Wissensmanagement
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Wissensmanagement beschäftigt sich mit dem Erwerb, der Entwicklung, dem Transfer, der Speicherung sowie der Nutzung von Wissen. Wissensmanagement ist weit mehr als Informationsmanagement (z.B. Beerheide/ Katenkamp 2011). Information ist die notwendige Voraussetzung zur Generierung von Wissen. Deshalb kann man Informationen wie andere Güter handeln, Wissen hingegen nicht. Information ist ein Fluss von Nachrichten und bedeutet Know-what. Wissen hingegen entsteht nicht durch eine Anhäufung von Informationen, sondern erst durch die Verknüpfung der Informationen mit bereits vorhandenem Vorwissen, d.h. Know-why. Informationen werden erst dann zu Wissen transformiert, wenn sie auf dem Hintergrund von Vorwissen interpretiert und Bestandteil der persönlich verfügbaren Handlungsschemata werden (Kogut/ Zander 1992). Deshalb kann Wissen nicht wie Informationen gekauft oder verkauft werden. Wissen muss auch jene Fähigkeiten umfassen, die Kommunikation und Interaktion erst ermöglichen, ohne dass sie jedoch explizit formuliert werden können. Dies führt zur Unterscheidung zwischen explizitem und implizitem Wissen.
Explizites Wissen ist formulierbares und reproduzierbares Wissen. Es kann ohne Schwierigkeiten durch eine formale, systematische Sprache vermittelt werden, etwa durch Wörter und Zahlen. Es kann in seiner Anwendung logisch nachvollzogen und beschrieben werden und stellt deshalb spezifisches oder methodisches Wissen dar.
Implizites Wissen hingegen hat eine persönliche Qualität, durch die es nur schwer formalisierbar und vermittelbar ist. Es ist verborgenes, nicht artikulierbares Wissen. Zudem ist es stark in den damit verknüpften Handlungen, Verpflichtungen und Mitwirkungen innerhalb eines spezifischen Kontextes begründet. M. Polanyi erklärt in seiner Theorie des impliziten Wissens menschliches Erkennen mit dem Satz, „dass wir mehr wissen, als wir zu sagen wissen” (Polanyi 1985:14).
Wissen und damit auch implizites Wissen setzt bei den subjektiven Wahrnehmungsprozessen der Individuen an. Unternehmensinterne und -externe Informationen werden von den einzelnen Organisationsmitgliedern wahrgenommen und selektiert. Der Erwerb von Wissen kommt erst durch die Interpretation dieser Informationen und die Verknüpfung mit bereits vorhandenem Vorwissen zustande.
Individuelles, explizierbares Wissen wird auch als „embrained knowledge“ bezeichnet. Es ist ein bewusstes Wissen, das von den eigenen konzeptionellen Fähigkeiten abhängt und bewusst aktiviert werden kann, z.B. fachspezifisches Wissen. Dieses Wissen kann durch Regeln, Anweisungen oder Informations- und Kommunikationstechnologien übertragen werden.
Individuelles, implizites Wissen wird auch als „embodied knowledge“ bezeichnet. Es ist ein aktionsorientiertes Wissen und resultiert im Schwerpunkt aus bereits getätigten Erfahrungen. Dazu gehören kognitive Fähigkeiten, wie mit Konzepten und Erfahrungen umzugehen ist, aber auch Fertigkeiten wie die Feinmotorik einer Zahnärztin oder die Fähigkeit, auf einem Seil tanzen zu können. Die Übertragung dieses Wissens setzt intensive Interaktionsprozesse voraus und kann nicht durch Weisungen angeordnet oder durch den Preismechanismus gesteuert werden.
Allerdings stellt die Summe des expliziten und impliziten Wissens, über das die einzelnen Organisationsmitglieder verfügen, per se noch kein organisatorisches Wissen dar. Organisatorisches Wissen entsteht erst aus der koordinierten Zusammenarbeit der Organisationsmitglieder. Die Einbettung der individuellen Kenntnisse und Wissensbestände in spezifische „organisatorische Settings“ ist Voraussetzung, um aus dem Wissen der einzelnen Organisationsmitglieder organisatorisches Wissen zu entwickeln (z.B. Hecker 2012; Nonaka 1994). Dieses kollektive Wissen kann ebenfalls explizit oder implizit ausgeprägt sein.
Explizites, kollektives Wissen wird als „encoded knowledge“ bezeichnet. Dieses Wissen besteht in Unternehmen in Form von Regeln und Verfahrensrichtlinien, die in einem Unternehmen zur Anwendung kommen. Ihren Ausdruck finden sie bspw. in organisationalen Leitbildern, Organigrammen, Führungsgrundsätzen oder in vom Unternehmen verfolgten strategischen Konzepten. Dieses Wissen ist dokumentierbar.
Implizites, kollektives Wissen wird als „embedded knowledge“ bezeichnet. Es kommt in Unternehmen vor allem in Form von organisationalen Routinen sowie von den Organisationsmitgliedern geteilten „mentalen Modellen“ vor. Damit sind die von den Organisationsmitgliedern implizit verwendeten Handlungs- bzw. Alltagstheorien gemeint.
Individuelle und kollektive, organisatorische Wissensarten (Quelle: Lam 2000:491ff.; vgl. auch Blackler 1995)
Heutzutage gilt in Unternehmen insbesondere implizites Wissen als Quelle nachhaltig verteidigungsfähiger Wettbewerbsvorteile (z.B. Eisenhardt/ Santos 2002). Es ist besonders schwer imitierbar, falls es gelingt, dieses Wissen in Wissensmanagementprozessen organisatorisch zu verankern. Dazu reicht eine Anhäufung und Speicherung von vielen Informationen oder die Beschäftigung von Mitarbeitenden mit Spezialistenwissen nicht aus. Individuelles, implizites Wissen ist zwar Grundlage des Wissensmanagements, stellt jedoch für sich genommen noch keinen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil für Unternehmen dar, weil einzelne Wissensträger abgeworben werden können. Zwar lassen sie in diesem Fall große Teile ihres expliziten Wissens in Form von Aufzeichnungen zurück. Ihr implizites individuelles Wissen geht dem Unternehmen aber verloren.
Die japanischen Organisationswissenschaftler Nonaka und Takeuchi (1995) haben mit der so genannten „Wissensspirale” das bekannteste Modell des Wissensmanagements entwickelt. Im Kern geht es darum, dass erst der kontinuierliche Austausch zwischen explizitem und implizitem Wissen die Voraussetzung für die Generierung und Übertragung von organisatorischem Wissen bildet. Auf diese Weise kann implizites Wissen organisationsweit ausgebreitet und zugleich ständig angereichert werden. Damit organisatorisches Wissen kreiert werden kann, muss das individuelle implizite Wissen der Organisationsmitglieder einen dynamischen Übertragungsprozess durchlaufen. Dazu werden explizites und implizites Wissen zu vier verschiedenen Formen der Wissensübertragung kombiniert: Sozialisation, Externalisierung, Kombination und Internalisierung.
Die Externalisierung verwandelt implizites Wissen in explizites. Allerdings ist diese Umwandlung immer nur teilweise möglich. Voraussetzung für die Externalisierung von implizitem Wissen ist intensive persönliche Kommunikation, z.B. in Qualitätszirkeln oder interdisziplinären Teams. Mithilfe von Analogien und Metaphern versuchen die Teilnehmenden, sich ihr implizites Erfahrungswissen wechselseitig zugänglich zu machen.
Die Kombination führt unterschiedliches explizites Wissen zusammen. Da die Kombination von Wissen nicht an „Face-to-Face”-Kontakte gebunden ist, kann es informationstechnisch unterstützt werden. Die herkömmlichen Informationstechnologien beschäftigen sich ausschließlich mit dieser Form der Wissensübertragung. Sie berücksichtigen damit nur einen kleinen Teil des relevanten Wissens.
Mit der Internalisierung wird explizites Wissen (teilweise) wieder in implizites Wissen verwandelt, allerdings in einer angereicherten, komplexeren Form. Dies geschieht, indem Individuen oder Gruppen Handlungsroutinen erlernen, die vorher explizit ausformuliert waren. Die sichere Beherrschung von Routinen ermöglicht, dass komplexe Tätigkeiten „wie im Schlaf” ausgeführt werden. Sie erfordern nur noch eine reduzierte Aufmerksamkeit.
Je häufiger die Wissensspirale durchlaufen wird, desto komplexer wird das organisatorische Wissen, verkörpert in organisatorischen Routinen und Regeln. Diese stehen dem Unternehmen selbst dann noch zur Verfügung, wenn einzelne Wissensträger das Unternehmen verlassen. Personen können immer nur ihr individuelles implizites Wissen mitnehmen, nicht aber das kollektive, aufeinander abgestimmte Regel- und Routinewissen (z.B. Spender 1996; Nonaka / Takeuchi 1995). Danach gelingt einem Unternehmen ein erfolgreiches Wissensmanagement, wenn
- nicht nur Wissen miteinander kombiniert, sondern auch in Sozialisations-, Externalisierungs- und Internalisierungsprozessen übertragen wird;
- das (explizite und implizite) Wissen in der Organisation bleibt, auch wenn Individuen diese verlassen, weil es in formalen und informalen Regeln und Routinen gespeichert ist und
- wenn das in der Organisation verfügbare Wissen die Kapazität von Einzelköpfen übersteigt, d.h. individuelles Wissen zu kollektivem Wissen erweitert wird. Dies stellt sicher, dass der Nutzen der Arbeitsteilung fruchtbar gemacht werden kann, d.h. nicht jedes Organisationsmitglied alles wissen muss.