Kommunalwirtschaft
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Inhaltsverzeichnis
- Kommunalwirtschaft und kommunale Selbstverwaltung
- Strukturen, Rechtsrahmen, Grundlagen
- Gegenstände der Kommunalwirtschaft
- Daseinsvorsorge als zentraler Gegenstand und zentrales Ziel der Kommunalwirtschaft
- Kommunalwirtschaft als Teil der öffentlichen Wirtschaft
- Kommunalwirtschaft im gesamtwirtschaftlichen Kontext
- Aufgabenträgerschaft
- Markt, Wettbewerb und Marktversagen
- Kommunalwirtschaft in der EU
- Perspektiven
Kommunalwirtschaft und kommunale Selbstverwaltung
Die kommunalwirtschaftliche Betätigung basiert unmittelbar auf den Normierungen von Art. 28/2 Grundgesetz. Diese geben den kommunalen Gebietskörperschaften das Recht, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfasst auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung. Zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.
Kommunalwirtschaft ist demzufolge integraler Bestandteil der kommunalen Selbstverwaltung und zwar im Sinne der wirtschaftlich zu erbringenden Leistungen der Daseinsvorsorge. Zum anderen ist die Kommunalwirtschaft auch eine wesentliche Voraussetzung der kommunalen Selbstverwaltung – sie ist zentraler Teil ihrer materiellen und finanziellen Basis.
Strukturen, Rechtsrahmen, Grundlagen
1. Rechtsrahmen: Die kommunalen Gebietskörperschaften sind im Rahmen des zweistufigen Verwaltungsaufbaus der Bundesrepublik Deutschland - der Bund und die Länder - Teil der Länder, also keine dritte Ebene.
Folgerichtig normieren die Länder in ihren Kommunalverfassungen (Gemeindeordnungen) auch wesentliche Aspekte der wirtschaftlichen Betätigung (Kommunalwirtschaftsrecht). Diese Regelungen haben in erster Linie das Ziel zu gewährleisten, dass die wirtschaftliche Betätigung in einem angemessenen Verhältnis zu den tatsächlichen Erfordernissen der Leistungserbringung (Bedarf) und der wirtschaftlichen Konstitution der jeweiligen Gebietskörperschaft erfolgt. Diese im Einzelnen durchaus nachvollziehbaren Beschränkungen kollidieren speziell in den Segmenten der kommunalwirtschaftlichen Betätigung, die wettbewerblich oder wettbewerbsähnlich betrieben werden, (z.B. Energie, Wohnungswirtschaft, Krankenhäuser, Verkehr) mit den übergreifenden Rechtssetzungen der EU, die für alle Marktteilnehmer unabhängig von Besitzverhältnissen und staatrechtlichen Zuordnungen gleich definiert werden. In der Konsequenz haben die meisten Länder vor allem die Beschränkungen der wirtschaftlichen Betätigung auf die einzelne kommunale Gebietskörperschaft in erster Linie für den Bereich Energie gelockert oder sogar gänzlich aufgehoben. Grundlegende Inkonsistenzen zwischen EU-Rechtssetzungen und dem Rechtsrahmen der Länder für die kommunalwirtschaftliche Betätigung bestehen aber auch weiterhin.
2. Strukturen, öffentlich-rechtlich und privatrechtlich: Die Strukturen der Kommunalwirtschaft werden von den Kommunen im Rahmen ihrer Organisationshoheit, die allerdings zum Teil erheblichen landesrechtlichen Einschränkungen unterliegt, etabliert. Die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen findet zum einen in öffentlich-rechtliche Strukturen statt. Varianten sind:
- Eigen- und Regiebetriebe innerhalb der Kernverwaltung der kommunalen Gebietskörperschaften,
- kommunale Zweckverbände (vor allem bei Wasser/Abwasser und Entsorgung),
- organisationsrechtlichen Mischformen, in erster Linie die Anstalten öffentlichen Rechts (AÖR).
Zum anderen erfolgt die Betätigung in privatrechtlichen Strukturen. Varianten sind:
- In erster Linie Gesellschaften mit beschränkter Haftung (das ist die Hauptorganisationsform der Stadtwerke), in geringerem Maße Aktiengesellschaften, die jeweils vollständig in kommunalem Eigentum sind;
- eigentumsrechtliche Mischstrukturen unter Beteiligung der Privatwirtschaft als Minderheitseigentümer und der Maßgabe, dass die kommunale Gebietskörperschaft maßgeblichen Einfluss auf Gegenstand und Ziele der wirtschaftlichen Betätigung behält;
- privatrechtliche Gesellschaften, die ganz oder mehrheitlich im privaten Besitz sind, und die Aufgaben im Auftrag der Kommunen erledigen (normierte Aufgabenträgerschaft bei kommunalen Pflichtaufgaben oder vom Land übertragenen Aufgaben).
3. Grundlagen: Grundlagen sind vor allem:
- das Recht zur eigenständigen Erledigung der kommunalen Aufgaben,
- das Recht im Rahmen der kommunalen Organisationshoheit die zur Aufgabenerledigung adäquaten Strukturen zu schaffen,
- das Recht, Sach- und Fiskaleigentum als materielle Grundlage der wirtschaftlichen Betätigung zu bilden.
Das Sach- und Fiskalvermögen als materielle Grundlage der wirtschaftlichen Betätigung der Kommunen ist im engen juristischen Sinne Eigentum der jeweiligen kommunalen Gebietskörperschaft als juristische Person. Im übergreifenden gesellschaftspolitischen Sinne ist es Eigentum der Bürger dieser kommunalen Gebietskörperschaft. Folgerichtig erfolgt die strategische Ausrichtung, Führung und Kontrolle der kommunalwirtschaftlichen Strukturen als Existenzform der Kommunalwirtschaft mandatiert über die demokratisch legitimierten Gremien der Gemeinden und Kreise und die demokratisch gewählten Amtsträger (Oberbürgermeister, Bürgermeister, Landräte). Für die operative Führung und Kontrolle bestehen in den Verwaltungen der Gemeinden und Kreise Organisationsstrukturen.
Gegenstände der Kommunalwirtschaft
Ziel und Gegenstand der Kommunalwirtschaft ist die Erbringung von Leistungen/die Herstellung von Produkten zur Daseinsvorsorge als originäre ökonomische Betätigung. Nutzenstiftung ist also die zentrale Ziel-Kategorie. Dieser Nutzen kann dauerhaft und nachhaltig nur entstehen, wenn die Leistungen mit hoher Wirtschaftlichkeit erbracht werden. Gegenstand der kommunalwirtschaftlichen Betätigung sind in erster Linie die Versorgung mit Energie, die Versorgung mit Wasser, die Entsorgung von Abwasser und Müll, die Verwertung von Reststoffen, die Erbringung öffentlicher Verkehrsleistungen, die Erbringung von Gesundheitsleistungen, die Bereitstellung und Bewirtschaftung von Wohnraum und öffentlich genutzten Flächen und Immobilien, die Bereitstellung elementarer Finanzdienstleistungen wie diskriminierungsfreie Kontenführung (Sparkassen) und die Bereitstellung von grundlegenden Leistungen der Kommunikation. Diese Leistungen betreffen die öffentliche Daseinsvorsorge. Dazu gehören auch der Betrieb von Friedhöfen und Krematorien.
Periphere Leistungen betreffen beispielsweise technische Bereiche wie Datenverarbeitung, Garten- und Landschaftsbau, Wirtschaftsförderung und gehören nicht zur Daseinsvorsorge.
Weitere Teile der Daseinsvorsorge wie vor allem Bildung, Kultur und Soziales sind nicht unmittelbarer Gegenstand der kommunalwirtschaftlichen Betätigung, werden aber mit zunehmender Tendenz auch innerhalb kommunalwirtschaftlicher Strukturen erbracht.
Für die Zuordnung dieser Tätigkeitsbereiche ist in erster Linie das Europäische Recht maßgeblich. Danach fallen nur solche Unternehmen, die wirtschaftliche Interessen verfolgen, unter die Kategorie öffentliche/kommunale Unternehmen. Verfolgen Unternehmen in öffentlichem/kommunalem Besitz per se nicht-wirtschaftliche Interessen (Theater, Museen, Universitäten) oder werden sie in Ausübung hoheitlicher Gewalt tätig, so fallen sie nicht unter den Begriff öffentliche/kommunale Unternehmen.
In der Praxis sind diese Unterscheidungen nicht mehr eindeutig zu treffen. Mit der zunehmenden Verbetriebswirtschaftlichung öffentlicher Güter werden auch ursprünglich nicht-kommerzielle und auch hoheitliche kommunale Aufgabenerledigungen zum Gegenstand wirtschaftlicher Betätigung.
Daseinsvorsorge als zentraler Gegenstand und zentrales Ziel der Kommunalwirtschaft
Der Rechtsbegriff der Daseinsvorsorge in Deutschland geht auf den Staatsrechtler Ernst Forsthoff und dessen Veröffentlichung „Die Verwaltung als Leistungsträger“, Stuttgart 1938, zurück. Nach Forsthoff sind die Leistungen der Daseinsvorsorge „Gemeinwohl orientierte“ Leistungen wirtschaftlicher und nichtwirtschaftlicher Art, an deren Erbringung die Allgemeinheit und der Staat ein besonderes Interesse haben“. Als Bestandteile der Daseinsvorsorge gelten im Allgemeinen Abfallentsorgung, Energieversorgung, Wasser/Abwasser, ÖPNV, Wohnungswirtschaft, Telekommunikation, öffentliche Sicherheit und Ordnung, Brandschutz, Rettungswesen, Gesundheitswesen, Alten-, Pflege- und Behindertenhilfe, Schullandschaft, technische sowie kulturelle Infrastruktur. Diese Aufzählung ist keinesfalls feststehend und unveränderlich. Die Dynamik des Begriffs zeigt sich beispielsweise daran, dass nach heutigem Verständnis das Angebot eines schnellen Internetzugangs unter den Daseinsvorsorgebegriff fällt.
Aus dem Kanon der Daseinsvorsorgeleistungen wird ersichtlich, dass alle diese Aufgaben vor Ort, in den Kommunen und Regionen, verfügbar sein müssen, und dort im Regelfall auch erbracht werden. Die Daseinsvorsorge hat unter allen Aufgaben, die im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung gelöst werden müssen, eine herausragende Stellung.
„Daseinsvorsorge umfasst die Sicherung des öffentlichen Zugangs zu existentiellen Gütern und Dienstleistungen entsprechend den Bedürfnissen der Bürger, orientiert an definierten qualitativen Standards zu sozial verträglichen Preisen. Die im Interesse der Allgemeinheit über das existentiell Notwendige hinaus erbrachten Leistungen müssen sich entsprechend des Prinzips der Nachhaltigkeit am Niveau der Nachfrage und an den finanziellen Rahmenbedingungen orientieren.
Welche Güter und Dienstleistungen als existentiell notwendig anzusehen sind, ist durch die politische Ebene zeitbezogen zu ermitteln. Diese existentiellen Leistungen sind festzuschreiben und mit qualitativen Mindeststandards zu unterlegen. Aktuell wären neben den Universaldienstleistungen (Energieversorgung, Post, Telekommunikation) vorrangig Basisinfrastrukturen wie Verkehr, Wohnungswirtschaft, Wasserversorgung, Abwasser- und Müllentsorgung sowie die Bereiche Bildung, Gesundheit und öffentliche Sicherheit und Ordnung als existentiell anzusehen.“ (Linke, S. 80)
Aus dieser Definition geht hervor, dass die Daseinsvorsorge der zentrale Gegenstand der Kommunalwirtschaft ist. Es gibt aber keine Identität, da die Daseinsvorsorge auch Aufgaben wie Bildung oder öffentliche Sicherheit umfasst, die hoheitlich, also nicht wirtschaftlich erbracht werden.
Aus der Tatsache, dass die Daseinsvorsorge der zentrale Gegenstand der Kommunalwirtschaft ist, folgt auch, dass die Nutzenstiftung zugleich auch deren Ziel ist.
Die Kommunalwirtschaft in Deutschland erbringt ihre Leistungen inzwischen fast ausschließlich (bis auf die Wasserwirtschaft) unter Wettbewerbsbedingungen. Dennoch agiert sie im grundlegenden Gegensatz zur Privatwirtschaft nicht nach dem dort weitgehend geltenden Prinzip der Gewinnmaximierung um jeden Preis. Zentrales Ziel der wirtschaftlichen Betätigung ist die Daseinsvorsorge (Nutzenstiftung). Grundlegende Voraussetzung dafür, dass dieses Ziel auch nachhaltig verfolgt und erreicht werden kann, ist eine hohe Effizienz und die Erwirtschaftung von Überschüssen. Diese Überschüsse, in privatrechtlich konstituierten kommunalen Unternehmen die Gewinne, werden in erster Linie als Investitionen benötigt, damit die Leistungen nachhaltig und langfristig auf hohem Niveau erbracht werden können.
Kommunalwirtschaft als Teil der öffentlichen Wirtschaft
Öffentliche Wirtschaft – das sind Unternehmen in staatlichem und kommunalem Besitz. Der übergreifende Begriff ist der der Öffentlichen Wirtschaft. In diesem Kontext ist die Kommunalwirtschaft Teil der öffentlichen Wirtschaft.
Kommunales Eigentum ist zugleich eine eigenständige Kategorie. Das ergibt sich aus ihrer integralen Einbindung in die jeweilige kommunale Gebietskörperschaft unter direktem Bezug auf die kommunale Selbstverwaltung.
Im grundsätzlichen Unterschied dazu ist das Staatseigentum grundsätzlich der Ebene der Länder bzw. des Bundes zuzuordnen, die juristisch als Eigentümer fungieren.
Kommunalwirtschaft im gesamtwirtschaftlichen Kontext
Mit Bezug auf die bis dato einzige belastbare Bestandsaufnahme zur volkswirtschaftlichen Einordnung der Kommunalwirtschaft (Kommunalwirtschaft im gesamtwirtschaftlichen Kontext) beträgt der Anteil der kommunalen Arbeitnehmer an der Gesamtarbeitnehmerschaft 2,3 Prozent. Als Lohnzahler ist die Kommunalwirtschaft mit 3,5 Prozent, als Wertschöpferin mit 4,0 Prozent und als Investorin mit 3,9 Prozent gesamtwirtschaftlich beteiligt.
Wegen der deutlich geringeren Industriedichte ist das Gewicht der Kommunalwirtschaft in Ostdeutschland in Relation zur Gesamtwirtschaft mehr als doppelt so hoch wie in Westdeutschland.
Aufgabenträgerschaft
Die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen hat im Kern die Erbringung von Leistungen der Daseinsvorsorge zum Gegenstand. Was zu den Pflichtaufgaben gehört, die die Kommunen in Bereich der Daseinsvorsorge zu erfüllen haben, wird in den Kommunalverfassungen der Länder festgelegt. Diese ordnen die Aufgaben kommunalen Gebietskörperschaften zu. Zum einen den kreisangehörigen Städten und Gemeinden, zum anderen gleichlautend den kreisfreien Städten und Landkreisen. Die Gegenstände der Aufgabenerfüllung und deren Verbindlichkeit (freiwillig oder pflichtig) werden in den einzelnen Ländern differenziert geregelt, wobei die Unterschiede eher marginal sind.
Mit der Zuordnung einer Pflichtaufgabe – analog auch die Übertragung von Aufgaben durch die Kommunalverfassung, andere Gesetze oder durch staatliche Weisung wird die kommunale Gebietskörperschaft zum Aufgabenträger. Nach dem Prinzip der Konnexität muss mit dieser Zuordnung gewährleistet werden, dass die Kommunen auch über die Finanzmittel verfügen, die zur Erfüllung der Aufgaben gebraucht werden.
Die Aufgabenträgerschaft bedeutet nicht zwingend, dass die kommunale Gebietskörperschaft die Leistung, die zur Erfüllung der Aufgabe nötig ist, auch selbst erbringen muss. Diese Leistungserbringung ist wie folgt möglich:
- Durch die kommunale Gebietskörperschaft selbst und zwar im Rahmen ihrer Kernverwaltung oder durch dafür zu bildende Strukturen außerhalb der Kernverwaltung (Unternehmen, Zweckverbände, Anstalten Öffentlichen Rechts usw.);
- durch gemeinsame Strukturen von Kommunen und Privatwirtschaft; sogenannte Gemischtwirtschaftliche Unternehmen;
- durch rein privatwirtschaftliche Strukturen.
Markt, Wettbewerb und Marktversagen
Die EU-Rahmensetzungen als Grundlage für die nationalen Rechtsnormen berücksichtigen ungenügend oder überhaupt nicht, dass wichtige Bereiche der Kommunalwirtschaft – das betrifft vor allem die Gesundheitswirtschaft (hier vor allem die Krankenhäuser) und den Öffentlichen Verkehr – zwar de jure im Wettbewerb stehen, aber nicht de facto. Sowohl Krankenhäuser als auch die Erbringer öffentlicher Verkehrsleitungen können mit ihrer Betätigung Gewinne generieren. Damit sind sie auf staatlich bzw. kommunale Zuwendungen angewiesen. Ohne diese wären sie in erster Linie nicht in der Lage, die für ihre Betätigung notwendigen Investitionen zu tätigen.
Dies wird negiert, was zu einem wettbewerbsähnlichen Status (zutreffender wäre der Begriff „Scheinwettbewerb“) führt. Die für die Leistungserbringung nötigen Zuwendungen unterliegen komplizierten und hoch bürokratischen Nachweis- und Genehmigungsverfahren und sind in Verbindung mit dem vollumfänglich angewendeten Vergaberecht ein Hemmnis für effiziente Leistungserbringung und die Etablierung der dazu nötigen Strukturen. Ein Lösungsansatz wäre es, das Vergaberecht für diese Bereiche auszusetzen oder zumindest mit Blick auf die realen Bedingen zu modifizieren.
Diese Forderung besteht auch für den Fall, dass Leistungen der Daseinsvorsorge auch dann erbracht werden müssen, wenn ein Marktversagen vorliegt, sich also dritte Anbieter für die Aufgaben nicht bewerbe, weil sie nachweislich nicht rentierlich erbracht werden können.
Kommunalwirtschaft in der EU
Die rechtlichen, strukturellen und institutionellen Rahmenbedingungen der kommunalen Selbstverwaltung und der Daseinsvorsorge unterscheiden sich in den einzelnen EU-Ländern eher tendenziell denn grundlegend. Gemeinsam ist allen Staaten, dass die Leistungen der Daseinsvorsorge vermehrt dem Druck der Märkte ausgesetzt sind. Mit dem Prozess der Europäischen Integration wurde sukzessive versucht, Marktbarrieren abzubauen. Das Europäische Konzept für öffentliche Dienstleistungen nennt Leistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse. Danach ist es nur bei allgemeinem wirtschaftlichem Interesse zulässig, besondere Regelungen entgegen dem Wettbewerbsrecht einzuführen. Obwohl die Grenze zwischen wirtschaftlichen und nichtwirtschaftlichen Leistungen im Lissaboner Vertrag recht unscharf bleibt, ist deutlich geworden, dass auch liberalisierte öffentliche Leistungen nicht in einem reinen Marktregime vorgehalten werden können, sondern immer auch Ansatzpunkte für staatliche Regulierung bieten.
Auch wenn Kommunen im Sinne öffentlich-privater Partnerschaften bestimmte Leistungen auslagern, tragen sie immer die finale Verantwortung.
In den meisten EU-Ländern hat die kommunale Selbstverwaltung einen mit Deutschland vergleichbaren Stellenwert. In Skandinavien und Dänemark haben die Kommunen unbd mithin auch deren wirtschaftliche Betätigung (Kommunalwirtschaft) in Relation zu ihren deutschen Pendants sogar ein deutlich höheres Gewicht.
Perspektiven
Nicht nur in Deutschland, sondern auch international zeigt sich vor allem im Kontext mit dem Beginn der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise ab 2008 ein deutlicher Trend zur Kommunalisierung und Rekommunalisierung der Daseinsvorsorge. Dieser Prozess ist weit mehr als der Pendelausschlag in die andere Richtung nach der Privatisierungsphase der 1990er-Jahre. Er steht auch für das zunehmende Bewusstsein für ethisches Wirtschaftshandeln auf kommunaler Ebene (Gemeinwohlökonomie). Insofern ist die Rekommunalisierung auch die dialektische Antwort auf die fortschreitende Globalisierung. Nachhaltigkeit, Daseinsvorsorge, Effizienz und demokratische Kontrolle – das sind die vier Säulen einer neuen Kommunalwirtschaft.
Ein wichtiger Teilaspekt von Rekommunalisierungen ist die Etablierung leistungsfähiger Öffentlich-Privater Unternehmensstrukturen (Gemischtwirtschaftliche Unternehmen), in denen die Kommunen als Miteigentümer im Regelfall die Mehrheiten halten (siehe: Öffentlich-Private Daseinsvorsorge – ÖPD).
Zentrale Aspekte sind:
- Verbindung der kommunalen Aufgabenträgerschaft und Verantwortung für die Daseinsvorsorge mit der Eigentümerfunktion und dem damit verbundenen komplexen Steuerungsauftrag
- Primat der Aufgabenerledigung vor der Maximierung von Gewinnen
- Nachhaltige Stärkung des Wettbewerbs gerade auf den oligopolisierten Versorgungsmärkten durch die lokal und regional agierenden kommunalen Marktteilnehmer
- Konsequente Anpassung des Rechtsrahmen auf EU und nationalstaatlicher Ebene an das Primat der Aufgabenerledigung (u. a. Freistellung vom Vergaberecht im Fall objektiv determinierter Zuwendungen, bei privaten Minderheitsbeteiligungen an kommunalen Unternehmen
- Corporate Social Responsibility als Wesen wirtschaftlicher Betätigung (nicht als Marketingidee zur Kaschierung von Verantwortungsdefiziten)
- Korrektivfunktion gegenüber einer hemmungslos nach Profit strebenden globalen Wirtschaft, insbesondere der Finanzwirtschaft
- Verbindung von Ökonomie und Demokratie auf der basisdemokratischen Ebene, der Kommune, als Modell und Impulsgeber für mehr direkte Demokratie auf allen Ebenen des Staates
Es ist durchaus zulässig, die Kommunalwirtschaft neben dem Genossenschaftswesen als die wohl demokratischste Form der wirtschaftlichen Betätigung in Deutschland und weiteren entwickelten kapitalistischen Ländern zu bezeichnen.