Carbon Leakage
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1. Begriff: Bestimmte Sektoren und Teilsektoren, die am EU-Emissionshandel (siehe Emissionshandel) teilnehmen müssen, verzeichnen durch die erheblichen Umwelt- und Klimaschutzauflagen einen erheblichen Kostenanstieg, der ihre Ausgangslage im internationalen Wettbewerb nachhaltig beeinträchtigt. Für sie herrscht daher ein hohes Risiko der Verlagerung von Produktionsstandorten und folglich auch von Kohlenstoffdioxidemissionen an Standorte abseits des EU-Emissionshandelssystems. In diesem Falle spricht man von einem „Carbon-Leakage-Risiko“. Eine direkte Betroffenheit vom Carbon-Leakage-Risiko wird angenommen, wenn innerhalb eines Sektors oder Teilsektors durch die Teilnahme am EU-Emissionshandel höhere Kosten entstehen, die wegen des intensiven Wettbewerbsdrucks gegenüber Unternehmen außerhalb der EU nicht an die Kunden weitergereicht werden können. Vom einen indirekten Carbon-Leakage-Risiko ist die Rede, wenn ein Sektor oder Teilsektor eine besonders hohe Stromintensität aufweist und die Verpflichtung der Erzeuger von Strom aus konventionellen Energieträgern zum Emissionshandel zu deutlich höheren Strompreisen führt. Um die Wettbewerbsfähigkeit der am EU-Emissionshandelssystem teilnehmenden Sektoren oder Teilsektoren sicherzustellen und damit einer Verlagerung von Kohlenstoffdioxidemissionen außerhalb des EU-Emissionshandelssystems entgegenzuwirken, erhalten die betroffenen Branchen einen spezifischen Anteil an kostenlosen Emissionshandelszertifikaten. Dem indirekten Carbon-Leakage-Risiko kann bei ausgewählten Branchen – dies betrifft zum Teil auch nicht selbst am EU-Emissionshandelssystem teilnehmende Sektoren – durch direkte Zahlung einer Strompreiskompensation nach Maßgabe entsprechender Leitlinien der Europäischen Kommission begegnet werden.
2. Probleme: Von besonderer Relevanz und daher auch von politische Brisanz ist die Frage, nach welchen Kriterien diejenigen Unternehmen identifiziert werden können, für die ein hohes Carbon-Leakage-Risiko besteht. Maßgebliche Kriterien sind zum einen die Produktionskosten und zum anderen die Handelsintensität mit Drittstaaten. So gilt derzeit ein Sektor oder Teilsektor als besonders abwanderungsgefährdet, wenn die Summe der durch den Emissionshandel direkt und indirekt verursachten Kosten einen erheblichen Anstieg der Produktionskosten bewirkt (mindestens um 5 Prozent) und die Intensität des Handels mit Drittstaaten 10 Prozent übersteigt (sowohl Importe als auch Exporte). Ein hinreichendes Carbon-Leakage-Risiko wird aber auch dann angenommen, wenn die Stromkosten- oder Handelsintensität allein bereits 30 Prozent überschreitet. Diese Sektoren und Teilsektoren werden in einer offiziellen Liste der Europäischen Kommission, der „Carbon-Leakage-List“, erfasst.
3. Aktuelle Entwicklungen: Die Europäische Kommission plant derzeit eine Reform der Regelungen für die 2021 beginnende vierte Handelsperiode. Bereits jetzt ist damit zu rechnen, dass die Carbon-Leakage-Liste erheblich gekürzt und damit nur noch wenigen Sektoren oder Teilsektoren eine kostenfreie Zuteilung zugutekommen wird. Die geplanten Kriterien für die Ausgabe von Emissionsrechten verschärfen aber den Wettbewerbsdruck für viele Industrieunternehmen massiv und können daher zur Erhöhung des Carbon-Leakage-Risikos in den betroffenen Branchen führen. Die bisherigen Entwürfe der EU-Kommission zur Reform des EU-Emissionshandelssystems lassen wenig Raum für eine rechtssichere Abschätzung zur zukünftigen Entwicklung des Carbon-Leakage-Risikos, insbesondere da die Folgen des „Brexit“ für den Emissionshandel unklar sind.