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wettbewerbspolitische Leitbilder
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Das Original: Gabler Wirtschaftslexikon
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1. Ordoliberalismus der Freiburger Schule, Leitbild der vollständigen Konkurrenz: Der Ordoliberalismus der sog. Freiburger Schule (Eucken, Böhm, Müller-Armack etc.) kann als eine Art dritter Weg zwischen einer vermachteten Laissez-faire-Wirtschaft und einer zentral geplanten Verwaltungswirtschaft verstanden werden. Wettbewerb wird dabei als ein Entmachtungsinstrument verstanden, was die Marktform der vollkommenen Konkurrenz voraussetzt. In dieser ist der Marktpreis ein gegebenes Datum für die Wirtschaftssubjekte, das von ihnen nicht beeinflusst werden kann (Mengenanpasser). Das Modell der vollkommenen Konkurrenz als Leitbild der Wettbewerbspolitik ist problematisch, da (a) viele kleine Anbieter und Nachfrager nicht das Potenzial zur Forschung und Entwicklung haben (Fortschritts- und Entwicklungsfunktion), (b) Homogene Güter und die Abwesenheit der Präferenzen die Konsumentensouveränität einschränken und (c) vollkommene Information und Markttransparenz sowie unverzügliche Anpassung keinen Vorsprungsgewinn zulassen.
Konstituierende und regulierende Prinzipien: Der Ordoliberalismus fordert einen starken Staat, der die Rahmenbedingungen im Sinne von Spielregeln einer Wettbewerbswirtschaft setzen muss; denn die Wirtschaftspolitik des sog. Altliberalismus habe gezeigt, dass eine unbegrenzte Vertragsfreiheit der Wirtschaftssubjekte zu einer wachsenden Monopolisierung führe, d.h. zu einer Vergrößerung des Freiheitsspielraums für nur wenige Wirtschaftssubjekte. Zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Wettbewerbsordnung postuliert Eucken sieben sog. konstituierende und drei regulierende Prinzipien. Die sieben konstituierenden Prinzipien sind:
(1) Preissystem der vollständigen Konkurrenz;
(2) Schaffung einer die Geldwertstabilität sichernden Währungsverfassung;
(3) Privateigentum an den Produktionsmitteln;
(4) Gewährleistung der Vertragsfreiheit;
(5) volle Haftung der Marktteilnehmer;
(6) freier Zugang zu den Märkten (Gewerbefreiheit) und
(7) Konstanz der Wirtschaftspolitik. Diese sieben konstituierenden Prinzipien werden durch drei regulierende Prinzipien ergänzt:
(1) Aktive Monopol- und Oligopolpolitik;
(2) Einkommens- und Konjunkturpolitik, die bestimmte Funktionsschwächen der Marktwirtschaft korrigieren soll, und
(3) Sozialpolitik.
Das Leitbild der vollständigen Konkurrenz soll gesichert werden durch ein striktes Kartellverbot, eine präventive Fusionskontrolle sowie eine staatliche Strukturpolitik und die Entflechtung von Monopolen im Hinblick auf die Erhaltung bzw. Überführung von Märkten in die Marktform der vollständigen Konkurrenz. Vermeidbare (natürliche) Monopole (natürliches Monopol) sollen nach Eucken nicht verstaatlicht, sondern einer Missbrauchsaufsicht durch ein staatliches Monopolamt unterstellt werden (sog. „Als-ob-Konkurrenz”), wodurch ein Marktergebnis wie bei vollständiger Konkurrenz realisiert werden soll.
2. Konzept des weiten Oligopols als spezifische Form des Konzepts des funktionsfähigen Wettbewerbs: Das von F.W. Kantzenbach entwickelte Konzept eines funktionsfähigen Wettbewerbs geht von den Aufgaben (Zielfunktionen) des Wettbewerbs aus, die dieser zu erfüllen hat:
(1) Auf den Faktormärkten soll der Wettbewerb die funktionelle Einkommensverteilung nach der Marktleistung steuern (leistungsgerechte Einkommensverteilung), wodurch eine Ausbeutung aufgrund von Marktmacht (Macht) verhindert wird.
(2) Der Wettbewerb soll die Zusammensetzung des laufenden Angebots an Waren und Dienstleistungen gemäß den Käuferpräferenzen (Konsumentensouveränität) steuern, wodurch sich bei gegebener Einkommensverteilung und gegebenem Produktionsvolumen eine optimale Befriedigung der individuellen Bedürfnisse ergibt.
(3) Der Wettbewerb soll die Produktionsfaktoren in ihre produktivsten Einsatzmöglichkeiten (optimale Faktorallokation) lenken. Dadurch werden bei gegebenem Stand der Produktionstechnik die Gesamtkosten gegebener Produktionsvolumina gesenkt bzw. der Output bei gegebenen Faktoreinsatzmengen gesteigert.
(4) Der Wettbewerb soll die laufende flexible Anpassung von Produkten und Produktionskapazitäten an außenwirtschaftliche Daten, bes. an die sich ständig ändernde Nachfragestruktur und Produktionstechnik (Anpassungsflexibilität) ermöglichen. Dadurch wird das Ausmaß von Fehlinvestitionen verringert, die durch Strukturwandlungen hervorgerufenen volkswirtschaftlichen Kosten werden gesenkt.
(5) Der Wettbewerb soll die Entstehung, Einsatz und Verbreitung des technischen Fortschritts in Gestalt neuer Produkte und Produktionsmethoden (technischer Fortschritt durch Produkt- und Prozessinnovation) beschleunigen.
Folgerungen: Nach Kantzenbach ist ein Wettbewerb dann funktionsfähig, wenn er die fünf
qua Werturteil
vorgegebenen ökonomischen Zielfunktionen bestmöglich erfüllt. Das ist seines Erachtens im Bereich weiter Oligopole mit optimaler Interdependenz, d.h. mit mäßiger Produktheterogenität und begrenzter Transparenz der Fall, da in dieser Marktform Gewinnchancen, Existenzrisiken und Finanzierungsmöglichkeiten der Unternehmen bes. günstig kombiniert seien. Dagegen sei das enge Oligopol durch eine überoptimale Interdependenz gekennzeichnet, die entweder zu funktionslosen Oligopolkämpfen oder zu einer faktischen Beschränkung des Wettbewerbs durch spontan-solidarisches Parallelverhalten führen. Das Polypol sei durch eine unteroptimale Interdependenz charakterisiert, die mangels ausreichender Selbstfinanzierungsmöglichkeiten, geringer absoluter Unternehmensgrößen und traditioneller Verhaltensweisen nicht die im Hinblick auf strukturelle Anpassung und technischen Fortschritt notwendigen Investitionen erlaube; im Polypol herrsche daher ruinöser Wettbewerb.
Wettbewerbspolitische Empfehlungen: Im Hinblick auf das Leitbild des weiten Oligopols sollten enge Oligopole nach Möglichkeit entflochten und Polypole mit unteroptimaler Interdependenz durch eine Legalisierung von Kartellen und Förderung von Zusammenschlüssen in weite Oligopole überführt werden.
3. Konzept des freien Wettbewerbs der sog. Neuklassik: Hoppmann knüpft mit seinem als neuklassisch bezeichneten Wettbewerbskonzept an die klassische Wettbewerbstheorie an. Er unterscheidet zwei Zielkomplexe der Wettbewerbspolitik:
(1) Sicherung der Wettbewerbsfreiheit im Sinne der Abwesenheit von Zwang durch Dritte (sog. Entschließungsfreiheit) und der Abwesenheit von Beschränkungen des Tauschverkehrs durch Marktteilnehmer (sog. Handlungsfreiheit);
(2) ökonomische Vorteilhaftigkeit des Wettbewerbsprozesses im Hinblick auf niedrigere Preise, bessere Qualitäten oder Einführung des technischen Fortschritts.
Wettbewerbsfreiheit wird als notwendige, jedoch nicht als hinreichende Bedingung für gute Marktergebnisse angesehen; vielmehr müsse ein entsprechender Wettbewerbsgeist (Spirit of Competition) hinzukommen, damit Wettbewerbsfreiheit zu ökonomischer Vorteilhaftigkeit führe. Bei Wettbewerbsfreiheit führe der Marktmechanismus aufgrund ökonomischer Anreize und Sanktionen zu einer Koordination der Pläne und Handlungen der Wirtschaftsobjekte, die für alle Marktteilnehmer vorteilhaft sei (sog. systemtheoretischer Ansatz).
Wettbewerbspolitische Empfehlungen: Die Handlungs- und Entschließungsfreiheit der Marktteilnehmer soll durch das Verbot bestimmter Verhaltensweisen (z.B. Monopolisierung, Diskriminierung, Behinderung oder Fusionen) geschützt werden, wobei die von der Wettbewerbspolitik zu setzenden Per-se-Regeln folgendermaßen ausgestaltet sein sollen:
(1) Den Wirtschaftsobjekten darf kein positiv definiertes Verhalten vorgeschrieben werden, vielmehr dürfen Verhaltensweisen nur negativ durch Verbot ausgeschlossen werden.
(2) Dieses Verbot muss allgemein-abstrakt erfolgen.
(3) Die Wettbewerbsregeln müssen für alle Wirtschaftsobjekte gleichermaßen gelten.
4. Das Konzept der sog. Chicago School of Antitrust Analysis: Die Chicago School, die in der Vergangenheit nur mit dem Monetarismus (Friedman u.a.) identifiziert worden ist, hat in den 1970er Jahren auch ein wettbewerbspolitisches Konzept entwickelt. Das wettbewerbspolitische Konzept dieser Schule (Bork, Demsetz, Director, Posner, Stigler u.a.) war während der 1980er-Jahre unter Präsident Reagan zum Leitbild der US-Antitrustpolitik geworden.
Elemente: Die Chicago School versteht das Marktgeschehen als ein freies Spiel der Kräfte ohne staatliche Eingriffe, in welchem die Gesündesten und Besten überleben (Survival of the Fittest, sog. Sozialdarwinismus); dabei soll der Einfluss des Staates auf die Setzung weniger Rahmenbedingungen beschränkt werden. Das Ziel der Antitrustpolitik besteht nach der Auffassung dieser Schule allein in einer Maximierung der Konsumentenwohlfahrt. Die Aufgabe der Wettbewerbspolitik müsse daher in der Aufrechterhaltung von Marktmechanismen bestehen, die ein Maximum an Konsumentenwohlfahrt im Sinne einer optimalen Allokation der volkswirtschaftlichen Ressourcen gewährleisten. Für die Antitrustbehörden sollen daher nur zwei Effizienzkriterien für die Beurteilung von Wettbewerbspraktiken ausschlaggebend sein:
(1) Die allokative Effizienz (im Sinn einer volkswirtschaftlich optimalen Allokation der Ressourcen, d.h. Angebot der Wettbewerbsmenge zum Wettbewerbspreis gemäß der Grenzkosten = Preis-Regel im Gegensatz zum Cournot Fall (Preistheorie)) und
(2) die produktive Effizienz (im Sinn einer effizienten Ressourcenverwendung in den einzelnen Unternehmen z.B. durch Ausnutzen von Economies of Scale oder Transaction Cost Efficiencies). Um festzustellen, wann diese beiden Effizienzkriterien gewährleistet bzw. gefährdet sind, wollen die Vertreter der Chicago School die neo-klassische Preistheorie heranziehen, wobei vollkommene Konkurrenz und Monopol als Referenzsituationen dienen. Die Steigerung der betrieblichen Effizienz wird damit zum ausschließlichen Ziel der Antitrustpolitik; die anderen Wettbewerbsfunktionen (z.B. leistungsgerechte Einkommensverteilung, Konsumentensouveränität oder technischer Fortschritt) werden aus der Analyse ausgeklammert bzw. nicht berücksichtigt.
Wettbewerbspolitische Empfehlungen: Da die Chicago School auf die langfristige Wirkung des Marktmechanismus (Fehlen von privaten Marktzutrittsschranken und extrem langfristiger Zeithorizont) vertraut und zudem jeglichen staatlichen Eingriffen ablehnend gegenübersteht, nimmt sie grundsätzlich eine skeptische Haltung im Hinblick auf staatliche Aktivitäten im Bereich des Wettbewerbs ein. Sie kommt daher zu folgenden Empfehlungen:
(1) Fusionen werden i.Allg. nicht als wettbewerbsgefährdend angesehen, da sie in erster Linie der Ausschöpfung von Economies of Scale oder Transaction Cost Economies, der Vermögenskonzentration in den Händen überlegener Unternehmen sowie der Bestrafung eines ineffizienten oder schlechten Managements dienen; externes Wachstum (Konzentration) sei insofern grundsätzlich Ausdruck von produktiver Effizienz. Eine Fusionskontrolle solle daher in den USA nur noch im Fall horizontaler Zusammenschlüsse bei sehr hohen Marktanteilen stattfinden. Im Fall vertikaler Fusionen käme es nicht zu direkten Marktanteilszuwächsen und damit einer möglichen Verschlechterung der Marktversorgung; nur im Fall ausgeprägter Marktschließungseffekte sei daher eine Fusionskontrolle geboten. Konglomerate Fusionen stellen nach Auffassung der Chicago School ein „Non-Problem” dar.
(2) Wettbewerbswidriges Verhalten wird dagegen kritischer gesehen als strukturbedingte Konzentration. So wird für horizontale Absprachen ein striktes Per-se-Verbot gefordert, während vertikale Absprachen als Erhöhung der produktiven Effizienz des handelnden Unternehmens und damit der Erhöhung der Konsumentenwohlfahrt als Ganzes gesehen werden.
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