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Das Original: Gabler Wirtschaftslexikon

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    Ausführliche Definition im Online-Lexikon

    Teilhabe aller in einer Organisation vertretenen Gruppen am Willensbildungs- und Entscheidungsprozess.

    Im Besonderen wirtschaftliche M., also die institutionelle Teilhabe der Arbeitnehmer(-vertreter) am Willensbildungs- und Entscheidungsprozess in Unternehmen und Betrieb (Unternehmensverfassung).

    I. Entwicklung:

    Ausgangspunkt der Forderung nach M. waren der Gegensatz von Kapital und Arbeit und die Situation der Arbeiterschaft im letzten Jahrhundert. Ideengeschichtliche Impulse gingen von sozialistischen Ideen, christlichen Soziallehren und Vorstellungen des liberalen Bürgertums aus. Eine erste umfassende Konzeption stellte die Schrift „Wirtschaftsdemokratie” von F. Naphtali (1928) dar. Wichtige gesetzliche Regelungen der M. waren die Gewerbeordnungsnovelle von 1891 (Arbeiterausschüsse) und die Betriebsrätegesetzgebung der Weimarer Republik.

    II. Gründe für M. im wirtschaftlichen Bereich:


    (1) Übertragung des Demokratieprinzips auf die Wirtschaft,
    (2) Gleichstellung von Arbeit und Kapital,
    (3) Kontrolle wirtschaftlicher Macht,
    (4) Würde des Menschen (sozialethisches Postulat).

    Gegenargumente:
    (1) Ordnungspolitischer Natur: Eigentum, Tarifautonomie und Rolle der Gewerkschaften;
    (2) befürchtete ökonomische Konsequenzen in Bezug auf Wettbewerbsfähigkeit, Kapitalbeschaffung und funktionsfähiges Management.

    III. Begriff:

    Als Oberbegriff umfasst M. (nach dem Kriterium der Intensität) verschiedene Abstufungen der Teilhabe (Einwirkungsmöglichkeit): 1. Mitentscheidung: Stärkste Form der M. Durch Veto- oder Initiativrecht ist die Gültigkeit von Beschlüssen von der Zustimmung der Arbeitnehmer abhängig; sie beschränkt die eigenverantwortliche Entscheidung des nach dem Gesellschaftsrecht zuständigen Organs.

    2. Mitwirkung (Mitberatung im Sinn gemeinsamer Erörterungen; Informations-, Anhörungs- und Vorschlagsrechte): Beeinflussung von Entscheidungen, aber keine Bindung der Entscheidungsträger an die Stellungnahme der Mitwirkenden.

    3. Paritätische oder qualifizierte M.: Paritätische Besetzung des Aufsichtsrates und der Vertretung der Arbeitnehmer im Vorstand (z.B. nach Montan-Mitbestimmungsgesetz).

    IV. Ökonomische Wirkungen:

    Abhängig von Ausfüllung und Gebrauch des juristischen Rahmens; inwieweit Handlungen der Entscheidungsbefugten beeinflusst und der Ablauf des Entscheidungsprozesses oder das Zielsystem verändert werden. Ökonomische Wirkungen der M. können über das hinausgehen oder sich von dem unterscheiden, was die gesetzliche Regelung intendiert oder vermuten lässt.

    V. Ebenen der M.:

    1. Überbetriebliche M.: Beteiligung der Arbeitnehmer(-vertreter) an Wirtschaftsgesetzgebung, -verwaltung und -politik. Eine weitergehendere Begriffsinterpretation umfasst auch die Vertretung der Arbeitnehmer z.B. in Selbstverwaltungseinrichtungen der Krankenkassen oder der Rentenversicherung.

    In der Bundesrepublik Deutschland nur vereinzelte Ansätze einer gesetzlichen Fixierung (z.B. Landeswirtschaftsrat in Bremen) im Gegensatz zur Weimarer Republik (Reichswirtschaftsrat). In der M.-Diskussion Vorschlag eines Systems paritätisch besetzter Wirtschafts- und Sozialräte auf Bundes-, Landes- und Bezirks-(Regional-)ebene von Seiten des DGB in den 70er Jahren.

    2. Unternehmensbezogene M.: Beteiligung der Arbeitnehmer in den für die Unternehmenspolitik zuständigen Organen (Aufsichtsrat, Vorstand).

    Geltende gesetzliche Bestimmungen sind:
    (1) Mitbestimmungsgesetz (MitbestG vom 4.5.1976 m.spät.Änd),
    (2) Montan-Mitbestimmungsgesetz (MontanMitbestG vom 12.5.1951 m.spät.Änd) das  Mitbestimmungs-Ergänzungsgesetz,
    (3) Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG vom 11.10.1952 m.spät.Änd., wie das sog. Drittelbeteiligungsgesetz aus dem Jahre 2004) sowie
    (4) Betriebsverfassungsgesetz i.d.F. vom 25.9.2001 (BGBl I 2518) m.spät.Änd. Das MitbestG erfasst grundsätzlich alle Unternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit und mit mehr als 2 000 Beschäftigten (§ 1 Abs. 1). Ausnahmen bilden insbesondere die Montan- und Tendenzbetriebe. Es gilt die sog. Unterparität, d.h. Anteilseigner und Arbeitnehmer sind grundsätzlich gleich stark im Aufsichtsrat vertreten. Bei einem erforderlichen zweiten Wahlgang im Aufsichtsrat wählen die Anteilseigner den Aufsichtsratsvorsitzenden, dessen Stimme dann entscheidet. Das MontanMitG gilt für alle Montanbetriebe (Kohle, Eisen, Stahl) in der Rechtsform der AG oder der GmbH, wenn mehr als 1 000 Beschäftigte vorhanden sind. Der Aufsichtsrat wird gleich stark von Vertretern der Arbeitnehmer und des Eigenkapitals besetzt. Hinzu kommt ein neutrales Mitglied (Bürgermeister, anerkannte Person), die in Pattsituatione den Ausschlag gibt. Der § 13 Abs. 1 MontanMitbestG sieht vor, dass ein Mitglied des Vorstandes der sog. Arbeitsdirektor ist, der nicht gegen die Stimmen der Arbeitnehmer bestellt bzw. abberufen werden kann. Das Drittelparitätsgesetz, 2004, erfasst vor allem Aktiengesellschaften (AG), Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) und Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften. In diesem Falle erhalten die Anteilseigner 2/3 der Stimmen im Aufsichtsrat, der in Großunternehmen mit mehr als 10 Mio. Euro Eigenkapital bis zu 21 Mitglieder stark sein darf. Von gewerkschaftlicher Seite wird die Ausweitung der paritätischen M. nach MonMitbestG auf Unternehmen aller Wirtschaftsbereiche gefordert, sofern es sich um Kapitalgesellschaften bestimmter Größe (Beschäftigtenzahl, Umsatz, Bilanzsumme als Kriterien) handelt.

    3. Betriebliche M.: Beteiligung der Arbeitnehmer (v.a. vertreten durch den Betriebsrat) an Entscheidungen in sozialen, personellen, ökonomischen und organisatorischen Fragen. Gesetzliche Grundlage: BetrVG.

    a) Beteiligungsrechte des Betriebsrats besteht in unterschiedlicher Intensität und hinsichtlich verschiedener Gegenstände nämlich in personellen Angelegenheiten, sozialen Angelegenheiten und wirtschaftlichen Angelegenheiten.
    (1) Informationsrechte geben dem Betriebsrat das Recht, vom Arbeitgeber umfassende Unterrichtung unter Vorlage von Unterlagen zu verlangen. Sie bilden oft die Vorstufe weit gehender Beteiligungsrechte. Am bedeutsamsten im Zusammenhang mit Einstellungen (§ 99 BetrVG), Kündigungen (§ 102 I BetrVG), Betriebsänderungen (§ 111 BetrVG). Ansonsten noch geregelt in den §§ 80, 81, 85 III, 89 IV, V, 90, 92, 100 II, 105, 106, 108 V BetrVG. Teilweise kann die Unterlassung, wahrheitswidrige, unvollständige oder verspätete Unterrichtung mit Geldbußen geahndet werden (§ 121 BetrVG). Sie kann auch vom Betriebsrat über das Arbeitsgericht nach § 23 III BetrVG erzwungen werden.
    (2) Bei den Anhörungs- und Beratungsrechten hat der Arbeitgeber den Betriebsrat anzuhören, ihm Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben und bei Beratungsrechten ihn um seine Meinung zu fragen und den Verhandlungsgegenstand mit ihm gemeinsam zu erörtern. Bedeutsam ist v.a. das Anhörungsrecht bei Kündigungen nach § 102 BetrVG, da seine Verletzung zur Unwirksamkeit der Kündigung führt. Wichtig auch das Beratungsrecht §§ 111, 112 BetrVG hinsichtlich Betriebsänderung und Interessenausgleich, da aus seiner Verletzung teilweise ein Anspruch auf Unterlassung der Betriebsänderung hergeleitet wird. Weitere Anhörungsrechte sind enthalten in §§ 82 I, 85 BetrVG, Beratungsrechte in §§ 89, 90 I, 92 I 2, 97, 106 I BetrVG.
    (3) Bei Widerspruchs- und Vetorechten darf eine Maßnahmen bei Widerspruch des Betriebsrats nicht aufrechterhalten werden, so bei Einstellungen, Ein-, Umgruppierungen und Versetzungen; bei der ordentlichen Kündigung führt der Widerspruch zu einem Weiterbeschäftigungsanspruch (Beschäftigungsanspruch). Der Widerspruch ist in allen Fällen auf bestimmte im Gesetz genannte Gründe beschränkt und ihm kann auf Antrag des Arbeitgebers vom Arbeitsgericht seine Wirkung genommen werden.
    (4) Bei der erzwingbaren Mitbestimmung und der Mitbestimmung i.e.S. hängt die Wirksamkeit der Maßnahme des Arbeitgebers von der vorherigen Zustimmung des Betriebsrats ab. Die erzwingbare Mitbestimmung besteht v.a. in sozialen Angelegenheiten (§ 87 BetrVG) und bei Betriebsänderungen hinsichtlich des Sozialplans. Der Betriebsrat kann hier auch selbst initiativ werden und Regelungen verlangen. Kommt eine Einigung nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle verbindlich. Ein Mitbestimmungsrecht i.e.S. besteht auch beim Erfordernis der vorherigen Zustimmung des Betriebsrats zur Kündigung eines seiner Mitglieder. Diese kann auf Antrag des Arbeitgebers vom Arbeitsgericht ersetzt werden.

    b) Beteiligungsrechte der einzelnen Arbeitnehmer: Das BetrVG legt in den §§ 81–86 BetrVG Individualrechte des einzelnen Arbeitnehmers gesetzlich fest. Es handelt sich um Unterrichtungs-, Anhörungs- und Erörterungsrechte in Angelegenheiten, die den einzelnen Arbeitnehmer und seinen Arbeitsplatz unmittelbar betreffen. Eine Beschwerde in ihn betreffenden Angelegenheiten kann der einzelne Arbeitnehmer entweder direkt bei der zuständigen Stelle des Betriebes (§ 84 BetrVG) oder über den Betriebsrat (§ 85 BetrVG) erheben.

    4. M. am Arbeitsplatz: Kaum Niederschlag in gesetzlichen Regelungen (Arbeitsplatzmitbestimmung).

    VI. M. am Miteigentum:

    In Einzelfällen praktiziert (Kapitalbeteiligung).

    VII. M. im öffentlichen Dienst:

    Gesondert geregelt in den Personalvertretungsgesetzen des Bundes und der Länder.

    Vgl. auch Personalrat.

    VIII. M. in den EU-Mitgliedstaaten:

    Betriebliche M. (gesetzliche oder tarifvertragliche Regelungen) relativ einheitlich geregelt; auf Unternehmensebene keine der Bundesrepublik Deutschland vergleichbare Regelung (ausgenommen Niederlande); überbetriebliche M. ist z.B. in Frankreich stärker ausgeprägt. Die gewerkschaftliche Politik einiger westeuropäischer Länder (Großbritannien, Frankreich, Italien) unterscheidet sich von der deutschen; auf Arbeiterkontrolle bzw. auf tarifvertragliche Mitbestimmung ausgerichtet.

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