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Interaktionstheorie der Führung

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    Ausführliche Definition im Online-Lexikon

    Ansatz der Führungsforschung und Führungslehre, der die wechselseitige, bidirektionale Verhaltensbeeinflussung zwischen Führungskraft und Geführten im Führungsprozess betont. Führung wird als interaktiver Prozess betrachtet, beeinflusst von den Persönlichkeitsmerkmalen der Geführten und der Führungskraft sowie der relevanten Situation. Die Interaktionstheorien der Führung heben damit die starre bzw. statische Betrachtung der Führer- und Geführtenrolle auf und betrachten die dynamischen Kräfte in dieser Beziehung. Drei Frage werden dabei u.a. erörtert: Wie entwickelt sich die Beziehung zwischen Führer und Geführten? Wie kommt es zur Anerkennung des Führers durch die Geführten? Welche Auswirkung haben diese Dynamiken auf die Arbeitsleistung von Mitarbeitern? So verstehen etwa Daniel Katz und Robert Kahn (1966/78) Führung als iterative Rollenentwicklung in sozialen Wechselbeziehungen. Rollen bezeichnen sie als spezifische Verhaltensmuster, die mit einer beruflichen Position verbunden sind und die deren Tätigkeitserfordernisse widerspiegeln. Damit sind Rollen letztlich das Ergebnis eines gegenseitigen Aushandlungsprozesses zwischen Mitgliedern einer Organisation, die funktional aufeinander bezogen sind. Um zu erklären, wie es zum konkreten Rollenverhalten der Organisationsmitglieder kommt, nutzen Katz/Kahn die Begriffe des Rollensendens und der Rollenübernahme. Ausgangspunkt sind die Rollenerwartungen des Senders, z.B. einer Führungskraft, an den jeweiligen Arbeitsplatzinhaber, z.B. an einen ihrer Mitarbeiter. Die Rollenerwartungen können sich dabei sowohl auf die Fähigkeiten, Fertigkeiten und das Verhalten des Mitarbeiters beziehen, als auch auf dessen persönliche Eigenschaften. Diese Erwartungen sind der Zielperson mitzuteilen, um Einfluss auf deren Verhalten erlangen zu können. Katz/Kahn bezeichnen diesen Prozessschritt als Rollensenden. Dieser unterliegt den generellen Unschärfen in der Kommunikation, denn z.B. ist gedacht noch nicht gesagt und gehört. Die Stärke der Einflussnahme hängt weiterhin ab von den Persönlichkeitsfaktoren der beteiligten Personen, deren interpersonaler Beziehungen zum Gegenüber und anderen Organisationsmitgliedern und auch von organisatorischen Einflussgrößen, wie etwa Belohnungs- und Sanktionsmöglichkeiten. Ob und inwieweit der Mitarbeiter auf die gesendete Rolle reagiert, hängt weiterhin davon ab, wie dieser die gesendete Rolle wahrnimmt und interpretiert und wie er dieses innere Abbild schließlich in Handlungen und Tätigkeiten überführt. Führungskraft und Mitarbeiter beeinflussen sich also aktiv und wechselseitig im Führungsprozess. Sie orientieren sich dabei zum einen an den in der Organisation formal festgeschriebenen Erwartungen an einen Positionsinhaber. Zum anderen legen sie ihre individuell entwickelten Vorstellungen zugrunde und lassen damit auch ihre jeweiligen Eigeninteressen einfließen (Attribution). Der Interaktion, dem Austausch von Tätigkeiten bzw. Ressourcen zwischen Führer und Geführten liegen damit formale und individuelle Erwartungen zugrunde.

    Zu den Interaktionstheorien der Führung zählt weiterhin die Leader-Member-Exchange Theory (LMX). Georg B. Graen und Julio C. Canedo (2016) heben hier u.a. hervor, dass sich zwischen Führungspersonen und ihren Mitarbeiten differenzierte und unterschiedlich stabile dyadische Strukturen herausbilden. Hierbei unterscheiden sie zwischen sehr reifen Austauschbeziehungen, in denen diese gegenseitige Einflussmöglichkeiten, Respekt und Vertrauen sowie Sympathie erfahren. Daneben gibt es Austauschbeziehungen auf sehr niedrigem Niveau, die sich lediglich an den formalen, vertraglich fixierten Austauschbedingungen orientieren. Als Zwischenform kennzeichnen die Autoren jene Austauschbeziehungen, in denen die wechselseitigen Rollenerwartungen noch ausgehandelt werden. Führer-Mitarbeiter-Beziehungen sind damit durch typische Verhaltens- bzw. Interaktionsmuster gekennzeichnet, die allerdings im Zeitverlauf Änderungen unterliegen können. Sie können sich von einer eins zu eins Transaktion hin zu einer intensiven, regelmäßigen und reifen Austauschbeziehung entwickeln. Bei letzteren sind die Mitarbeiter bereit, sich über die formalen Rollenanforderungen hinaus zu engagieren. Im Gegenzug erwarten sie das aber auch von ihrer Führungskraft. Reife Austauschbeziehungen sind damit das Resultat inkrementeller und gegenseitiger Beeinflussungs- bzw. Transaktionsprozesse.

    Vgl. u.a. auch Führungstheorien, Machttheorie der Führung, Idiosynkrasie-Kredit-Theorie der Führung.

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