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Agrarpolitik
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Das Original: Gabler Wirtschaftslexikon
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1. Begriff: Teilgebiet der Agrarökonomik, dessen Erkenntnisgegenstand das politische Handeln im Agrarbereich ist. Zu den Aufgaben der wissenschaftlichen Agrarpolitik gehört es, agrarpolitisches Handeln zu beschreiben, zu erklären und dessen Wirkungen zu untersuchen.
2. Einordnung: Agrarpolitik ist ein Teilgebiet der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften des Landbaus und damit der Agrarwissenschaften. Wissenschaftstheoretisch basiert die Agrarpolitik auf verschiedenen Gebieten der Wirtschaftstheorie und der Wirtschaftspolitik. Starke Verflechtungen gibt es bes. zur Mikroökonomik und zur Wohlfahrtsökonomik, zur sektoralen Strukturpolitik sowie zur Handelspolitik und zur Entwicklungspolitik.
3. Agrarsektor: Der Agrarsektor umfasst die Gesamtheit aller wirtschaftlichen Aktivitäten im Agrarbereich einer Volkswirtschaft. Mit dem volkswirtschaftlichen Wachstum wandelt sich i.d.R. die Agrar- und Betriebsstruktur: Die Zahl der Betriebe sinkt, und die Betriebseinheiten werden größer. Insgesamt schrumpft der volkswirtschaftliche Beitrag des Agrarsektors in der wirtschaftlichen Entwicklung.
4. Ziele: a) Die heutige Vielfalt agrarpolitischer Ziele erklärt sich aus der Entwicklung des Agrarsektors und aus den gesellschaftlichen Ansprüchen, die an die Agrarpolitik gestellt werden. Allg. werden drei Zielbereiche für die Agrarpolitik hervorgehoben: Effizienz, Verteilungsgerechtigkeit und Nachhaltigkeit. Bei der Effizienz geht es um eine optimale intra- und intersektorale Ressourcenallokation. Bei der Verteilungsgerechtigkeit geht es um die Sicherung eines angemessenen Einkommens für die Landwirtschaft, darüber hinaus aber um die Armutsbekämpfung im ländlichen Raum und um Ernährungssicherung. Nachhaltigkeit beschäftigt sich mit Umwelteffekten der Landwirtschaft und mit anderen nichtmarktfähigen Leistungen der Landwirtschaft wie z.B. ihr Beitrag zur ländlichen Entwicklung, zum Tierschutz und zur Lebensmittelsicherheit und -qualität (Multifunktionalität der Landwirtschaft).
b) In vielen Industrieländern sind die Stabilisierung von Agrarmärkten, die Sicherung eines angemessenen Einkommens für die Landwirtschaft und die Versorgungssicherung „klassische” agrarpolitische Ziele. Daneben soll der Agrarbereich zur Wohlstandssteigerung in der Volkswirtschaft, zu einer angemessenen Versorgung der Verbraucher und zu einer Förderung des internationalen Handels beitragen. Agrarpolitische Ziele finden sich für Deutschland im Landwirtschaftsgesetz, im E(W)G-Vertrag und im Zielkatalog des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (BMVEL). Nicht genannt wird in offiziellen Zielkatalogen das Ziel der Budgetbegrenzung und der Vermeidung internationaler Handelskonflikte für die Agrarpolitik, obwohl es gerade in der EU heute eine wesentliche Rolle spielt.
5. Instrumente: a) Der Aktionsbereich der Agrarpolitik besteht aus ordnungs- und ablaufspolitischen Instrumenten. Da jedoch ordnungspolitische Fragen zumeist die gesamte Wirtschaftspolitik betreffen und nicht ständig geändert werden, versteht man unter den agrarpolitischen Instrumenten heute im Wesentlichen Instrumente der Ablaufpolitik. Korrespondierend zu den Zielbereichen können Instrumente der Agrarpolitik zu Aktionsbereichen zusammengefasst werden.
b) Die Agrarstrukturpolitik umfasst Maßnahmen, die auf einen effizienten intra- und intersektoralen Strukturwandel abzielen. I.d.R. führt der volkswirtschaftliche Strukturwandel zu einem strukturellen Anpassungsproblem in der Landwirtschaft. Insgesamt schrumpft der volkswirtschaftliche Beitrag des Agrarsektors in der wirtschaftlichen Entwicklung, und Produktionsfaktoren müssen von der Landwirtschaft in andere Sektoren abwandern. Diese Abwanderung ist aufgrund von Transaktionskosten gehemmt, und es kommt zu Strukturanpassungsproblemen.
c) Die Agrarpreispolitik ist in den meisten Industrieländern durch das Einkommensziel bestimmt. Aufgrund des gehemmten Strukturwandels im Agrarsektor kommt es zum Phänomen der sog. intersektoralen Einkommensdisparität, d.h. zu viele Faktoren sind in der Landwirtschaft beschäftigt und erzielen im Vergleich zu dem volkswirtschaftlichen Durchschnitt eine zu geringe Entlohnung. Die Entwicklung der dt. Agrarpolitik ist ein markantes Beispiel für die Entstehung des Agrarprotektionismus im Verlauf der industriellen Entwicklung zur Stützung der im Agrarsektor erzielten Einkommen.
d) Die Agrarsozialpolitik umfasst in erster Linie die landwirtschaftlichen sozialen Sicherungssysteme sowie die Armutsbekämpfung im ländlichen Raum.
e) Die Agrarumweltpolitik hebt auf das Ziel einer nachhaltigen Agrarproduktion ab. Angestrebt wird in der Agrarumweltpolitik, dass in bestmöglicher Weise die Belange der Ernährungssicherung, des Einkommenserwerbs und des Ressourcenschutzes berücksichtigt werden.
f) Die ländliche Entwicklungspolitik zielt auf eine Förderung des nachhaltigen wirtschaftlichen Wachstums und der Lebensqualität in ländlichen Räumen ab.
6. Institutionelle Rahmenbedingungen: a) Die institutionellen Rahmenbedingungen können als ein System von Regeln und Organisationen beschrieben werden, die den Rahmen für privatwirtschaftliches Handeln im Agrarbereich und für den Einsatz agrarpolitischer Instrumente abgeben. Neben den agrarpolitischen Instrumenten gehören sie zu den Aktionsbereichen der Agrarpolitik. Wissenschaftstheoretisch gehört die Analyse der institutionellen Rahmenbedingungen zur Ordnungspolitik bzw. zur Neuen Institutionenökonomik und zur Neuen Politischen Ökonomie.
b) Die Gesamtheit aller Regeln für den Agrarbereich kann man als Agrarverfassung bezeichnen. Relevante Fragestellungen zur Agrarverfassung sind etwa, welche Bedeutung der internationalen Arbeitsteilung, dem Privateigentum an Boden und der Verteilung dieses Produktionsfaktors sowie der Arbeitsverfassung und der Rechtsform von Betrieben für die Agrarentwicklung zukommt.
c) Zur Gestaltung der Agrarpolitik tragen verschiedene Institutionen bei. In Deutschland sind es als gesetzgebende Organe Bundestag, Bundesrat und Landtage, als durchführende Institutionen Regierung und Ministerien auf Bundes- und Länderebene und darüber hinaus etwa auch die Rechtsprechung, Landwirtschaftskammern, Tarifpartner und Interessenverbände wie der Deutsche Bauernverband. Hinzu kommen relevante Institutionen auf der Ebene der EU wie Kommission, Ministerrat, Europäisches Parlament und Europäischer Gerichtshof sowie COPA als europäischer Spitzenverband der nationalen Bauernverbände. Schließlich tragen auch internationale Organisationen wie die Welthandelsorganisation, die Weltbank und die Welternährungsorganisation zur Gestaltung der Agrarpolitik bei.
Innerhalb der EU wird die Agrarpreispolitik weitgehend auf supranationaler Ebene gestaltet. Die Verantwortung für die Agrarstrukturpolitik und Agrarumweltpolitik liegt vorwiegend auf nationaler und regionaler, jedoch zunehmend auch auf supranationaler Ebene, und für die Agrarsozialpolitik ist in Deutschland v.a. die Bundesregierung zuständig.
7. Finanzierung: Die Agrarpolitik belastet die öffentlichen Haushalte in Deutschland und in der EU in erheblichem Umfang und auf unterschiedliche Weise.
Die Budgetausgaben für die supranational gestaltete Agrarpolitik schlagen sich im Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL) nieder. Sie haben lange Zeit über die Hälfte des EU-Haushalts betragen und liegen erst seit Anfang 2000 knapp darunter (rund 45 Prozent). Die Mitgliedsstaaten tragen hieran einen Anteil entsprechend ihrer Finanzierungsquote.
Zusätzlich gibt es in Deutschland öffentliche Hilfen für den Agrarbereich, die überwiegend vom Bund getragen werden. Diese „nationalen” Ausgaben für die Agrarpolitik sind überwiegend Ausgaben für die Agrarstrukturpolitik, Agrarumweltpolitik und die Agrarsozialpolitik. Die vom Bund finanzierte Agrarsozialpolitik betrug im Jahr 2006 ein Volumen von ca. 3,7 Mrd. Euro, die gemeinsam von Bund und Ländern finanzierte Gemeinschaftsaufgabe „Förderung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes” ein Volumen von ca. 1 Mrd. Euro.
8. Europäische Agrarpolitik: Seit 1968 gibt es eine Agrarpolitik im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft. Zentrale Instrumente waren bis Anfang der 1990er-Jahre eine supranationale, protektionistische Agrarpreispolitik (Agrarmarktordnungen), eine begrenzte Agrarstrukturpolitik auf supranationaler und nationaler Ebene sowie eine überwiegend nationale Agrarsozialpolitik. Erst mit dem Anfang der 1990er-Jahre einsetzenden Reformprozess findet eine Stützung der Einkommen in der Landwirtschaft vermehrt durch direkte Transferzahlungen statt. Diese waren zunächst als faktorgebundene Transferzahlungen an die Produktion gekoppelt und werden seit 2003 zunehmend als entkoppelte Direktzahlungen ausgezahlt (Prämie). Weiterhin setzte eine Verschiebung von der Markt- und Preispolitik zur Agrarstrukturpolitik, Agrarumweltpolitik und ländlichen Entwicklungspolitik ein.
9. Spezielle Agrarpolitik: Die spezielle Agrarpolitik widmet sich Fragen der Agrarpolitik, die sich auf spezielle Ziele (z.B. Agrarumweltpolitik, ländliche Entwicklungspolitik), Instrumente (z.B. Agrarpreispolitik) oder andere spezielle Aspekte beziehen. Häufig findet sich auch eine regionale Differenzierung bei der Analyse agrarpolitischer Probleme: Agrarpolitik in Industrieländern, Agrarpolitik in Entwicklungsländern.
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