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Gendersternchen
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Das Original: Gabler Wirtschaftslexikon
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Inhaltsverzeichnis
Begriff
Mit dem Gendersternchen oder Genderstern (seltener "Gender-Star") versucht man – so das erklärte Ziel der Verwender – eine Berücksichtigung und Sichtbarmachung aller Geschlechter in der geschriebenen deutschen Sprache zu erreichen. Zu diesem Zweck fügt man es in Substantive und Adjektive sowie in oder zwischen unbestimmte und bestimmte Artikel ein. Im Information Retrieval – etwa bei der Suche in Fachdatenbanken oder mit Suchmaschinen im Internet – dient ein Sternchen (auch Asterisk genannt) als Platzhalter für ein Zeichen oder mehrere Zeichen. In der geschlechtergerechten Sprache soll es für weitere Geschlechter neben dem männlichen und weiblichen stehen, also für das, was man ansonsten als divers bezeichnet. Das Gendersternchen kann man mit Hilfe eines Glottallauts – wie bei Spiegelei (mit Knacklaut vor dem "ei") – sprechen. Alternativen zu ihm sind der Doppelpunkt und das Binnen-I, wobei Bildungen mit dem letzteren nur zwei Geschlechter umfassen und deshalb als binär kritisiert werden.
Beispiele
Für den Gebrauch des Gendersternchens existieren Leitfäden, für die Allgemeinheit und für die Mitarbeiterschaft in Organisationen. Dabei gibt es nicht in allen Fragen Konsens. Im Singular schreibt man z.B. "der*die Schüler*in" oder "ein*e Schüler*in", im Plural "die Schüler*innen". Bei Bildungen im Plural wie "die Student*innen" oder "die Autor*innen" taucht das Problem auf, dass die männliche Form verschwindet, also "die Studenten" bzw. "die Autoren". Einige behelfen sich mit "die Studenten*innen", das allerdings sowohl geschrieben als auch gesprochen wenig praktikabel erscheint. Bei "die Anwält*innen" verabschiedet sich im Plural ebenfalls die männliche Form, also "die Anwälte". Schwierigkeiten resultieren zudem bei der Deklination. So fehlt bei der Wendung "den Reporter*innen ein Interview geben" das Dativ-n ("den Reportern"). Der grammatikalische Fehler geht wiederum mit einer Entfernung der männlichen Form einher. Die Schreibweise "den Reportern*innen", die geschlechtergerecht wäre, wird wiederum von den Protagonisten selbst meist abgelehnt bzw. nicht benutzt.
Hintergrund und Entwicklung
Gezielte Eingriffe in die Sprache im Kontext der Geschlechtergerechtigkeit gehen auf Arbeiten von Sprachwissenschaftlerinnen wie Luise F. Pusch und Senta Trömel-Plötz in den 1970er- und 1980er-Jahren zurück. Sie kamen zum Schluss, dass das generische Maskulinum weibliche Personen nicht oder nicht ausreichend abbildet. Die klassische Sprachwissenschaft hält dem entgegen, dass das grammatikalische vom natürlichen Geschlecht zu unterscheiden sei. Sätze wie "Ich gehe zum Bäcker!" würden vom Geschlecht absehen und keineswegs Frauen mitmeinen, sondern weder speziell Frauen noch speziell Männer meinen. Eine Erwiderung darauf wiederum lautet, dass bei Personenbezeichnungen Genus und Sexus stark korrelieren. Das generische Maskulinum wurde jedenfalls von verschiedener Seite beanstandet und mit dem Gendersternchen weiter zurückgedrängt. Dieses wird u.a. von der LGBT- und Queer-Community, von Gleichstellungsbeauftragten und Marketingabteilungen sowie von Behörden und Ministerien gefördert. An Universitäten und Fachhochschulen im deutschsprachigen Raum hat es sich stark verbreitet. Da das Gendersternchen nicht zur offiziellen deutschen Sprache gehört, wie sie der Rat für deutsche Rechtschreibung regelt, ist es allerdings in studentischen Arbeiten grundsätzlich als Fehler zu bewerten, was die Einrichtungen in gewisser Weise spaltet. Einige feministische Linguistinnen der ersten Stunde sind dem Gendersternchen gegenüber skeptisch eingestellt. Es dürfte freilich der Forderung von Aktivistinnen entgegenkommen, aus der "Männersprache" eine "Frauensprache" zu machen, da männliche Formen verschwinden oder nicht mehr wahrgenommen werden. Im englischen Sprachraum wird das Geschlecht umgekehrt in den Hintergrund gerückt, etwa wenn Schauspielerinnen nicht mehr als "actress", sondern als "actor" bezeichnet werden wollen.
Diskussion
Kritiker halten das Gendersternchen für sexualisierend, da das Geschlecht selbst dort betont wird, wo es keine Rolle spielt, und für sexistisch, da in vielen Begriffen die männliche Form verschüttgeht. Zudem heben sie – wie auch der Rat für deutsche Rechtschreibung in seiner Stellungnahme aus dem Jahre 2021 – hervor, dass die Verwendung zu grammatikalischen Schwierigkeiten führt. Das Gendersternchen bedeutet einen schwerwiegenden Eingriff in die Struktur der Sprache. Im Deutschen treten innerhalb von Wörtern außer dem Bindestrich i.d.R. keine weiteren Sonderzeichen auf. Apostrophe substituieren lediglich einen Buchstaben, mit Klammern fügt man Ergänzungen hinzu. Ähnlich wie das Leerzeichen, das manche fälschlicherweise statt eines Bindestrichs verwenden ("E-Learning Konferenz") oder mit dem sie zwei zusammengehörende Bestandteile voneinander trennen ("Gemüse Suppe"), zerteilt das Gendersternchen ein Wort (nämlich die Form, die als weibliche verstanden werden kann). Befürworter heben hervor, dass sich Sprache ändert (wobei es sich hier um keinen natürlichen Sprachwandel handelt und dieser von einer Minderheit ausgeht) und durch diese Anpassung unterschiedliche Geschlechter sichtbar gemacht werden, was im Sinne der Wokeness ist. Sie schätzen grammatikalische Unkorrektheiten als wenig relevant ein, zumal diese nach ihrer Beobachtung genauso in anderen Zusammenhängen vorhanden sind. Sie behaupten, dass man bei den "Kolleg*innen" die Männer erkennt, weil die entsprechende Form den gleichen Wortstamm aufweist.
Kritik und Ausblick
Über Sinn und Unsinn des Gebrauchs von Gendersternchen und Doppelpunkten wird mit Vehemenz diskutiert. Obwohl es eine Entwicklung ist, die in bestimmten akademischen Kreisen und sozialen Bewegungen zu Hause ist, bleibt hier keineswegs der Widerspruch aus. Eine Verkürzung von Sprache auf eine politische und moralische Dimension wird der Kommunikationsfunktion kaum gerecht. Gerade in der Wissenschaft und im Journalismus – sowie von Seiten der Verwaltung und im Rechtswesen – muss man verständlich, prägnant und präzise sein. Teilweise können durch das Gendersternchen schwerfällige Formulierungen ersetzt werden. Mehrheitlich entstehen aber erst schwerfällige Formulierungen, die den Lesefluss erschweren. Dies ist insbesondere für solche Personen ein Problem, die Defizite in ihrer Muttersprache haben, zudem für solche, die eine Fremdsprache erlernen wollen. Aus der Ethik heraus kann der Moralismus beanstandet werden, der ins Schreiben und Sprechen gebracht wird, etwa im Zusammenhang mit Identitätspolitik, und es kann die Moral untersucht werden, die hier – z.T. durchaus in bester Absicht – zum Ausdruck kommt. Bereichsethiken wie Medien- und Informationsethik sowie Wissenschaftsethik tragen ihren Teil zur Auseinandersetzung bei. In letzterer interessiert etwa die Vermengung von Linguistik und Aktivismus. Die Wirtschaftsethik (insbesondere die Unternehmensethik) thematisiert, ob ein Betrieb für Sprachregelungen über Tone-of-Voice, Social-Media-Richtlinien und allgemeine Kommunikationsleitlinien hinaus zuständig ist oder ob man damit ein gegenüber dem Arbeitnehmer übergriffiges Verhalten zeigt.
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