Thin Capitalization Rules
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1. Bezeichnung für Regeln zur Bekämpfung der „unzureichenden“ Kapitalausstattung von Kapitalgesellschaften, d.h. v.a. zur Abwehr der Gesellschafterfremdfinanzierung.
2. Die Problematik ergibt sich daraus, dass die Erträge von Eigenkapital und Fremdkapital nach den Gepflogenheiten im internationalen Steuerrecht üblicherweise anders behandelt werden:
(1) Die Erträge aus Eigenkapital, das man einer Tochterkapitalgesellschaft in einem Land zur Verfügung stellt, sind „Gewinn“ und dürfen daher in dem betreffenden Land der Steuer unterworfen werden,
(2) die Erträge aus Fremdkapital, das jemand einer Gesellschaft zur Verfügung stellt, stehen steuerlich nach den Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) jedoch üblicherweise dem Land des Kapitalgebers zu (Art. 11 OECD-Musterabkommen). Das führt zu der Konsequenz, dass insbesondere Gesellschafter durch die Wahl der Kapitalart, die sie einer Gesellschaft zur Verfügung stellen, indirekt auch wählen dürfen, in welchem Staat der Großteil der erwirtschafteten Gewinne der Steuer unterworfen sein wird. Entscheidet der Investor sich für Eigenkapital, fällt die Steuer im Land der Gesellschaft an, entscheidet er sich für Fremdkapital, fällt sie in seinem eigenen Land an; kombiniert er beides geschickt - z.B. durch Eigenkapitalvergabe an eine Gesellschaft in einem weiteren Land, die das Geld dann als Kredit weiterleitet -, kann er die Steuer sogar in einem dritten, am Geschehen wirtschaftlich völlig unbeteiligten Land anfallen lassen.
3. Diese Zusammenhänge haben die Konsequenz, dass die Konzerne oft versuchen, ihre Tochtergesellschaften vor Ort nur minimal mit Eigenkapital auszustatten und den Rest des Ertragspotenzials über Fremdfinanzierung und Abschöpfung im Wege von Zinszahlungen in Länder umzuleiten, in denen die Steuerbelastung geringer ist. Diese „dünne“ Ausstattung mit Kapital wird als thin capitalization bezeichnet.
4. Abwehrmaßnahmen gegen diese Gestaltungsmöglichkeit entwickeln, da fast alle Staaten von diesem Modell betroffen sind, nahezu alle Staaten der Erde, jedoch mit unterschiedlichen Ansätzen. Gemeinsam ist diesen Maßnahmen jedoch der grundsätzliche gedankliche Ansatz, dass die Zahlung von Zinsen statt der Erzielung von Gewinnen steuerlich unattraktiv gemacht werden soll; dies geschieht i.d.R. dadurch, dass der Betriebsausgabenabzug für zumindest diejenigen Zinsen verneint wird, die auf Fremdkapital entfallen, das aus der Sicht des betreffenden Staates nicht hätte aufgenommen werden sollen.
5. Deutschland hat das Phänomen zunächst mit den Regelungen gegen die Gesellschafter-Fremdfinanzierung (§ 8a KStG a.F., bis 2007) bekämpft, anschließend durch die Einführung einer allg. prozentualen Obergrenze für den Abzug von Zinszahlungen vom steuerpflichtigen Ertrag (Regelungen zur Zinsschranke, § 4h EStG und §8a KStG n.F.).
6. Eine internationale Vereinheitlichung der Regelungen zur Bekämpfung der thin capitalization fehlt bisher; die nationalen Abwehrmaßnahmen unterscheiden sich daher insbesondere hinsichtlich der angewandten Technik, des Umfangs der unbeanstandet geduldeten Kredite und der Frage, ob nur Kredite von Gesellschaftern oder aber sämtliche Kredite von den Abwehrmaßnahmen erfasst werden sollen.