Separatismus in der EU
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Nicht neu, aber immer eine drohende Gefahr für den Zusammenhalt der Europäischen Union (EU), vgl. Krise der Europäischen Union. Flammte im Herbst 2017 durch die Bestrebungen der separatistischen Regionalregierung in Katalonien auf, eine Abspaltung von Spanien voranzutreiben. Am 1.10.2017 wurde gegen der Anordnung des spanischen Verfassungsgericht sein Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien abgehalten, in welchem 90 % für eine Unabhängigkeit stimmten, wobei nur 42,3 % der Wahlberechtigten am Referendum teilgenommen hatten. Am 27.10.2017 stimmte das katalanische Parlament mit 70 zu 10 Stimmen (in Abwesenheit der protestierenden katalanischen Opposition) für eine Unabhängigkeit. Die Krise mündete in der Absetzung der katalanischen Regionalregierung am 28.10.2017 durch die Anwendung des Art. 155 der spanischen Verfassung. Die Zentralregierung in Madrid hatte dadurch die Regierungsgeschäfte in Barcelona übernommen und ordnete Neuwahlen für den 21.12.2017 an. Die Staatsanwaltschaft in Madrid klagte in der Folge die Regierungsmitglieder der abgesetzten katalanischen Regierung wegen der Auflehnung gegen die Staatsgewalt und Rebellion an und nahm acht abgesetzte Regionalregierungsmitglieder in Untersuchungshaft. Fünf weitere Mitglieder, darunter der abgesetzte Präsident des katalanischen Regionalparlaments, setzten sich nach Belgien ab. In Madrid wurden für sie EU-Haftbefehle beantragt und ausgestellt, die katalanischen Politiker stellten sich in Brüssel. Im Frühjahr 2018 wurde ein neuer Regionalpräsident in Katalonien gewählt, da der bisherige in Deutschland im Exil lebt (und zunächst nicht ausgeliefert worden ist). Im Juli 2018 wurde der europäische Haftbefehl gegen den ehemaligen katalanischen Regionalpräsidenten fallen gelassen (Belgien und Deutschland müssen ihn daher nicht mehr an Spanien ausliefern). Mit der Vereidigung der neuen katalanischen Regierung am 2.6.2018 endete die Zentralverwaltung der katalanischen Region. Am 1.6.2018 wurden der spanische Ministerpräsident Rajoy und seine Regierung auch mit Stimmen der im Madrider Parlament versammelten katalanischen Separatisten durch ein Misstrauensvotum gestürzt (das allerdings v.a. auf eine Korruptionsaffäre gestützt gewesen ist). Die neue sozialistische Minderheitsregierung kündigte Verhandlungen mit den katalanischen Separatisten und Diskussionen um eine Verfassungsreform und die Schaffung eines föderalstaatlichen Spanien an. Im September 2020 wurde der nachfolgende katalonische Regionalpräsident Quim Torra endgültig für 18 Monate von der Zentralregierung abgesetzt (höchstrichterlich bestätigt), weil er in der Parlamentswahl 2019 an öffentlichen Gebäuden die Zeichen der Unabhängigkeitsbewegung nicht entfernt hatte - danach kam es zu öffentlichen Ausschreitungen.
Separatistische Bestrebungen in anderen Mitgliedstaaten: Separatistische Bestrebungen gibt es auch in Frankreich (Baskenland, Korsika), Italien (Südtirol, Lombardei, Veneto), Belgien (Flamen), dem UK (Schottland mit erfolgloser Volksabstimmung am 18.9.2014 und Forderungen für eine neue Volksabstimmung - zuletzt im Januar 2021 nach dem endgültigen Vollzug des Brexit) und anderen Mitgliedstaaten.
Verhalten der EU: Die EU als Union von Nationalstaaten betrachtet diese Bedrohung jeweils als innerstaatliche Angelegenheit eines Mitgliedstaats und mischt sich nicht ein. Im Fall einer Abspaltung ist der neue Staat nicht mehr Mitglied der EU. Eine Aufnahme in die EU erscheint nicht wahrscheinlich, weil alle anderen Mitgliedstaaten zustimmen müssten und selbst Abspaltungen befürchten.
Mögliche Unabhängigkeit Schottlands: Eine andere Situation könnte sich im Falle des Brexit für Schottland ergeben, da Schottland gegen den Mehrheitswillen zum Austritt aus der EU gezwungen würde und als eigenständige Nation den Beitritt beantragen könnte (im Gegensatz zu Katalonien war Schottland bis 1707 ein eigenständiges Königreich bis zur Union mit dem Königreich England zu Großbritannien). Das UK wäre dann kein EU-Mitgliedstaat mehr und könnte eine Aufnahme Schottlands nicht verhindern, sicher wäre allerdings eine Aufnahme in die EU nicht und der Aufnahmeprozess würde Jahre dauern. Im Mai 2018 demonstrierten etwa 35.000 schottische Separatisten für eine Unabhängigkeit in Glasgow. Mit Vollzug des Brexit am 31.1.2020 bekräftigten das Schottische Parlament und First Minister Nicola Sturgeon den Willen zu einem zweiten Unabhängigkeitsreferendum - entsprechende Gesetzgebung wurde auf den Weg gebracht. Das UK weist diese Forderung nachdrücklich zurück.