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Revision von Brexit vom 01.08.2017 - 16:05

Brexit

Definition: Was ist "Brexit"?

Kunstwort, das aus Britain und Exit gebildet wird und für den Austritt des Vereinigten Königreichs (United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland, Abk. UK) aus der Europäischen Union steht.

Beim Brexit-Referendum vom 23.6.2016 stimmten 51,9 % für einen Austritt aus der EU, 48,1 % stimmten für den Verbleib in der EU. Premier­minister James Cameron tritt in der Folge zurück, Theresa May wird neue Premierministerin des UK. Die Spitzen der EU (Präsident des Europäischen Rates Tusk, Kommissionspräsident Juncker und der damalige Präsident des EU-Parlaments Schulz sowie der seinerzeit amtierende Ratspräsident, der niederländische Premierminister Rutte) forderten einen sofortigen Antrag auf Austritt des UK nach Artikel 50 EUV. Die Aktivierung des EU-Austrittsmechanismus mit der darin enthaltenen Frist von maximal zwei Jahren für die Austrittsverhandlungen ist erst mit der Antragstellung des UK aktiviert worden, die am 29.3.2017 erfolgt ist (der EU-Austritt wird damit voraussichtl. am 30.3.2019 vollzogen - eine Verlängerung der Verhandlungsfrist gilt als unwahrscheinlich). Die Erste Ministerin Schottlands Nicola Sturgeon (Schottische Nationalpartei) besteht im Namen des schottischen Parlaments auf ein erneutes Referendum Schottlands über eine Unabhängigkeit – Schottland hatte mit über 60 % für einen Verbleib in der EU gestimmt und sich vorbehalten bei „wesentlichen Veränderungen im Vereinigten Königreich“ ein erneutes Unabhängigkeits-Referendum durchführen zu wollen. Am Vorabend des Brexit-Antrags hat das schottische Parlament Sturgeon mit Verhandlungen über ein zweites Unabhängigkeitsreferendum beauftragt. Die britische Primierministerin May hat zuvor einem zweiten Referendum eine Absage erteilt. In Nordirland würde eine neue EU-Außengrenze zwischen der Republik Irland und Nordirland entstehen - die Brexit-Entscheidung hat zu einem Ansturm der Nordiren auf die doppelte irische Staatsbürgerschaft geführt (2016 beantragten knapp 65.000 britische Bürger die irische - doppelte - Staatsbürgerschaft; in der Folge des Brexit-Votums stieg die Zahl der Anträge um 40 %). Spanien hat in der Folge des Brexit-Referendums die Gebietsansprüche auf Gibraltar erneuert (wo auch eine neue EU-Außengrenze entstehen könnte) und Gibraltar will für einen Verbleib in der EU verhandeln. Politische Schäden für die EU (ggf. weitere Schwächung der EU und Forderungen von Nationalisten in anderen Mitgliedstaaten nach weiteren Austrittsreferenden bis hin zum Zerfall der EU) werden befürchtet – die politische Lage ist angespannt und unübersichtlich,  die Auswirkungen des Brexit sind noch nicht absehbar und vollständig verständlich. Mit der förmlichen Antragstellung nach Artikel 50 EUV wird der Fahrplan der Austrittsverhandlungen absehbarer. Die förmlichen Brexit-Austrittsverhandlungen wurden am 19.6.2017 aufgenommen. Bis Ende Oktober 2018 müssen die Verhandlungen abgeschlossen sein. Danach erfolgt der Austritt am 30.3.2019 mit einem erfolgreichen Verhandlungsergebnis, mit einem Teilergebnis oder ohne Verhandlungsergebnis.

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    1. Allgemeines: Kunstwort, das aus Britain und Exit gebildet wird und für den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland (United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland, Abk. UK) aus der Europäischen Union (EU) steht.

    2. Referendum: Beim Brexit-Referendum vom 23.6.2016 stimmten 51,9 % der Briten für einen Austritt aus der EU, 48,1 % stimmen für den Verbleib in der EU.

    3. Politische Folgen: Premier­minister James Cameron tritt in der Folge zurück, Theresa May wird neue Premierministerin des UK. Die Spitzen der EU (Präsident des Europäischen Rates Tusk, Kommissionspräsident Juncker und der damalige Präsident des EU-Parlaments Schulz sowie der seinerzeit amtierende Ratspräsident, der niederländische Premierminister Rutte) forderten einen sofortigen Antrag auf Austritt des UK nach Artikel 50 EUV. Der EU-Austrittsmechanismus mit der darin enthaltenen Frist von maximal zwei Jahren für die Austrittsverhandlungen ist erst mit der Antragstellung des UK aktiviert worden, die am 29.3.2017 erfolgt ist (der EU-Austritt wird damit voraussichtl. am 30.3.2019 vollzogen). Die Erste Ministerin Schottlands Nicola Sturgeon (Schottische Nationalpartei) besteht im Namen des schottischen Parlaments auf ein erneutes Referendum Schottlands über eine Unabhängigkeit – Schottland hatte mit über 60 % für einen Verbleib in der EU gestimmt und sich vorbehalten bei „wesentlichen Veränderungen im Vereinigten Königreich“ ein erneutes Unabhängigkeits-Referendum durchführen zu wollen. Am Vorabend des Brexit-Antrags hat das schottische Parlament Sturgeon mit Verhandlungen über ein zweites Unabhängigkeitsreferendum beauftragt. Die britische Primierministerin May hat zuvor einem zweiten Referendum eine Absage erteilt. Am 27.6.2017 gibt Sturgeon bekannt, die Ergebnisse der Brexit-Verhandlungen abzuwarten und erst im Herbst 2018 über ein erneutes Unabhängigkeitsreferendum abstimmen zu lassen - abhängig von den Inhalten und Ergebnissen der Verhandlungen. In Nordirland würde eine neue EU-Außengrenze zwischen der Republik Irland und Nordirland entstehen - die Brexit-Entscheidung hat zu einem Ansturm der Nordiren auf die doppelte irische Staatsbürgerschaft geführt (2016 beantragten knapp 65.000 britische Bürger die irische - doppelte - Staatsbürgerschaft; in der Folge des Brexit-Votums stieg die Zahl der Anträge um 40 %). Spanien hat in der Folge des Brexit-Referendums die Gebietsansprüche auf Gibraltar erneuert (wo auch eine neue EU-Außengrenze entstehen könnte) und Gibraltar will für einen Verbleib in der EU verhandeln. Politische Schäden für die EU (ggf. weitere Schwächung der EU und Forderungen von Nationalisten in anderen Mitgliedstaaten nach weiteren Austrittsreferenden bis hin zum Zerfall der EU) werden befürchtet – die politische Lage ist angespannt und unübersichtlich,  die Auswirkungen des Brexit sind noch nicht absehbar und vollständig verständlich. Mit der förmlichen Antragstellung nach Artikel 50 EUV wird der Fahrplan der Austrittsverhandlungen absehbarer. Innerhalb von 2 Jahren müssen die Verhandlungen abgeschlossen sein. Danach erfolgt der Austritt, es sei denn beide Verhandlungsparteien einigen sich über Verlängerungen der Verhandlungen und einen späteren Austrittszeitpunkt. Am 21.4.2017 kündigte Prämierministerin Theresa May vorgezogene Neuwahlen an, um sich für den Brexit eine starke Verhandlungsposition zu verschaffen - die knappe absolute Mehrheit der Conservative Party von 10 Stimmen im Parlament sollte für eine bessere Verhandlungsposition deutlich ausgebaut werden. Im UK-Wahlkampf hat sich die Partei der Liberal Democrats für einen Verbleib in der EU ausgesprochen. Die Conservative Party strebt zur Not auch einen harten Brexit an, die Labour Party wirbt für einen weichen, verhandelten Brexit. Die Neuwahl am 8.6.2017 ergab den Verlust der absoluten Mehrheit für die Conservative Party und ein sog. "hung parliament", eine Situation ohne absolute Mehrheit für eine der beiden großen Parteien. Die Liberal Democrats waren im Wahlkampf mit einer Strategie gegen den Brexit (für den Verbleib in der EU angetreten). Die europaspektische Partei UKIP hat keinen Sitz im Parlament erhalten. Die Conservative Party ist für die Bildung einer Minderheitenregierung auf die Stimmen der radikalen nordirischen Partei DUP (Democratic Unionist Party) angewiesen, mit der eine Duldung der Minderheitsregierung vereinbart worden ist (im Gegenzug erhält die Region Nordirland zusätzliche Finanzzuwendungen in Höhe von 1,5 Mrd. Pfund). Politische Beobachter erwarten eine Abkehr von harten Austrittsverhandlungen hin zu einer weicheren Austrittsstrategie. Am 21.6.2017 hat Queen Elizabeth II in der sog. Queen's Speech das Regierungsprogramm der Minderheitenregierung verlesen (pikanterweise mit einem blauen Hut mit gelben Sternen, welcher der Flagge der EU nachempfunden war), das sich schwerpunktmäßig mit dem Brexit und der inneren Sicherheit befasste - der Kurs für einen harten Brexit wird darin zunächst weiter verfolgt.

    4. Wirtschaftliche Folgen: Wirtschaftliche Auswirkungen sind seit dem Bekanntwerden des Abstimmungs­ergebnisses erkennbar (Wechselkursschwankungen, veränderte Investitions­entscheidungen). Mit Großbritannien wird die zweitgrößte Volkswirtschaft die EU verlassen. Dabei ist das UK für die EU und die EU für das UK jeweils ein sehr wichtiger Handelspartner, wobei es deutliche Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten gibt (so sind Deutschland, Portugal, Malta und Zypern im Handel besonders eng mit dem UK verknüpft). Kurzfristig verlor das Pfund gegenüber dem Euro an Wert und erreichte den niedrigsten Stand seit 1985. Auch an den Aktienmärkten waren weltweit Kursverluste zu verzeichnen, die jedoch wieder aufgeholt worden sind. Im Jahr 2016 sanken die deutschen Exporte nach Großbritannien um 3,5 %. Nach dem Antrag auf Austritt aus der EU (der mit Artikel 50 EUV erst durch den Vertrag von Lissabon in den EUV eingeführt worden ist), tritt die zweijährige Übergangsfrist für Verhandlungen über den Austritt in Kraft. Die Wirtschaft wird in dieser Zeit mit der Unsicherheit leben müssen, dass genaue Inhalte des Austritts unklar sind. Viele Unternehmen verzichten daher auf neue Investitionen im UK. Ein Austritt wird vollständig sein müssen - ein Austritt nur aus der Personenfreizügigkeit/Niederlassungsfreiheit und eine Beibehaltung des Binnenmarktes, der Warenverkehrsfreiheit und des freien Kapitalverkehrs wird es nicht geben (Kanzlerin Merkel: "Kein Rosinenpicken"). Aus dem UK ist die Haltung bekannt, dass das Brexit-Votum unumkehrbar ist und umgesetzt werden muss (Primierministerin May: "No exit from Brexit").

    5. Brexit-Wirtschaftsprognosen: Verschiedene wirtschaftliche Prognosen zu den Brexit-Folgen sind veröffentlicht worden die sich - wie so oft - teilweise widersprechen. In der Mehrheit sind die Prognosen jedoch negativ:

    • bis Ende 2019 könnten im UK rund 950.000 Arbeitsplätze vernichtet werden,
    • Kosten des Brexit könnten sich für das UK bis zu 100 Milliarden Pfund (knapp 130 Milliarden Euro) belaufen,
    • Wohlstandsverluste könnten für das UK langfristig sogar bis zu 300 Milliarden Euro erreichen,
    • die OECD prognostiziert je nach Szenario statistisch für jeden britischen Haushalt Einbußen zwischen 1.500 und 5.000 Pfund (umgerechnet 1.900 bis 6.500 Euro).
    • der Internationale Währungsfonds (IWF) hat nach dem Brexit-Votum  seine Wachstumsprognosen für die Weltwirtschaft für 2016 und 2017 jeweils um 0,1 Prozent auf 3,1 und 3,4 Prozent nach unten korrigiert. Die Wachstumsprognose für das UK senkte er für 2016 von 1,5 auf 1,3 Prozent und für 2017 um 0,9 Prozent von 2,2 auf 1,3 Prozent.

    Diese Prognosen bilden nicht die möglichen Einbußen auf Seiten der EU und ihrer Mitgliedstaaten ab, die ja jeweils Handelspartner des UK sind und nun höhere Handelsschranken zu erwarten haben (Einfuhrzoll, höhere Einkaufspreise, etc.).

    6. Austrittsverhandlungen: Seit Antragstellung des UK auf Austritt aus der EU nach Artikel 50 UZK ist der Anfangszeitpunkt der Austrittsverhandlungen mit dem 29.3.2017 festgelegt. Die Antragstellung wurde von Seiten des UK bewusst verzögert, um interne Rahmenbedingungen zu schaffen. Intern mussten etwa 30.000 Stellen in den Ministerien neu geschaffen werden. Ein eigenes Ministerium für den Brexit wurde geschaffen, das Department for Exiting the EU (DExEU). Arbeits- und Strategiepapiere wurden in dieser Zeit auf beiden Verhandlungsseiten vorbereitet, so dass ab Abgabe des Antrags auf Austritt aus der EU zügig verhandelt werden kann. Es gibt verschiedene Szenarien über die Ziele des UK und der EU, die z. T. nicht übereinstimmen. Da Artikel 50 EUV eine klare Zeitvorgabe enthält und die 2-Jahres-Frist am 29.3.2019 endet, stehen die Verhandlungen unter großem Zeitdruck. Fünf unterschiedliche Ergebnisse sind möglich:

    • a. Ein übersichtliches Verhandlungsergebnis, das sowohl die Austrittsbedingungen des Brexit als auch die Details der künftigen Beziehungen zw. UK und EU regelt;
    • b. Ein Verhandlungsergebnis, das nur die Austrittsbedingungen des Brexit regelt, sowie Übergangsregelungen für die EU-Beziehungen enthält, während künftige Regelungen später ausgearbeitet werden;
    • c. Ein Verhandlungsergebnis, das nur die Austrittsbedingungen des Brexit regelt, jedoch keine Übergangsregelungen enthält, während künftige Regelungen über die EU-Beziehungen später ausgehandelt werden;
    • d. Kein Verhandlungsergebnis mit einem Brexit zwei Jahre nach Verhandlungsbeginn nach Ablauf der Frist aus Artikel 50 EUV;
    • e. Eine Entscheidung des UK, doch in der EU zu verbleiben.

    Während Alternative e im Juli 2017 als unwahrscheinlich gilt, strebt das UK die Alternative a an, während die EU die Alternative b anstrebt. Alle Beobachter sind sich einig, dass die Alternativen c und d nicht anstrebenswert sind. Etwa 21.000 Regelungen müssen verhandelt werden. Das UK beabsichtigte zunächst das gesamte EU-Recht in einer sog. Great Repeal Bill in UK-Recht zu überführen und nach und nach über Geltung oder Abschaffung zu entscheiden (kritische Stimmen bemerken, dass bis zu sieben Rechtsakte erforderlich sein werden und diese kaum fristgerecht fertig gestellt werden können). In der Queen's Speech am 21.6.2017 wurden von der Minderheitsregierung des UK acht Gesetzesvorhaben zur Umsetzung des Brexit angekündigt, die etwa 12.000 Einzelregelungen des EU-Rechts in britisches Recht überführen (um dieses später ggf. ändern oder abzuschaffen). Knapp 500 Verhandlungstage verbleiben beiden Verhandlungsparteien. Damit sind rechnerisch 42 Regelungen am Verhandlungstag zu verhandeln und entscheiden - das wird als unmöglich angesehen. Die Verhandlungsparteien haben inzwischen mitgeteilt, dass nicht dauerhaft verhandelt wird, sondern nur eine Woche pro Monat - das verringert die Verhandlungsmöglichkeiten dramatisch. Demnach verbleiben nicht 20 Verhandlungsmonate, sondern de facto lediglich knapp 18 Verhandlungswochen bis zum angestrebten Abschluss der Austrittsverhandlungen Ende Oktober 2018, da die Verhandlungsergebnisse noch von den nationalen Parlamenten im Rahmen einer Austrittsakte ratifiziert werden müssen. Nimmt man fünf Verhandlungstage pro Woche, verbleiben so lediglich 90 Verhandlungstage, in welchen 20.000 Regelungen verhandelt werden müssten - das entspricht 222 Regelungen pro Verhandlungstag. Wenn sich beide Verhandlungsparteien nicht auf eine Verlängerung der 2-Jahres-Frist einigen, sind die Ergebnisse der Verhandlungen insbes. für das UK schwer einschätzbar und folgenreich. Die EU hat jedoch kein Interesse an einem sehr positiven Verhandlungsausgang mit dem UK, da weitere Mitgliedstaaten von ähnlichen Austrittsverhandlungen abgeschreckt werden sollen. Die EU hat inzwischen Verhandlungsleitlinien abgestimmt und veröffentlicht (zunächst wird über den Austritt verhandelt, erst danach wird über die künftigen Beziehungen verhandelt). Erste Forderungen von Seiten der EU bestehen u. a. in der Erfüllung der finanziellen Verpflichtungen des UK bis zum Austritt und darüber hinaus für zugesagte Investitionen (mindestens bis Ende 2020, z. T. weit darüber hinaus) und auch anteilig für die künftigen Pensionen der EU-Beamten. Die EU-Forderungen beziffern sich auf 100 Mrd. Euro. Im UK haben Berater für die Verhandlungen eine max. Austrittssumme von 30 Mrd. Euro beziffert und sofern darüber keine Einigung erzielt werden kann, wird ein Austritt ohne Begleichung offener Rechnungen in Aussicht gestellt. Die EU hat der Forderung des UK im Binnenmarkt zu verbleiben eine klare Absage erteilt, da dieses bei einem Austritt des UK systemwidrig wäre - eine Neuverhandlung einer neuen Zollunion sei dagegen nach dem Austritt möglich (vergleichbar mit der Zollunion mit der Türkei). Die Brexit-Austrittsverhandlungen wurden erst am 19.6.2017 förmlich aufgenommen (fast genau ein Jahr nach dem Brexit-Votum), was einen weiteren Zeitverlust bedeutet. In einem offenen Brief haben sich im Juli 2017 wesentliche Gruppen des Europäischen Parlaments (EP) gegen eine Verlängerung der 2-Jahres-Frist ausgesprochen, u.a. weil im April 2019 die Neuwahl zum EP ansteht. Ohne eine Verlängerung der Verhandlungsfrist verbleiben zu Verhandlungsbeginn Mitte Juni 2017 nur noch 18 Verhandlungsmonate bis Ende Oktober 2018. Inzwischen haben sich beide Verhandlungsseiten auf die vorgeschlagene Reihenfolge geeinigt, inbes. um Unsicherheiten für Bürger und Wirtschaft zu verringern. Offen sind u. a. die Rechte der EU-Bürger, die derzeit im UK leben und die Frage der derzeit offenen Grenze zw. der Republik Irland und Nordirland, die sich im Falle des Brexit zu schließen droht, was den Friedensprozess in Nordirland zum Scheitern bringen könnte. Die Brexit-Verhandlungen finden in Brüssel statt, was zu einem dauerhaften Heimvorteil der EU führt. Die EU beschreitet einen sehr transparenten Verhandlungsansatz und hat bereits neun Positionspapiere zu verschiedenen Themenfeldern veröffentlicht (z.B. Bürgerrechte, Nukleare Materialien und EURATOM, - da der Brexit nach Auffassung der EU auch den Austritt aus dem EAGV und der EURATOM bedeutet -, Finanzen, Weiterführende Zusammenarbeit der Polizei und justizielle Zusammenarbeit in der Kriminalitätsbekämpfung). Für den erfolgreichen Abschluss eines gemeinsamen Brexit-Abkommens werden die Zustimmung des britischen Parlaments auf Seiten des UK und auf Seiten der EU die Zustimmung des Europäischen Rats (mit qualifizierter Mehrheit z.B. 65 % der Stimmen von mind. 20 Mitgliedstaaten) sowie des Europäischen Parlaments (mit einfache Mehrheit) erforderlich.
    7. Auswirkungen auf die EU: Die Bestrebungen von Rechtspopulisten und Nationalisten in den jeweiligen Mitgliedstaaten einen EU-Austritt anzustreben (EU-kritische Parteien und Populisten) sind neben dem Brexit (Mit-) Auslöser und zugleich Folge der Krise der Europäischen Union. Die EU versucht mit ein erhöhten Zusammenhalt zu reagieren, u. a. mit dem Juncker-Plan der Europäischen Kommission (Weißbuch zur Zukunft Europas). Die konkrete Entflechtung der wirtschaftlichen und politischen Beziehungen hat im Sommer 2017 begonnen, weil zwei EU-Agenturen, die bislang im UK (in London) angesiedelt waren, ihren Sitz verlegen: die Europäische Bankenaufsichtsbehörde und die Europäische Arzneimittel-Agentur. Interessierte Mitgliedstaaten sollen bis 31.7.2017 ihre Bewerbung für diese Agenturen abgeben und der Rat der Europäischen Union soll bis November 2017 über die Neuansiedlung beider EU-Agenturen entscheiden. Banken verlagernd bereits seit dem Sommer 2017 tausende von Mitarbeitern von London nach Dublin, Frankfurt am Main und Paris, da sich mit dem Brexit die Rahmenbedingungen für die Geschäftstätigkeit von Finanzdienstleistern ändern.

    8. Künftige Handelsbeziehungen zwischen dem UK und der EU: Mittelfristig strebt das UK den Abschluss eines neuen Freihandelsabkommens mit der EU an, das idealerweise eine Zollunion umfasst. Diese Verhandlungen über die künftigen Wirtschaftsbeziehungen werden voraussichtlich bis Ende Oktober 2018 nicht innerhalb der Brexit-Austrittsverhandlungen abgeschlossen werden können, weil diese bereits zu Beginn unter großer Zeitnot stehen. Ein ungeregelter Austritt aus der EU droht für das UK. Es stellt sich die Frage, wie die Handelsbeziehungen zur EU kurzfristig und übergangsweise gestaltet werden können. Einige Experten vermuten hier den (Wieder-) Eintritt des UK in die EFTA und ein Erstarken EFTA als europäische Konkurrenz zur EU.

    Vgl. Krise der Europäischen Union, Juncker-Plan (Weißbuch zur Zukunft Europas), Danexit, Dexit, Fixit, Frexit, Nexit, Öxit.

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