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Revision von Demand-Chain-Management vom 05.07.2018 - 09:21

Demand-Chain-Management

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    Ausführliche Definition im Online-Lexikon

    Inhaltsverzeichnis

    1. Definition
    2. Weiterentwicklung des Supply-Chain-Managements (SCM)
    3. Abgrenzung von weiteren verwandten Begriffen
    4. Forschung und Lehre

    Definition

    Demand-Chain-Management (DCM) oder Demand-Supply-Chain-Management (DSCM) ist die Abstimmung der Prozesse der Kundennachfrage und Nachfrageschaffung (des Marketings) sowie der Nachfragebefriedigung (des Supply-Chain- und Logistikmanagements), um einen überlegenen Kundenwert zu schaffen und Ressourcen effizienter zu nutzen.

    DCM unterstellt, die Verschwendung von Ressourcen sei ein schwerwiegenderes Problem als die Knappheit von Ressourcen. Die Lieferkette (Supply Chain) müsse deshalb nachfrageorientiert von den Kunden ausgehend aufwärts (Demand-Pull) anstatt von den Produzenten bzw. Lieferanten die Lieferkette abwärts (Supply-Push) entworfen werden, so dass flexibel auf Kundenanforderungen reagiert werden könne und Abfälle und Rücksendungen reduziert werden könnten. So könnten Daten der Nachfrageseite in Echtzeit verarbeitet werden und Warenbewegungen auslösen. Nachfrageorientiertheit impliziert nicht, dass Unternehmen jeden Kundenwunsch erfüllen sollen. DCM kann im Gegenteil dabei helfen, die profitabelsten Kunden zu gewinnen und zu behalten.


    Die grundlegende Veränderung von Supply-Chains zu Demand-Chains wird von Marktkräften und dem Trend zur Servitization (Verknüpfung von Produkt- und Dienstleistungsangeboten) getragen und durch neue Technologien (Industrie 4.0 und Logistik 4.0) ermöglicht. Die Marktmacht und der Fokus verlagern sich stetig stromabwärts, von Produzenten und Händlern hin zu Käufern und Nutzern.


    Hauptanforderungen für die Anwendung von DCM sind dementsprechend v. a. Marktorientierung, organisatorische Kompetenzen, Zusammenarbeit von Beschaffung, Distribution und Lieferkettenmitgliedern, Informationstechnologien, Differenzierung, Innovationskraft und Reaktionsfähigkeit sowie Effizienz.


    DCM ist v. a. geeignet für Branchen mit hohem Kunden-Involvement (Involvement), hoher Customization (kundenspezifischer Produktanpassung) und hoher Servitization.

    Weiterentwicklung des Supply-Chain-Managements (SCM)

    Ältere Ansätze der Nachfrageorientierung haben häufig Lieferantenattribute im Vergleich zum SCM vernachlässigt, SCM hat oft die Nachfrageperspektive wenig beachtet. DCM versucht nun Angebot und Nachfrage aufeinander abzustimmen. Neue Herstellungsverfahren (z.B. Additive-Manufacturing) und erweiterte Informationsflüsse (Big Data) können bessere Zusammenarbeit zwischen Lieferanten, Kunden und Lieferkettenmitgliedern, höhere Effizienz (z.B. geringere Lagerbestände) und schnellere Reaktionen auf Kundenbedürfnisse ermöglichen (Leagility).
    Zur Abstimmung von Angebot und Nachfrage im Rahmen des DCM schlagen Santos und D’Antone (2014) einen dreistufigen Prozess vor:

    1) die Bedürfnisse der Kunden verstehen,

    2) handhabbare, alternative und modulare Leistungsangebote entwickeln,

    3) die betriebliche Effizienz unter Einbeziehung der Kunden steigern.


    Die Integration der Nachfrage- und Versorgungsseite ist komplex. Erfreulicherweise zeigt die Forschung auf Unternehmensebene, dass eine vollständige Integration nicht notwendig und wirtschaftlich ratsam ist aufgrund von abnehmendem Grenznutzen. Geringere Integrationsstufen erzielen bereits positive Ergebnisse.

    Abgrenzung von weiteren verwandten Begriffen

    Die Wertschöpfungskette (Value-Chain) betrachtet Einflüsse der Wertsteigerung und -senkung, z.B. auch Image und Design, welche für das DCM eine höhere Bedeutung haben als für das SCM.

    Die Logistikkette betrachtet v.a. operative physische Tätigkeiten des Transports, der Lagerung und des Umschlags innerhalb des Unternehmens und für unmittelbar vor- und nachgelagerte Geschäftspartner und kaum Geldflüsse. SCM und DCM sind umfassender, enthalten zusätzlich dispositive Tätigkeiten und streben nach der Betrachtung der gesamten Lieferkette (vom ersten Rohstofflieferanten bis zum letzten Endkunden bzw. andersherum). Dafür ist eine Verzahnung mit weiteren Unternehmensbereichen (z. B. Marketing, Finanzierung sowie Forschung und Entwicklung) und das Entwickeln und Lenken integrierter Logistikketten (Unternehmensnetzwerke inklusive Dienstleister) nötig.


    Wertschöpfungsnetzwerke (Value-Networks) verlaufen kollaborativ und nicht-linear im Gegensatz zu einer klassischen Wertschöpfungskette. Sie entstehen durch die immer größer werdende Macht der Kunden. Dabei gibt es nicht nur einen (wie bei einer Wertschöpfungskette), sondern mehrere Wege, Produkte oder Dienstleistungen an Konsumenten zu verkaufen. Konsumenten werden zunehmend nicht mehr über die traditionellen Kommunikationsplattformen (Radio, Fernseher und Zeitschriften) angesprochen, sondern z.B. über soziale Netzwerke. Dieses Omni-Channel-Management kann sich im DCM niederschlagen. DCM kann den Aufbau und das Betreiben von Wertschöpfungsnetzwerken, durch das kundenorientierte abgestimmte Planen und Steuern mehrerer Demand-Chains unterstützen.


    Customer-Relationship-Management
    (CRM), Supplier-Relationship-Management (SRM) und Supply-Chain-Relationship-Management (SCRM) befassen sich mit der Planung, Steuerung und Kontrolle der Beziehungen zu den Kunden, Lieferanten bzw. Lieferkettenpartnern. Bei all diesen Ansätzen stehen soziale Beziehungen im Vordergrund. CRM vernachlässigt Lieferantenströme, SRM externe Kunden, und SCRM über die Beziehungspflege hinausgehende Material-, Produkt-, Informations- und Geldflüsse. SCRM bildet den Beziehungsteil des SCM. DCM strebt die Integration dieser Teilbetrachtungen an, um die Nachfrage- mit der Versorgungsseite abzustimmen. Die lieferkettenweite Beziehungsebene sollte deshalb im DCM künftig stärker betrachtet werden als bisher.

    Forschung und Lehre

    Es bestehen folgende Potentiale für weitere Forschung:

    a) Grundlagen:

    (1) Theoretische Grundlagen des DCM-Ansatzes

    (2) Empirische Forschung, da die bisherige Forschung v. a. konzeptionell ist,

    (3) Situative Faktoren der Eignung von DCM über Kunden-Involvement, Servitization und Customization hinaus.


    b) Integration der Nachfrage- und Versorgungsseite:

    (1) Integration mehrerer Nachfrage- und Versorgungsabteilungen über ein Unternehmen hinaus,

    (2) Integrierte Geschäftsplanung, z. B. in nachhaltigen Lebensmittellieferketten,

    (3) Integration von Supply-Chain- und Channel-Management, z. B. Retourenmanagement im Online-Handel,

    (4) Zusammenarbeit in der Wertschöpfung von Lieferanten und Kunden (Value-Co-Creation),

    (5) Macht, Preisgestaltung und Wertverteilung, wenn Unternehmen nicht nur Waren und Dienstleistungen austauschen, sondern zusammen effizientere Prozesse entwickeln,

    (6) Funktionsübergreifende Teams,

    (7) Die Beziehungsebene im DCM,

    (8) Leagile, d. h. lean (kosteneffiziente) und agile (flexible und kundenorientierte), Supply-Chains.


    c) Gestaltung von Demand-Supply-Chains:

    (1) Leistungsorientiertes anstatt tätigkeitsorientiertes SCM,

    (2) Rolle von Beschaffung, Marketing und SCM,

    (3) Unterstützung durch Informations- und Kommunikationstechnologien,

    (4) Supply-Management als intelligentes Management von Wertschöpfung und Werterhaltung,

    (5) Einflussfaktoren der Nutzung von DCM und der Integration von Nachfrage- und Versorgungsprozessen (z. B. Ressourcen und Zahlungsbereitschaft der Kunden),

    (6) Optimaler Grad an Nachfrage- und Versorgungsintegration und Ressourcenallokation im DCM.


    Um diese Forschungspotentiale zu nutzen und die Relevanz der Lehre in diesem Bereich zu steigern, ist die Bildung interdisziplinärer Teams aus Marketing, Beschaffung und Logistik- und Supply-Chain-Management sinnvoll. Das Durchbrechen dieser funktionalen Trennung in Forschung und Lehre kann das interdisziplinäre und nachfrageorientierte Denken fördern.

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