möglichkeit der verstärkten Zusammenarbeit wird auf den Bereich der GASP ausgedehnt. Zur jüngsten Reform der EU vgl. Vertrag von Lissabon.
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