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Finanzgerichtsbarkeit

Definition: Was ist "Finanzgerichtsbarkeit"?

Zweig des staatlichen Rechtsschutzsystems, geregelt durch die Finanzgerichtsordnung (FGO) vom 6.10.1965 m.spät.Änd. Die Finanzgerichtsbarkeit wird ausgeübt durch unabhängige, von den Verwaltungsbehörden getrennte, bes. Verwaltungsgerichte. In den Ländern bestehen Finanzgerichte, beim Bund der Bundesfinanzhof (BFH).

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    Ausführliche Definition im Online-Lexikon

    1. Begriff: Zweig des staatlichen Rechtsschutzsystems, geregelt durch die Finanzgerichtsordnung (FGO) vom 6.10.1965 m.spät.Änd. Die Finanzgerichtsbarkeit wird ausgeübt durch unabhängige, von den Verwaltungsbehörden getrennte, bes. Verwaltungsgerichte. In den Ländern bestehen Finanzgerichte, beim Bund der Bundesfinanzhof (BFH); vgl. § 2 FGO.

    Die Finanzgerichte sind sachlich zuständig für alle Streitigkeiten, für die der Finanzrechtsweg gegeben ist. In erster Instanz entscheiden grundsätzlich die Finanzgerichte, ausnahmsweise der Bundesfinanzhof; in zweiter und letzter Instanz entscheidet stets der Bundesfinanzhof.

    2. Klagearten: a) Anfechtungsklage, gerichtet auf die Aufhebung, in den Fällen des § 100 II FGO auf die Änderung eines Verwaltungsaktes (§ 40 I FGO).

    b) Verpflichtungsklage, gerichtet auf die Verurteilung zum Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts oder zu einer anderen Leistung (§ 40 I FGO).

    c) Feststellungsklage, gerichtet auf die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (§ 41 FGO).

    3. Vorverfahren: Soweit das Gesetz einen außergerichtlichen Rechtsbehelf (Beschwerde, Einspruch) vorsieht, ist die Klage i.d.R. nur zulässig, wenn das Vorverfahren erfolglos geblieben ist (§ 44 I FGO). Ausnahmsweise ist die Klage unmittelbar zulässig:
    (1) in den Fällen des § 348 AO oder wenn die Behörde zustimmt (Sprungklage; § 45 I FGO);
    (2) wenn über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist (Untätigkeitsklage; § 46 FGO).

    4. Gerichtliches Verfahren: a) Die Klage ist grundsätzlich nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts oder einer anderen Leistung in seinen Rechten verletzt zu sein (§ 40 II FGO). Eine Popularklage ist unzulässig.

    b) Die Klage ist grundsätzlich innerhalb der Klagefrist von einem Monat (§ 47 FGO) schriftlich oder zur Niederschrift bei Gericht zu erheben. Sie ist gegen die Behörde zu richten, die den ursprünglichen Verwaltungsakt erlassen, den beantragten Verwaltungsakt oder die andere Leistung unterlassen oder abgelehnt hat (§ 63 FGO) und muss den Kläger, den Beklagten und den Streitgegenstand, bei Anfechtungsklage auch den angefochtenen Verwaltungsakt oder die angefochtene Entscheidung bezeichnen (§ 65 FGO). Sie soll einen Antrag enthalten.

    c) Mit der Klageerhebung tritt Rechtshängigkeit ein; der Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts wird dadurch nicht gehemmt. Der Kläger kann jedoch Aussetzung der Vollziehung beantragen (§ 69 FGO).

    d) Am Verfahren sind Kläger, Beklagte, Beigeladene und die Behörde, die dem Verfahren beigetreten ist (Beitritt), beteiligt (§ 57 FGO). Die Beteiligten können sich durch Bevollmächtigte vertreten lassen und sich in der mündlichen Verhandlung eines Beistandes bedienen (§ 62 FGO). Vor dem Bundesfinanzhof besteht Vertretungszwang (Art. 1 Nr. 1 Gesetz zur Entlastung des Bundesfinanzhofs, BGBl. 1975 I 1861).

    e) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen. Die Beteiligten sind zur Wahrheit verpflichtet, sie sollen zur Vorbereitung Schriftsätze einreichen. Das Gericht kann das persönliche Erscheinen eines Beteiligten anordnen; es erhebt in der mündlichen Verhandlung den Beweis vorbehaltlich der §§ 83–89 FGO, durch die allg. Beweismittel der ZPO. Die Beteiligten haben das Recht auf Akteneinsicht. Finanzbehörden sind zur Vorlage von Akten und Urkunden und zu Auskünften verpflichtet, soweit nicht das Steuergeheimnis eingreift oder aus anderen Gründen ein Bedürfnis nach Geheimhaltung besteht (§ 86 FGO).

    f) Das Gericht entscheidet aufgrund mündlicher Verhandlung durch Urteil, mit Einverständnis der Beteiligten auch ohne mündliche Verhandlung. – Weitere Ausnahme: Vorbescheid. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen (Verbot der Verböserung).

    Vgl. auch Grundurteil, Rechtskraft.

    g) Vor der Entscheidung kann einstweilige Anordnung ergehen.

    5. Rechtsmittel: Gegen Urteile der Finanzgerichte Revision, sonst weitgehend Beschwerde.

    Vgl. auch Wiederaufnahme des Verfahrens.

    6. Verfahrenskosten: Trägt grundsätzlich der unterliegende Beteiligte (§ 135 FGO). Die Regelung entspricht der für den Zivilprozess (Kostenentscheidung, Kostenfestsetzung, Kostenfestsetzungsbeschluss, Prozesskosten, Prozesskostenhilfe). Die vom Gericht des ersten Rechtszugs angesetzten Gebühren und Auslagen des Gerichts werden vom Finanzamt erhoben.

    7. Vollstreckung: Vollstreckungsbehörden sind die Finanzämter. Soll zugunsten des Bundes, eines Landes, eines Gemeindeverbandes, einer Gemeinde oder einer Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts als Abgabenberechtigte vollstreckt werden, richtet sich die Vollstreckung nach der AO (§ 150 FGO).

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