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Abwicklung
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Das Original: Gabler Wirtschaftslexikon
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Inhaltsverzeichnis
Liquidation.
Allgemeines
Die Abwicklung soll nach Auflösung einer Handelsgesellschaft die persönlichen und vermögensrechtlichen Bindungen der Gesellschafter lösen, um so die Vollbeendigung einer Gesellschaft herbeizuführen. In rechtlicher Hinsicht setzt die Abwicklung einer Gesellschaft ihre Auflösung voraus. In wirtschaftlicher Hinsicht bleibt die Gesellschaft bestehen, jedoch in Änderung ihres Gegenstandes nunmehr zum Zweck der Abwicklung. Die Auflösung kann auf einem Gesellschafterbeschluss, im Zeitablauf, in Personenhandelsgesellschaften auf dem Tod eines vollhaftenden Gesellschafters, der Insolvenz der Gesellschaft oder Insolvenz über das Vermögen eines Gesellschafters beruhen, soweit der Gesellschaftsvertrag nichts Abweichendes bestimmt. Denkbar ist auch eine Abwicklung des Geschäftes eines Einzelkaufmanns; hier werden aber nur die geschäftlichen Beziehungen zu Dritten abgewickelt; das Unternehmen als solches hört bereits vor der Abwicklung auf zu bestehen.
Personengesellschaften
1. Die Abwicklung nach §§ 145 ff. HGB erfolgt lediglich im Interesse der Gesellschafter. Es bestehen keine Gläubigerschutzvorschriften, weil der Gesellschafter einer Personengesellschaft - soweit nicht Kommanditist - den Gläubigern persönlich und meist unbeschränkt haftet. Jeder Gesellschafter hat Anspruch auf Durchführung der Abwicklung, den er notfalls im Wege der Klage durchsetzen kann.
2. In Ausnahmefällen unterbleibt eine Abwicklung:
(1) wenn sie gegenstandslos ist, z.B. weil kein Aktivvermögen vorhanden ist;
(2) wenn über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet ist;
(3) durch Vereinbarung der Gesellschafter über eine andere Art der Auseinandersetzung. Diese kann nicht gänzlich wegfallen, wohl aber zeitlich hinausgeschoben werden, z.B. um einen günstigeren Preis für den Verkauf des Unternehmens zu erzielen.
3. Die Abwicklung erfolgt außergerichtlich, wobei die Gesellschaft mit ihrer Abwicklungsfirma bestehen bleibt und lediglich ihr Zweck geändert wird. Wird das Geschäft mit der Firma noch vor Beendigung der Abwicklung veräußert, so muss die Abwicklungsgesellschaft eine neue Firma annehmen, wenn dies für die Durchführung der Abwicklung, bes. für den Verkehr mit Dritten, erforderlich ist. Hierzu ist regelmäßig die Mitwirkung aller Gesellschafter notwendig.
4. Die Abwicklung erfolgt durch alle Gesellschafter als Abwickler.
5. Durch die Abwicklung werden Verträge, die zwischen der Gesellschaft und Dritten geschlossen wurden, grundsätzlich nicht berührt. Die Abwicklung kann aber ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung sein.
6. Beendigung der Abwicklung erst, wenn die laufenden Geschäfte erledigt, die Forderungen eingezogen, sämtliches Vermögen in Geld umgesetzt, die Gläubiger befriedigt sind und das übrige Gesellschaftsvermögen unter die Gesellschafter verteilt oder aber kein verteilbares Vermögen mehr vorhanden ist.
a) Nach Beendigung der Abwicklung ist das Erlöschen der Firma zum Handelsregister anzumelden.
b) Die Aufbewahrungspflicht für Geschäftsbücher und -papiere der Gesellschaft ist gesetzlich auch für die Zeit nach der Vollbeendigung vorgeschrieben. Sie kann einem Gesellschafter oder einem Dritten auferlegt werden. Jedem Gesellschafter und dessen Erben steht ein Recht auf Einsicht und Benutzung der Bücher und Papiere zu. Die Berechtigten können sich Abschriften anfertigen.
Kapitalgesellschaften
1. AG oder KGaA: Abwicklung findet nach Auflösung statt, wenn nicht Insolvenz über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet ist (§§ 264–274 AktG).
a) Die Abwickler haben die Gläubiger unter Hinweis auf die Abwicklung der Gesellschaft durch dreimalige Bekanntmachung in den Gesellschaftsblättern aufzufordern, ihre Ansprüche anzumelden; weitere Aufgaben vgl. Abwickler.
b) Bilanzierung: Die Abwickler haben für den Beginn der Abwicklung eine Eröffnungsbilanz sowie für den Schluss eines jeden Jahres einen Jahresabschluss und einen Lagebericht aufzustellen (§ 270 AktG). Die Vorschriften über den Jahresabschluss (§§ 242–256a, 264–289 HGB) sind anzuwenden. Vermögensgegenstände des Anlagevermögens sind jedoch wie Umlaufvermögen zu bewerten, soweit sie nicht mehr dem Geschäftsbetrieb dienen oder ihre Veräußerung innerhalb eines übersehbaren Zeitraums beabsichtigt ist. Das Gericht kann von der Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichts durch einen Abschlussprüfer befreien, wenn die Verhältnisse der Gesellschaft so überschaubar sind, dass eine Prüfung im Interesse der Gläubiger und Aktionäre nicht geboten erscheint.
c) Nach Ablauf eines Sperrjahres seit der letzten Aufforderung der Gläubiger kann das Restvermögen unter die Aktionäre verteilt werden.
d) Solange noch nicht mit der Verteilung des Vermögens unter die Aktionäre begonnen worden ist, kann die Hauptversammlung die Fortsetzung der Gesellschaft beschließen (§ 274 AktG).
e) Der Schluss der Abwicklung ist auf Anmeldung der Abwickler im Handelsregister einzutragen; die Gesellschaft ist zu löschen.
2. GmbH: Für die Abwicklung der GmbH gelten entsprechende Vorschriften (§§ 60–77 GmbHG); das verbleibende Vermögen der Gesellschaft wird, falls der Gesellschaftsvertrag keine abweichende Regelung vorsieht, unter die Gesellschafter nach dem Verhältnis ihrer Geschäftsanteile verteilt (§ 72 GmbHG).
Genossenschaft
Der Überschuss wird, soweit nicht die Satzung die Verteilung ausschließt oder anders regelt, bis zur Höhe und zum Gesamtbetrag der Geschäftsguthaben i.d.R. anteilig nach diesen, ein darüber hinausgehender Betrag nach Köpfen verteilt.
Einzelheiten: §§ 78–97 GenG.
Steuerliche Folgen
1. Einkommen-/Körperschaftsteuer: a) Einzelunternehmen und Personengesellschaften: Es ist zu unterscheiden zwischen Betriebsabwicklung, d.h. allmählicher Veräußerung der zum Betrieb gehörenden Wirtschaftsgüter, und Betriebsaufgabe. In beiden Fällen unterliegen Veräußerungs- oder Entnahmeerfolge der Einkommensteuer. Bei der Betriebsabwicklung finden die normalen Besteuerungsregelungen unverändert Anwendung, die Entnahme der Liquidationserlöse durch den Einzelunternehmer oder die Gesellschafter einer Personengesellschaft sind Entnahmen. Bei Betriebsaufgabe sind dagegen unter bestimmten Umständen Vergünstigungen denkbar, u.a. ein Freibetrag und Maßnahmen zur Glättung von Progressionssprüngen, die aus der geballten Auflösung stiller Reserven in einem einzelnen Jahr resultieren könnten (Betriebsaufgabe).
b) Kapitalgesellschaften:
(1) Auf der Ebene der Gesellschaft unterliegen die Gewinne aus der Abwicklung der Körperschaftsteuer. Der Gewinn wird bei der Abwicklung von unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaften nicht mehr für jedes Wirtschaftsjahr ermittelt, sondern für den gesamten Zeitraum der Abwicklung (§ 11 KStG), um Gewinne und Verluste aus der Abwicklung besser miteinander zu verrechnen. Infolge dieser Regelung wird der gesamte Gewinn aus der Abwicklung insgesamt erst versteuert, wenn der Abwicklungszeitraum beendet ist. Ausnahmen sind möglich, wenn die Abwicklung mehr als drei Jahre in Anspruch nimmt.
(2) Auf der Ebene der Gesellschafter stellen die empfangenen Liquidationsraten Dividenden dar, soweit es sich nicht um die Rückzahlung von Einlagen handelt (steuerliches Einlagekonto). Dabei unterscheidet sich die Behandlung danach, ob der Gesellschafter die Anteile im Betriebs- oder Privatvermögen hält:
(a) Hält der Gesellschafter die Anteile im Privatvermögen, so stellen die als Dividenden eingestuften Zahlungen reguläre Einkünfte aus Kapitalvermögen dar (§ 17 EStG; Halbeinkünfteverfahren bis Ende 2008). Ab dem Veranlagungszeitraum 2009 unterliegen Dividenden und Veräußerungsgewinne der sog. Abgeltungsteuer mit einem einheitlichen Steuersatz von 25 Prozent. Auf die Besitzzeit kommt es dabei nicht an. Veräußerungsverluste können nur mit Gewinnen aus Aktienverkäufen im selben Jahr oder in einem Folgejahr verrechnet werden. Als Kapitalrückzahlung eingestufte Beträge werden so behandelt, als ob der Gesellschafter seine Beteiligung veräußert hätte. Diese sind steuerlich nur relevant, wenn der Gesellschafter eine wesentliche Beteiligung hält (§ 17 EStG). Die als Kapitalrückzahlung eingestuften Beträge werden nach den Grundsätzen des Halbeinkünfteverfahrens zur Hälfte (bis einschließlich 2008) besteuert. Ab 2009 wird das Halbeinkünfteverfahren durch das Teileinkünfteverfahren ersetzt. Damit unterliegen 60 Prozent des Gewinns der Steuerpflicht (§ 52 XXXIVa S. 1 HS 2 EStG).
(b) Hält der Gesellschafter die Beteiligung in einem Betriebsvermögen, so stellen die Liquidationsraten Betriebseinnahmen dar, welche wiederum unter Berücksichtigung des Teileinkünfteverfahrens zu versteuern sind. Verlieren im Zuge der Ausschüttungen die bilanzierten Anteilsrechte an der Gesellschaft an Wert, so sind diese entsprechend abzuschreiben. Der Aufwand hieraus steht den Liquidationsraten als Betriebsausgabe gegenüber.
2. Gewerbesteuer: a) Die Steuerpflicht erlischt mit Ende der Abwicklung, Abwicklungsgewinne unterliegen bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften nicht der Gewerbesteuer (§ 4 I GewStDV).
b) Kapitalgesellschaften unterliegen aufgrund ihrer Rechtsform der Gewerbesteuer. Die Steuerpflicht bleibt bestehen, wenn die Gesellschaft ihren Betrieb eingestellt hat und sich in Abwicklung befindet. Bei der Abwicklung von Kapitalgesellschaften gilt die Regelung, dass der Gewinn nicht mehr für einzelne Wirtschaftsjahre, sondern für den gesamten Abwicklungszeitraum ermittelt wird analog; dieser Gewinn ist - zur Feststellung der anzuwendenden Hebesätze - auf die Jahre des Abwicklungszeitraums zu verteilen (§ 16 I GewStDV).
c) Liegt eine Personengesellschaft vor, unter deren Gesellschafter (auch) Kapitalgesellschaften sind, sind nach § 7 GewStG die auf Kapitalgesellschaften entfallendenen Gewinnanteile aus der Abwicklung weiterhin der Gewerbesteuer unterworfen, die auf natürliche Personen entfallenden Anteile nicht.
3. Umsatzsteuer: Das Unternehmen bleibt im umsatzsteuerlichen Sinn bestehen, solange die Abwicklung andauert, da die Umsätze aus der Abwicklung zur unternehmerischen Tätigkeit gehören. Wird der Betrieb oder ein Teilbetrieb im Ganzen verkauft, dann ist dieser Vorgang in Deutschland und einigen anderen EU-Mitgliedsstaaten von der Steuerbarkeit ausgenommen (Sondervorschrift in § 1 Ia UStG; Geschäftsveräußerung im Ganzen), wenn die Veräußerung an einen anderen Unternehmer für sein Unternehmen erfolgt. Dadurch soll vermieden werden, dass enorme Umsatzsteuerbeträge für die Gesamtveräußerung entrichtet und sofort wieder beim Käufer als Vorsteuer erstattet werden müssen.
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