Direkt zum Inhalt

Rückgewinnungswirtschaft

Definition: Was ist "Rückgewinnungswirtschaft"?

Unter Rückgewinnungswirtschaft verstehen wir die Gesamtheit der wirtschaftlichen Betätigungen zur Rückgewinnung der Stoffe, die im umfassenden Sinne (Herstellung, Energie, Dienstleistungen, Hilfsprozesse), einschließlich natürlicher Ressourcen wie Wasser, Boden, Luft im Prozess der Wertschöpfung in die Produkte eingehen bzw. für deren Herstellung zwingend erforderlich sind. Die Rückgewinnung erfolgt im Regelfall in dafür spezialisierten Unternehmen. In ihrer Gesamtheit und im Ergebnis eines Transformationsprozesses ist das die Rückgewinnungswirtschaft. Zu ihr gehören auch die Prozessstufen Sammlung, Transport und Sortierung der Wert- und Reststoffe.

Der neue Begriff Rückgewinnungswirtschaft bildet die Gesamtheit und auch die neue Qualität der wirtschaftlichen Betätigung ab. Diese neue Qualität besteht darin, dass die weitestgehende Rückgewinnung die zentrale Prämisse für alle Verwertungsaktivitäten ist. Der Begriff ist im Sinne einer Zielprojektion dynamisch. Denn die damit verbundene Neukonstituierung vollzieht sich als Transformation der bisherigen Abfall- oder auch Entsorgungswirtschaft zur Rückgewinnungswirtschaft. Diese wiederum ist integraler Teil der Kreislaufwirtschaft. Auch für diese ist die weitestgehende Rückgewinnung im Sinne stofflicher Kreisläufe oberste Maxime.

Beide Begriffe dürfen nicht als Synonyme verwendet werden.

Die mit der Herstellung von Produkten und dem Erbringen von Leistungen befassten Branchen müssen in ständiger Interaktion mit der Rückgewinnungswirtschaft sicherstellen, dass die Rückgewinnung der eingesetzten Stoffe (in erster Linie nach Beendigung des Produktzyklus) technologisch und naturwissenschaftlich auch tatsächlich möglich ist. Neben der technologischen besteht auch die ökonomische Verantwortung. Denn im Sinne der Definition von Kreislaufwirtschaft und dem dort entwickelten erweiterten Verursacherprinzip sollen die Hersteller die Kosten für die Rückgewinnung ganz oder weitgehend tragen. Diese wären damit kalkulatorischer Bestandteil der Produktkosten.

Geprüftes Wissen

GEPRÜFTES WISSEN
Über 200 Experten aus Wissenschaft und Praxis.
Mehr als 25.000 Stichwörter kostenlos Online.
Das Original: Gabler Wirtschaftslexikon

zuletzt besuchte Definitionen...

    Ausführliche Definition im Online-Lexikon

    Inhaltsverzeichnis

    1. Kurzerklärung
    2. Zum Erfordernis der neuen Begrifflichkeit im Kontext mit den sich gravierend verändernden Rahmenbedingungen und in Relation zu den Termini Abfallwirtschaft, Entsorgung und Recycling
    3. Langerklärung Rückgewinnungswirtschaft und deren Interaktion mit der originären Herstellung von Produkten und der Realisierung von Leistungen
    4. Zum Status quo der Abfall- bzw. Entsorgungswirtschaft in Deutschland vor der Transformation in die Rückgewinnungswirtschaft
    5. Transformationserfordernisse für die Rückgewinnungswirtschaft mit den Schwerpunkten zeitliche, qualitative und quantitative Standards und Ausnahmesachverhalte
    6. Grundsätzliche und konkrete Schritte zur Implementierung des Begriffs
    7. Perspektiven

    Kurzerklärung

    Unter Rückgewinnungswirtschaft verstehen wir die Gesamtheit der wirtschaftlichen Betätigungen zur Rückgewinnung der Stoffe, die im umfassenden Sinne (Herstellung, Energie, Dienstleistungen, Hilfsprozesse), einschließlich natürlicher Ressourcen wie Wasser, Boden, Luft im Prozess der Wertschöpfung in die Produkte eingehen bzw. für deren Herstellung zwingend erforderlich sind. Die Rückgewinnung erfolgt im Regelfall in dafür spezialisierten Unternehmen. In ihrer Gesamtheit und im Ergebnis eines Transformationsprozesses ist das die Rückgewinnungswirtschaft. Zu ihr gehören auch die Prozessstufen Sammlung, Transport und Sortierung der Wert- und Reststoffe.

    Der neue Begriff Rückgewinnungswirtschaft bildet die Gesamtheit und auch die neue Qualität der wirtschaftlichen Betätigung ab. Diese neue Qualität besteht darin, dass die weitestgehende Rückgewinnung die zentrale Prämisse für alle Verwertungsaktivitäten ist. Der Begriff ist im Sinne einer Zielprojektion dynamisch. Denn die damit verbundene Neukonstituierung vollzieht sich als Transformation der bisherigen Abfall- oder auch Entsorgungswirtschaft zur Rückgewinnungswirtschaft. Diese wiederum ist integraler Teil der Kreislaufwirtschaft. Auch für diese ist die weitestgehende Rückgewinnung im Sinne stofflicher Kreisläufe oberste Maxime.

    Beide Begriffe dürfen nicht als Synonyme verwendet werden.

    Die mit der Herstellung von Produkten und dem Erbringen von Leistungen befassten Branchen müssen in ständiger Interaktion mit der Rückgewinnungswirtschaft sicherstellen, dass die Rückgewinnung der eingesetzten Stoffe (in erster Linie nach Beendigung des Produktzyklus) technologisch und naturwissenschaftlich auch tatsächlich möglich ist. Neben der technologischen besteht auch die ökonomische Verantwortung. Denn im Sinne der Definition von Kreislaufwirtschaft und dem dort entwickelten erweiterten Verursacherprinzip sollen die Hersteller die Kosten für die Rückgewinnung ganz oder weitgehend tragen. Diese wären damit kalkulatorischer Bestandteil der Produktkosten.

    Zum Erfordernis der neuen Begrifflichkeit im Kontext mit den sich gravierend verändernden Rahmenbedingungen und in Relation zu den Termini Abfallwirtschaft, Entsorgung und Recycling

    Auf wissenschaftlicher, gesetzgeberischer und umgangssprachlicher Ebene werden für die inhaltliche Abbildung der derzeitigen Verwertungs- und Abfallbranche die Begriffe Abfall-, Entsorgungs-, Recycling- und Kreislaufwirtschaft semantisch unscharf und oft auch synonym verwendet. Zudem spiegeln diese Termini nicht wieder, dass für diese Branche mit Bezug auf die Anforderungen der neuen Definition Kreislaufwirtschaft die weitestgehende Rückgewinnung der Stoffe im Zentrum steht. Aus diesem Erfordernis leitet sich der neue Begriff Rückgewinnungswirtschaft direkt ab.

    Für die Notwendigkeit der neuen Begrifflichkeit stehen folgende Aspekte:

    Erstens:
    Das Erfordernis zur weitestgehenden Rückgewinnung ergibt sich erstens aus der objektiven Begrenztheit der irdischen Ressourcen und zweitens aus der Tatsache, dass deren tatsächliche Nutzung diese Limitierung seit Beginn der industriellen Revolution um 1800 dauerhaft negiert. Dafür steht unter anderem der sogenannte Erdüberlastungstag (Earth Overshoot Day). Das ist das Datum in einem Kalenderjahr, an dem der Verbrauch irdischer Ressourcen die Kapazität der Erde zu deren Reproduktion übersteigt. 2023 war das weltweit am 2. August der Fall, in Deutschland bereits am 4. Mai. Für den Ressourcenverbrauch in Deutschland müssten theoretisch drei Erden verfügbar sein; für den in den USA sogar 5,1 (Stand 2023 -  https://overshoot.footprintnetwork.org/).
    Wegen dieses ökonomischen Agierens unter massiver Missachtung der objektiven Begrenztheit der irdischen Ressourcen und der damit verbundenen massiven globalen Gefährdungen aller Ökosysteme ist die Vernichtung des irdischen Lebens ein realistisches Szenario. Die Begrenzung der Erderwärmung ist in diesem Kontext eine zentrale Aufgabe. Diese steht aber nicht solitär, sondern ist integraler Bestandteil der Kreislaufwirtschaft im Sinne der vorliegenden Definition. Nur mit diesem komplexen Ansatz kann die Existenz des Lebens auf der Erde gesichert werden. Die weitestgehende Deckung des Energiebedarfs mit Erneuerbaren Energien folgt dem Kreislaufprinzip und hat das höchste CO-Einsparpotenzial. Damit würde ein bedeutender Beitrag dafür geleistet, die Erderwärmung auf maximal 1,5 Grad Celsius zu begrenzen.

    Zweitens:
    Aus der übergreifenden gesellschaftlichen Dimension des Postulats zur weitestgehenden Rückgewinnung der Stoffe folgt, dass für alle damit Zusammenhang stehenden Begriffe semantische Eindeutigkeit und Konsistenz hergestellt werden muss. Für die Branche, die die geforderte weitestgehende Rückgewinnung der Stoffe realisieren soll, geht es in erster Linie um eindeutige Korrelationen zur bereits bestehenden Definition Kreislaufwirtschaft. Denn die bisherigen Termini Entsorgungs- und Abfallwirtschaft, Entsorgung und Beseitigung bilden den Auftrag der Branche in einer tatsächlichen Kreislaufwirtschaft nur ungenügend ab. Sie konterkarieren mit ihrer inhaltlichen Fokussierung auf die Beseitigung minderwertiger Stoffe (Abfall) zudem die objektiv erforderlichen Zielsetzungen. Deshalb müssen alle Prozesse mit dem Fokus auf der Beseitigung und Deponierung der Reststoffe in definierten Schritten weitestgehend vollständig eliminiert werden. Das ist das Postulat der weitestgehenden Rückgewinnung der in der Wertschöpfung eingesetzten Stoffe.

    Drittens:
    Das Erfordernis einer semantischen Präzisierung betrifft auch die 2008 in Kraft getretene EU-Abfallrahmenrichtlinie. Diese definiert verbindlich und qualitativ (nach dem Grad der Verwertung) folgende fünf Hierarchiestufen: 

    • Nr. 1: Vermeidung und Verminderung von Abfall und seiner Folgen für die Umwelt;
    • Nr. 2: Vorbereitung der Stoffe zu Wiederverwendung möglichst auf dem Niveau ihres Einsatzes bei der Herstellung von Produkten;
    • Nr. 3: Recycling im Sinne der stofflichen Wiedergewinnung für den ursprünglichen Zweck oder für andere Zwecke;
    • Nr. 4: Verwertung im Sinne einer nicht näher definierten Nutzung in der Wirtschaft mit dem Schwerpunkt thermische Verwertung zur Gewinnung von Energie;
    • Nr. 5: Beseitigung, in erster Linie Deponierung.

    Diese Abfallhierarchie und mithin auch der Begriff Abfallwirtschaft verlieren bei der Transformation zur Rückgewinnungs- und Kreislaufwirtschaft ihre Bedeutung und mit zunehmender Schließung der Stoffkreisläufe auch ihre Berechtigung.

    Viertens:
    Recycling (im derzeitigen Verständnis) betrifft quantitativ in erster Linie die Stufe 4 der o. a. EU-Abfallhierarchie. Das ist im Kern eine geringwertige Wiederverwendung und nicht das Synonym für die weitestgehend vollständige Rückgewinnung. Der Anteil der Stufe 3 ist deutlich zu gering. Die im Sinne dieser Definition maßgebliche Stufe 2 hat quantitativ bezogen auf das insgesamt verfügbare Rückgewinnungspotenzial sogar eine eher zu vernachlässigende Bedeutung (siehe Punkt IV). Die bereits erwähnte semantische Unschärfe konterkariert zudem das Erfordernis, für die Rückgewinnung eindeutige qualitative und quantitative Standards zu bestimmen.

    Fünftens:
    Bei der Implementierung der qua Definition geforderten und begründeten Kreislaufwirtschaft hat die Branche der Rückgewinnungswirtschaft unter folgenden Aspekten eine Schlüsselfunktion:

    • Faktische Realisierung der Rückgewinnung als spezifische und herausgehobene Form von Wertschöpfung
    • Technologieführerschaft
    • Impulsgeber für alle Branchen der Wertschöpfung
    • Ethisch-moralische Fundierung und gesellschaftliche Kommunikation des Rückgewinnungsauftrags

    Diese Funktionalitäten werden unter 3. im Detail erläutert und begründet. Aus der zentralen Stellung der Rückgewinnungswirtschaft in der Kreislaufwirtschaft ergibt sich das Erfordernis, diesen Begriff semantisch eindeutig zu bestimmen. Aus dieser Definition wiederum folgt, dass die Termini Abfall, Beseitigung und Entsorgung den Erfordernissen der Kreislaufwirtschaft nicht genügen und nicht mehr verwendet werden sollten.

    Langerklärung Rückgewinnungswirtschaft und deren Interaktion mit der originären Herstellung von Produkten und der Realisierung von Leistungen

    Unter Rückgewinnungswirtschaft verstehen wir die Gesamtheit der wirtschaftlichen Betätigungen zur Rückgewinnung der Stoffe, die im umfassenden Sinne (Herstellung, Energie, Dienstleistungen, Hilfsprozesse), einschließlich natürlicher Ressourcen wie Wasser, Boden, Luft im Prozess der Wertschöpfung in die Produkte eingehen bzw. für deren Herstellung zwingend erforderlich sind. Deren Rückgewinnung erfolgt im Regelfall in dafür spezialisierten Unternehmen. In ihrer Gesamtheit und im Ergebnis eines Transformationsprozesses ist das die Rückgewinnungswirtschaft. Zu ihr gehören auch die Prozessstufen Sammlung, Transport und Sortierung der Wert- und Reststoffe.

    Der neue Begriff Rückgewinnungswirtschaft bildet die Gesamtheit und auch die neue Qualität der wirtschaftlichen Betätigung ab. Diese neue Qualität besteht darin, dass die weitestgehende Rückgewinnung die zentrale Prämisse für alle Verwertungsaktivitäten ist. Der Begriff ist im Sinne einer Zielprojektion dynamisch. Denn die damit verbundene Neukonstituierung vollzieht sich als Transformation der bisherigen Abfall- oder auch Entsorgungswirtschaft zur Rückgewinnungswirtschaft. Diese wiederum ist Teil der Kreislaufwirtschaft. Auch für diese ist die weitestgehende Rückgewinnung im Sinne stofflicher Kreisläufe oberste Maxime.

    Wegen der hohen technischen, technologischen und naturwissenschaftlichen Anforderungen an die Rückgewinnung ist eine darauf spezialisierte Branche ein objektives Erfordernis.

    Dass bestimmte Produkte nach ihrem Einsatz von den Herstellern selbst zurückgenommen, aufbereitet, modernisiert und wieder in den Verkehr gebracht werden, ist kein Widerspruch zum festgestellten Erfordernis der Rückgewinnungswirtschaft. Solche Zyklen sind Sonderfälle und an bestimmte Produkteigenschaften und -funktionalitäten gebunden. Exemplarisch dafür sind Wasserzähler des deutschen Herstellers Lorenz. Diese Geräte haben eine Laufzeit von neun bis zwölf Jahren. Geplant ist vom deutschen Marktführer ab 2026 eine 80prozentige Wiederverwertung bzw.-verwendung dieser Geräte nach deren Komplettinstandsetzung nach aktuellem Stand der Technik.

    Diese Ergänzung zur spezifischen Wertschöpfung in der Rückgewinnungswirtschaft ist deshalb sinnvoll, weil die Revitalisierung von Produkten im Regelfall ökonomisch günstiger ist als die Rückgewinnung der dort eingesetzten Stoffe. Es ist sinnvoll, solche Produktzyklen, die oft auf Vermietungs- oder Leasingmodellen basieren, ökonomisch und ordnungspolitisch zu unterstützen. In diesem Kontext stehen auch Initiativen der EU für eine bessere (technisch und ökonomisch in Relation zum Ersatz durch Neugeräte) Reparaturfähigkeit von Produkten.

    Einschließlich dieser Sonderfälle ist die Transformation vor allem qualitativ geprägt. Aus der eher pejorativ geprägten Charakterisierung der Branche mit Begriffen wie Abfall, Entsorgung, Beseitigung wird die stoffliche Rückgewinnung im Regelfall bis zur Ebene des Periodensystems der Elemente. Das impliziert eine Wertschöpfung auf höchstem technischen, technologischen und naturwissenschaftlichen Niveau, die in erster Linie nur mit hochqualifizierten Fachkräften realisiert werden kann. Diese werden das Bild der Branche bestimmen. Es gibt also auch eine Transformation in der Beschäftigten- und Tarifstruktur von einer eher Niedriglohnbranche mit einer erheblichen Gewichtung einfacher Betätigungen zu einer Hochtechnologiebranche mit hochkomplexen Anforderungen an die Qualifikationen und Fähigkeiten der Mitarbeiter und einem deutlich geringeren Anteil an einfachen aber damit nicht geringwertigen Tätigkeiten. Damit wird die gesamte Branche auch als Arbeitgeber deutlich an Attraktivität gewinnen.

    Aus der Komplexität des Transformationsprozesses und der Zielprojektion folgt, dass der neue Begriff Rückgewinnungswirtschaft nur dynamisch verstanden werden kann. Für den zu erreichenden Status müssen zunächst vorrangig die Rückgewinnungsquoten für die Stoffe bestimmt werden, die in der Wertschöpfung unter qualitativen und quantitativen Aspekten besondere Relevanz haben. Diese Bestimmung muss zeitbezogen und verbindlich erfolgen. Die Forderung nach der weitestgehenden Rückgewinnung der Stoffe orientiert auf ein Optimum. Ein Maximum im Sinne von einer 100%igen Rückgewinnung ist praktisch unter technischen und naturwissenschaftlichen Aspekten nicht erreichbar, analog zum absoluten Nullpunkt bei der Temperatur. Es geht also um die weitestgehende Annäherung, die für die einzelnen Stoffe unterschiedlich definiert werden kann. Aspekte dabei sind unter anderem:

    • Relevanz in der Wertschöpfung (national, international) unter quantitativen und qualitativen Aspekten
    • Aktuelle und künftige Verfügbarkeit
    • Kosten-Nutzen-Relationen im Kontext mit der Bestimmung einer optimalen Rückgewinnungsquote
    • Gesamtgesellschaftliche Kosten und Belastungen in Relation zu definierten Rückgewinnungsquoten unter Beachtung ökologischer Belastungen und irreversiblen Verlusten an Stoffen, z. B. durch Verbrennung

    Die Bestimmung der Rückgewinnungsquoten muss ausschließlich anhand objektiver Kriterien und aus einer gesamtgesellschaftlichen und gesamtwirtschaftlichen Perspektive erfolgen, was ökonomische Partikularinteressen ausschließt.

    Der Prozess der Neukonstituierung der derzeitigen Abfall- bzw. Entsorgungswirtschaft zur Rückgewinnungswirtschaft muss zeitlich (in Etappen) und materiell (Rückgewinnungsquoten nach Stoffen) definiert werden. Folglich muss ordnungspolitisch normiert werden, welche Rückgewinnungsquoten bis wann erreicht werden müssen.

    Die Transformation zur Rückgewinnungswirtschaft ist Teil der geforderten  Implementierung einer Kreislaufwirtschaft, für die die weitestgehende Rückgewinnung der Stoffe oberste Maxime ist.

    Was für den Prozess der Transformation gilt, muss auch für den zu erreichenden Status (auch der in einem dynamischen Verständnis) gelten: In allen Phasen muss die Rückgewinnungswirtschaft als integraler Bestandteil der Kreislaufwirtschaft verstanden werden. Daraus folgt, dass beide Begriffe nicht synonym verwendet werden dürfen.

    Die mit der Herstellung von Produkten und dem Erbringen von Leistungen befassten Branchen müssen in der ständiger Interaktion mit der Rückgewinnungswirtschaft sicherstellen, dass die Rückgewinnung der eingesetzten Stoffe (in erster Linie nach Beendigung des Produktzyklus) technologisch und naturwissenschaftlich auch tatsächlich möglich ist.

    Neben der technologischen besteht auch die ökonomische Verantwortung. Denn im Sinne der Definition von Kreislaufwirtschaft und dem dort entwickelten erweiterten Verursacherprinzip sollen die Hersteller die Kosten für die Rückgewinnung ganz oder weitgehend tragen. Diese werden damit kalkulatorischer Bestandteil der Produktkosten.

    In der erwähnten Transformationsphase tritt an die Stelle der EU-Abfallhierarchie das in der Definition Kreislaufwirtschaft entwickelte und für die vorliegende Definition aktualisierte dreistufige Rückgewinnungsmodell:

    • Nr. 1: Konsequente Vermeidung von Abfall und seiner Folgen für die Umwelt
    • Nr. 2: Weitestgehende stoffwirtschaftliche Rückgewinnung in der Konfiguration des Ersteinsatzes einschließlich der eingesetzten Hilfs- und Zusatzstoffe und natürlicher Ressourcen wie Energie, Wasser, Luft, Boden
    • Nr. 3: Thermische Verwertung von Restmaterialien in einer quantitativen Dimension, die in Relation zum Gesamtumfang des Stoffkreislaufes eher zu vernachlässigen ist. Dabei geht es in erster Linie um Materialien, deren Rückgewinnung die Zielsetzung der Kreislaufwirtschaft wegen eines unvertretbaren Aufwands bei Anwendung des erweiterten Verursacherprinzips konterkariert bzw. deren thermische Verwertung wegen bestehender großer Gefahrenpotenziale existentiell geboten ist, z. B. Krankenhausabfälle, Tierkörper, nukleare Abfälle. Allerdings steht auch bei diesen Materialien das Erfordernis einer zumindest partiellen Rückgewinnung. Ein Beispiel sind die bei der Tierkörperverwertung gewonnenen Fette und deren weitere Verarbeitung u. a. zu Bio-Treibstoffen.

    Die unter 2/Fünftens grundsätzlich festgestellte Schlüsselfunktion der Rückgewinnungswirtschaft innerhalb der Kreislaufwirtschaft ist wie folgt zu begründen:

    (1) Faktische Realisierung der Rückgewinnung als spezifische und herausgehobene Form von Wertschöpfung: 

    Die Rückgewinnung im Rahmen eines stoffwirtschaftlichen Kreislaufs ist deshalb eine Wertschöpfung, weil die Stoffe den Gesetzen des Marktes unterliegen. Sie haben einen Preis, der sich aus der Relation von Angebot und Nachfrage und dem Vergleich mit verfügbaren natürlichen Ressourcen ergibt. Ergänzend dazu bedarf es ordnungspolitischer Regulierungen. Diese müssen in erster Linie das Ziel haben, die noch vorhandenen irdischen Vorkommen an Rohstoffen als Reserven zu schonen. Daraus ergibt sich, dass zurückgewonnene Stoffe ökonomisch und ordnungspolitisch privilegiert werden müssen. Wegen des erweiterten Verursacherprinzips sind die Rückgewinnungskosten kalkulatorischer Bestandteil der Waren und Leistungen. Auf diese Weise entsteht in der tradierten Wertschöpfung ein Wettbewerb um geringstmögliche Rückgewinnungskosten. Bei vergleichbaren Merkmalen erzielen die Produkte mit dem geringsten Aufwand für die Rückgewinnung einen marktrelevanten Preisvorteil. 

    Das erweiterte Verursacherprinzip führt also dazu, dass die Rückgewinnung hinsichtlich ihrer technologischen Machbarkeit und ökonomischen Marktfähigkeit die zentrale Prämisse bei der Konstruktion und dem Design von Produkten ist. Daraus wiederum ergibt sich das objektive Erfordernis einer ständigen Interaktion zwischen den tradierten Wertschöpfungsbranchen und der Rückgewinnungswirtschaft. Denn die technologischen und ökonomischen Anforderungen an die Rückgewinnungswirtschaft müssen bereits zu Beginn des Produktlebens im engen Zusammenwirken von Herstellern und Rückgewinnern definiert werden.

    Die konsequente Anwendung der genannten Prämissen verhindert, dass Produkte in den Verkehr kommen, bei denen die enthaltenen Stoffe technologisch gar nicht zurückgewonnen werden können. Ein aktuelles Beispiel ist die Herstellung von Verpackungen aus Verbundstoffen. Noch gravierender ist dieser Sachverhalt bei Produkten, mit denen zentrale Ziele bei der Reduktion von CO-Emissionen oder der Substitution von fossilen Energieträgern erreicht werden sollen. Dafür stehen beispielhaft die Batterien von elektrogetriebenen Fahrzeugen und die Windräder. Die Rückgewinnung der dort eingesetzten Stoffe bekamen überhaupt erst Relevanz, als erste Produktgenerationen bereits im Einsatz waren.

    Die ökonomischen Grundlagen der Rückgewinnungswirtschaft sind das erweiterte Verursacherprinzip (grundsätzliche Kostenübernahme durch die Hersteller) und die Margen, die bei der marktwirtschaftlichen Rückführung der gewonnenen Stoffe in den Kreislauf erzielt werden. Für die Transformationshase sind ordnungspolitische Mechanismen sinnvoll und notwendig, die sich an erprobten Verfahren wie dem Emissionshandel orientieren könnten.

    Die technologische Machbarkeit der Rückgewinnung in der geforderten Dimension und Tiefe wird zu einem hohen Spezialisierungsgrad in der Rückgewinnungswirtschaft mit einem enormen Bedarf an Spezial-Know-how führen.

    (2) Technologieführerschaft:

    Für die weitestgehende Rückgewinnung der Stoffe wird die damit befasste Branche ihre bisherige Technologieführerschaft ausbauen und in eine neue Qualität überführen. Ihre derzeitige Kernkompetenz besteht darin, im Sinne der jeweiligen ordnungspolitischen Rahmensetzungen zu verwerten und zu beseitigen. Diese Vorgaben haben im deutschen – und EU-Maßstab schon Rückgewinnungsimpulse gesetzt. Die Anreize haben aber in erster Linie bei solchen Stoffen gewirkt, deren Rückgewinnungskosten niedriger waren als die Marktpreise für vergleichbare neue Stoffe.

    Mit diesen bisherigen Anreizsystemen kann die die weitestgehende Rückgewinnung aller Stoffe nicht einmal annähernd gewährleistet werden. Deshalb muss an deren Stelle das erweiterte Verursacherprinzip in Verbindung mit eindeutigen Standards für die Rückgewinnungsquoten aller Stoffe treten. Das ist die Voraussetzung für die Transformation der Entsorgungswirtschaft in die Rückgewinnungswirtschaft. Derzeit hat die Branche nur geringen Einfluss auf die Mengen und Qualitäten der Reststoffe, die ihr zur Verwertung angedient werden. Maßgebliche Bedeutung haben letztlich nur die ordnungspolitische Vorgaben. Es bestehen aber kaum Steuerungsmöglichkeiten gegenüber der produzierenden Wirtschaft hinsichtlich einer Produktbeschaffenheit, die eine höchstmögliche Rückgewinnung der Stoffe unter ökonomischen, technologischen und naturwissenschaftlichen Aspekten ermöglicht.

    Im Prozess der beschriebenen Transformation wird aus dieser vorwiegend passiven Stellung der derzeitigen Entsorgungswirtschaft die gemeinsame Zuständigkeit der Hersteller und Rückgewinner für den Beginn und das Ende von Produktzyklen. Die Rückgewinner haben in dieser Kooperation das Primat, weil sie die geforderte Rückgewinnung als spezifische Wertschöpfung technologisch und ökonomisch realisieren müssen. Unter dieser Prämisse müssen sie im Gesamtprozess der Wertschöpfung als Impulsgeber dahingehend fungieren, dass Produkte so designt werden, dass die Rückgewinnung der Stoffe ökonomisch und technologisch optimal gewährleistet werden kann.

    (3) Impulsgeber für alle Branchen der Wertschöpfung: 

    Aus der Vorrangstellung der Rückgewinnungswirtschaft ergibt sich objektiv auch deren Rolle als Impulsgeber für die tradierten Branchen der Wertschöpfung. In der gezeigten Kooperation mit den Herstellern hat die Rückgewinnungswirtschaft das größte Potenzial zur technologischen und ökonomischen Optimierung der Prozesse. Aus den Erkenntnissen bei der Optimierung der Rückgewinnung ergeben sich zwangsläufig Impulse auch zur Optimierung von Konstruktion, Design und Herstellung. Damit führt die Implementierung der Kreislaufwirtschaft zu einer neuen Qualität der Arbeitsteilung und Kooperation der Gesamtwirtschaft. 

    (4) Ethisch-moralische Fundierung und gesellschaftliche Kommunikation des Rückgewinnungsauftrags:

    Auf diesen Aspekt wird detailliert unter Punkt 6 im Zusammenhang mit den Erfordernissen zur Implementierung des neuen Begriffs Rückgewinnungswirtschaft eingegangen.

    Zum Status quo der Abfall- bzw. Entsorgungswirtschaft in Deutschland vor der Transformation in die Rückgewinnungswirtschaft

    1. Struktur, ökonomische Merkmale, Spezifika:

    Der Status quo der Branche ist methodisch nicht übereinstimmend abgegrenzt. Neueste Erhebungen schließen aktuell nur das Jahr 2021 ein. Das Statistische Bundesamt (Stat. BA) subsumiert unter den Wirtschaftszweigen WZ 38 (Sammlung, Behandlung und Beseitigung von Abfällen; Rückgewinnung) und 39 (Beseitigung von Umweltverschmutzungen und sonstige Entsorgung) insgesamt 227.000 Beschäftigte (Stat. BA, 2022). Das Bundesumweltamt (UBA 2022) hat mit der Einbeziehung der Beschäftigten im Umweltschutz eine deutlich weitere Perspektive. Aus dieser Sicht nennt sie 2.941 Mio. statistisch erfasste Erwerbstätige. Das geht über den hier niedergelegten definitorischen Ansatz weit hinaus.
    Im Gegensatz dazu definieren wir die Branche gemäß der amtlichen Statistik einschließlich der vor- und nachgelagerten Leistungen. Damit hätte sie derzeit etwa 315.000 Beschäftigte (Stat. Bericht 2024).

    Tab. 1: Entwicklung wirtschaftlicher Indikatoren der Branche im Überblick (Quelle: Prognos AG auf Basis Stat.BA/BFA (Stat. Bericht 2024))
      2010 2012 2015 2017 2021 Entwicklung in % p.a.
    Erwerbstätige 277.300 288.480 289.770 295.360 314.074 13,0 1,2
    Umsatz (in 1.000 €) 71.499.000 79.664.800 76.094.400 84.084.200 106.217.694 48,6 4,4
    Bruttowertschöpfung (in 1.000 €) 21.538.400 23.685.800 26.318.400 28.111.800 33.286.110 54,5 5,0
    Unternehmen 11.600 11.700 11.000 10.700 10.045 -13,4 -1,2

    Die Produktivität der Branche entwickelt sich bei steigendem Umsatz und zunehmender Beschäftigtenzahl dynamisch. Die Zahl der Unternehmen ist dagegen seit Jahren rückläufig.
    Volkswirtschaftlich betrachtet ist der Anteil der Branche am Bruttoinlandsprodukt von 3.617,45 Mrd. € (Vergleichsjahr 2021) mit ca. 3,0 % zwar klein, die Umsatzleistung je Erwerbstätigen mit 338.193 € wird jedoch im Verhältnis zu ca. 45 Mio. Erwerbstätigen insgesamt um mehr als den Faktor 4,5 übertroffen.
    In der Branche werden folgende Marktsegmente und Teilbereiche nach dieser Diktion definiert:

    • Marktsegment (MS 1): Abfallsammlung, -transport, Straßenreinigung
      • Teilbereich: Abfallsammlung, -transport
      • Teilbereich: Straßenreinigung
    • Marktsegment (MS 2): Abfallbehandlung und -verwertung
      • Teilbereich: Stoffliche Verwertung
      • Teilbereich: Energetische Verwertung
      • Teilbereich: Abfallbeseitigung
    • Marktsegment (MS 3): Technik für die Abfallwirtschaft
      • Teilbereich: Anlagentechnik
      • Teilbereich: Fahrzeugtechnik
      • Teilbereich: Sammel- und Transportbehälter
      • Teilbereich: Sonstiges (F & E, Untersuchungen, Abdeckungen)
    • Marktsegment (MS 4): Großhandel mit Altmaterialien

    Mit einem prozentualen Anteil von 42 % ist das Marktsegment der Abfallbehandlung (MS 2) im Umsatz der wichtigste Bereich und auch führend in der Bruttowertschöpfung sowie bei der Zahl der Erwerbstätigen.
    Von den ca. 10.000 Unternehmen der Branche entfallen 1.229 auf das Marktsegment Technik für die Abfallwirtschaft (MS 3), 3.203 auf Sammlung, Transport und Straßenreinigung (MS 1), 3203 auf Abfallbehandlung und -verwertung (MS 2), 2.981 auf Großhandel mit Altmaterialien (MS 4).
    Kommunale Unternehmen sind mit Ausnahme der Müllverbrennungsanlagen fast ausschließlich im Segment von Sammlung, Transport und Straßenreinigung zu finden. Der Verband Kommunaler Unternehmen gibt an, dass in der Sparte Entsorgung 431 Unternehmen mit 65.000 Beschäftigten eine Mitgliedschaft im Verband haben (www. vku.de).
    Die Masse der Marktteilnehmer ist somit der Privatwirtschaft zu zuordnen. Zwei Drittel dieser Unternehmen erfüllt hierbei nicht das Kriterium einer kleinen Kapitalgesellschaft nach § 267 HGB.
    Von den 1990er Jahren bis 2007/2008 spielten Öffentlich-Private Unternehmen eine zunehmende Rolle. Nach dem genannten Zeitraum werden solche gemischtwirtschaftlichen Unternehmen eher selten etabliert.

    Tab. 2: Marktsegmente und Teilbereiche (Quelle: Prognos AG auf Basis Stat.BA/BFA (Stat. Bericht 2024))
      MS 1 MS 2 MS 3 MS 4
    Unternehmen 2.632 3.203 1.229 2.981
    Erwerbstätige 99.673 136.873 56.645 20.883
    Umsatz 28.143.945 Mio € 45.112.860 Mio € 12.207.490 Mio € 19.743.409 Mio €
    Bruttowertschöpfung 11.624.762 Mio € 15.260.002 Mio € 4.863.919 Mio € 1.537.427 Mio €

    Im Vergleich zu anderen Schlüsselbranchen der existentiellen Daseinsvorsorge hält die Branche bei der Entwicklung der Erwerbstätigen in Tempo und Größenordnung mit, überragt die Wasserversorgung und die Abwasserentsorgung (+ 0,6 %) deutlich und ist vergleichbar mit der Energieversorgung, die knapp 335.000 Erwerbstätige beschäftigt. Die Personenbeförderung (ohne Schifffahrt) entwickelt sich mit knapp 500.000 Beschäftigten dynamischer (+ 1,7 % p. a.).
    Das Geschäftsfeld selbst hat die beweglichen Sachen zum Gegenstand, die ihren Nutzen verloren haben und deren sich ihre Besitzer entledigen wollen oder entledigen müssen. Diese Sachen werden mit dem Begriff „Abfall“ nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz (§ 3 Abs. 1 KrWG) bezeichnet. Dazu gehören Haus-, Geschäfts- und Sperrmüll (Siedlungsabfall) ebenso wie Gewerbe- und Industrieabfälle, einschließlich gefährlicher Abfälle.
    Die in der Abfallbilanz 2021 (Stat.BA 2023) hinterlegten Abfälle in Höhe von 407 Millionen Tonnen setzten sich aus den folgenden Hauptgruppen zusammen:

    • 220 Millionen Tonnen Bau- und Abbruchabfälle (53 % des Gesamtaufkommens an in Abfallbehandlungsanlagen behandelten Abfälle),
    • 29 Millionen Tonnen aus der Gewinnung und Behandlung von Bodenschätzen aus dem Inland (Bergbauabfälle) (7 %),
    • 48 Millionen Tonnen übrige Abfälle, insbesondere aus Industrie und Gewerbe aus dem Inland (12 %),
    • 52 Millionen Tonnen Siedlungsabfälle aus dem Inland (12 %), darunter 40 Millionen Tonnen aus Haushalten und
    •  57 Millionen Tonnen Abfälle aus Abfallbehandlungsanlagen (Sekundärabfälle) aus dem Inland (14 %).
    • 7,7 Millionen Tonnen stammen aus Importen von Abfällen (2 %).

    Die Organisation des Marktes folgt einer klaren Aufteilung in die Entsorgungswege der Industrie- und Gewerbefraktionen, die im Wesentlichen privatwirtschaftlich organisiert sind, es sei denn, es handelt sich um Abfälle zur Beseitigung.
    Dagegen fällt die Sammlung und Entsorgung von Siedlungsabfällen in den Bereich der Daseinsvorsorge und damit in die politische Verantwortung der „öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger (örE)“. Dies sind die auf kommunaler/regionaler Ebene ausgewiesenen Körperschaften (kreisfreie Städte/Landkreise).
    Die örE zeichnen verantwortlich für alle Abfälle aus privaten Haushalten (also alle Siedlungsabfälle) sowie für Abfälle aus allen anderen Herkunftsbereichen, soweit es sich um Abfälle zur Beseitigung handelt. Hier spricht man auch vom öffentlichen Abfallregime. Ausgenommen sind davon die Verpackungsabfälle.

    Mit der Verabschiedung der Verpackungsverordnung (Verpack VO) wurde 1991 der Startschuss für das Duale System Deutschland (DSD), als alleinigem Systembetreiber und quasi Monopolisten, gegeben. Heute regelt das Verpackungsgesetz vom 01.01.2019 und ihre Novellierungen, zuletzt im Jahr 2021 mit Wirkung zum 16.05.2023, die Sammlung und den Transport sowie die Behandlung von Leichtverpackungen (LVP), was im Wesentlichen Kunststoffverpackungen bedeutet, und für Glas. Aus einem Systembetreiber sind aktuell – 2024 – zehn geworden (Belland Vision, DSD, Eko-Punkt, Intersero+, Landbell, Noventiz, PreZero, Reclay, Recycling Dual, Zentek). Davon sind fünf Betreiber integrierte Systeme von inländisch agierenden Entsorgungsunternehmen.

    Das öffentliche Abfallregime hat die Schwerpunkte:

    • Sammlung und Transport von Abfällen,
    • Abfallbehandlung (Müllverbrennungsanlagen, Müllheizkraftwerke).

    Es ist gebührenfinanziert und unterliegt dem Vergaberecht.
    Der Marktanteil der kommunalen Entsorgungsunternehmen für die Dienstleistungen Sammlung und Transport liegt bei rund 50 % (Quelle: REMONDIS, 2023). Im Bereich der Behandlung sind von den bundesweit 92 genehmigten Anlagen (95 % der Anlagenkapazität in Deutschland), die eine Mitgliedschaft in der Interessengemeinschaft thermischer Abfallverbrennungsanlagen Deutschland (ITAD) aufweisen und gesetzlich verantwortlich für die Entsorgungssicherheit sind, die Mehrheit (58 Anlagen = 63 %) in kommunaler Hand. Größter Einzelbetreiber von Müllverbrennungsanlagen mit 11 Anlagen ist die EEW Energy from waste als privatwirtschaftliches Unternehmen.

    Das private Abfallregime umfasst folgende Schwerpunkte:

    • Sammlung und Transport von Leichtverpackungen (LVP), Glas und
    • Abfallbehandlung (Sortierung, Verwertung).

    Die Finanzierung erfolgt über Lizenzentgelte, die die Dualen Systeme vertraglich mit den Inverkehrbringern (Industrie, Handel) von Produkten vereinbaren, wobei die Inverkehrbringer ihrerseits die Kosten auf die Produkte umlegen, die der Kunde als Verbraucher erwirbt.
    In diesem Segment dominiert die Privatwirtschaft. Der Marktanteil der Privatwirtschaft liegt hier geschätzt bei 85-90 % (Stat. Bericht 2024).

    2. Zum Stand der Verwertung innerhalb der derzeit gültigen fünfstufigen EU-Abfallhierarchie:

    Seit 2005 gilt in Deutschland, dass keine Siedlungsabfälle ohne Vorbehandlung deponiert werden dürfen. Insofern unterliegen sie einer strengen Kaskade von Behandlungswegen:
    Die Abfallmengen aus Haushalten, Industrie und Gewerbe werden als Input über fünf Behandlungswege kanalisiert:

    • Biologische Abfallbehandlung (Anteil 4 %),
    • Sortierung, Aufbereitung (Anteil 40 %),
    • Mechanisch (-biologische) Abfallbehandlung (Anteil 1 %),
    • Thermische Behandlung (Anteil 11 %),
    • Chemisch-Physikalische Behandlung (Anteil 2 %)

    Diese Teilmenge (58 %) gilt als Sekundärrohstoff oder wurde während der Behandlung als Prozesswärme energetisch zu Strom oder Fernwärme transformiert.
    Die weiteren 42 % stammen aus Industrie sowie Gewerbe und werden zu einem Anteil von einem Viertel der Deponierung / dem Deponiebau und zu drei Viertel der Verfüllung als Untertageversatz zugeführt. Eine Leistungsbilanz an Rückgewinnung ist hierin nicht dokumentiert (Stat. Bericht 2024).

    Erste Stufe der Abfallhierarchie: Vermeidung und Verminderung von Abfällen:
    Als vorrangiges Ziel gilt die Abfallvermeidung. Indikator für einen relativen Erfolg ist die Entkoppelung des volkswirtschaftlichen Wachstums von und der Entwicklung der Abfallmengen. Im Jahr 2013 wurde ein erstes Abfallvermeidungsprogramm aufgelegt, und zwar auf der Grundlage von Artikel 29 der Abfallrahmenrichtlinie (2008/98/EG-AbfRRl i. V. m. EU 2018/851). Das Programm wurde 2021 fortgeschrieben. Es beschreibt Handlungsfelder und zeigt über eine Indikatorenmessung den Effekt von Abfallvermeidungsmaßnahmen. Dass die erzielten Ergebnisse unbefriedigend sind, kann am Beispiel der Lebensmittelverschwendung aufgezeigt werden. Allein im Jahr 2020 wurden in Deutschland ca. 11 Mio. Tonnen Lebensmittel entsorgt, wobei nach Expertenmeinung 50 % (UBA) der Mengen vermeidbar wären. Hauptverursacher sind hierbei die privaten Haushalte.

    Tab. 3: Lebensmittelverschwendung in Deutschland (Quelle: Stat. BA 2022 (Bezugsjahr 2020))
    Private Haushalte Außerhaus-Verpflegung Produktverarbeitung Handel Primäre Produzenten
    59% 17% 15% 7% 2%
    6,5 Mio t 1,9 Mio t 1,6 Mio t 0,8 Mio t 0,2 Mio t

    Zweite Stufe der Abfallhierarchie: Vorbereitung zur Wiederverwendung:
    Seit dem Jahr 2021 sind die Mitgliedsstaaten der EU verpflichtet Daten zur Wiederverwendung von Textilien, Elektro- und Elektronikgeräten, Möbel, Baumaterialien und -produkten auf Grundlage quantitativer sowie qualitativer Erhebungen an die Europäische Kommission zu melden. Seit geraumer Zeit ist auch ein Reparaturbonus im Gespräch, der dem Gebrauch instandgesetzter Produkte den Vorzug vor einem Neukauf geben soll.

    Dritte Stufe der Abfallhierarchie: Recycling im Sinne der stofflichen Wiedergewinnung:
    Die europäische Statistikbehörde Eurostat meldet für 2021 ein EU-weites Rekordhoch an Verpackungsabfällen in Höhe von 84,3 Millionen Tonnen bzw. 188,7 kg pro Kopf. Demgegenüber stagniert die stoffliche Verwertung und liegt mit einer durchschnittlichen Recyclingquote von 64,0 % (EU-27) in den Jahren 2020 und 2021 so niedrig wie seit 2010 nicht mehr.
    In der stofflichen Verwertung gilt es zunächst zu unterscheiden zwischen den Abfallmengen, die als Input in zur Verwertung eingestufte Behandlungsanlagen gelangen. Der Anteil am Abfallaufkommen insgesamt ergibt die Verwertungsquote. Davon unabhängig wird die Recyclingquote ermittelt, die auf die stoffliche Wiederverwertung von Materialien abstellt. Sie zeigt den Prozentsatz der Abfälle, die in Anlagen aufbereitet, für neue Produkte zur Verfügung stehen, also im besten Fall zurückgewonnen werden.
    In der Europäischen Union gelten klare Zielvorgaben (Recyclingquoten) etwa für Verpackungsabfälle. EU-Zielvorgaben 2025: für Verpackungen insgesamt 70 %, für Glas 90 %, für Kunststoff 70 %, für PPK 90, Aluminium 90 %, Eisen 90 %, Getränkekarton 80 % und sonstige Verbünde 70 %. Im Recycling von Verpackungsabfällen liegt Deutschland im Ranking in Europa unter den 10 Besten, wird aber etwa von Belgien und den Niederlanden insgesamt und in jeder Einzelfraktion (außer NL in Kunststoff) von diesen beiden Ländern übertroffen.
    Um den Unterschied von Verwertungsquote zu Recyclingquote deutlich zu machen, hilft ein Blick auf die 29. Recycling-Bilanz 2021 der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung (GVM): Im Jahre 2021 wurde ein Verbrauch an Verpackungen ohne Holz und Feinblech in Höhe von 15,89 Mio. Tonnen in Deutschland festgestellt. Der Verbrauch stieg somit seit 2015 (14,68 Mio. Tonnen) um mehr als 1 Mio. Tonnen an. Als Verwertung wurde eine Menge von 15,30 Mio. Tonnen ausgewiesen. Das entspricht einer Quote von 96,5 %, Als Recyclingquote wurde ermittelt 83,5 % oder 13,24 Mio. Tonnen.
    Die Rückgewinnung (terminologisch unzutreffend bislang als Recycling gefasst) im Bereich der Verpackungsabfälle kommt also zumindest quantitativ voran.
    Im Bereich des Gewerbes kann die Verwertungsquote für mineralische Bauabfälle in Deutschland herausgehoben werden. Sie liegt mit 89,5 % (2020) auf einem hohen Niveau, weit über den Vorgaben der EU von 70 %, so das Ergebnis des 13. Monitoringberichts der Initiative Kreislaufwirtschaft Bau. Mineralische Bauabfälle werden somit nahezu vollständig im Stoffkreislauf geführt, wodurch Deponien entlastet und Primärrohstoffe geschont werden. Im Straßenbau werden mit fast 96 % die höchsten Verwertungsquoten erreicht. In anderen Bereichen scheint die Akzeptanz für den Einsatz von Ersatzbaustoffen begrenzt zu sein. Die Diskussion um einen verpflichtenden Einsatz von Ersatzbaustoffen als ordnungspolitische Maßnahme ist hier schon in vollem Gange, um nach der Rückgewinnung auch die Wiederverwendung zu realisieren. Im Gespräch ist auch eine gesetzliche Regelung zum Ende der Abfalleigenschaft (Europäischer Wirtschaftsdienst GmbH, Recycling und Entsorgung (EUWID) 8/2023, S. 5). Sehr negative Ergebnisse zeigt eine vom Umweltbundesamt beauftragte Studie (euwid.de/uba-gewerbabfv) zur Einhaltung der Vorgaben der 2017 novellierten Gewerbeabfallverordnung. Der Analyse zufolge werden weniger als 20 % Wertstoffe separiert. Die Recyclingquote verfehlt offenbar ihre lenkende Wirkung. Fehlende Absatzmöglichkeiten und Erlöse der Wertstoffe in die Recyclingindustrie sowie die Konkurrenzsituation zur energetischen Verwertung werden als Gründe genannt.

    Vierte Stufe der Abfallhierarchie: Verwertung im Sinne einer nicht näher definierten Nutzung:

    Hinter dieser Formulierung steckt die energetische Verwertung in Müllverbrennungsanlagen, die in Landesabfallplänen besonders ausgewiesen sind, um die Entsorgungssicherheit in den Bundesländern herzustellen. Hierbei gilt insbesondere der Grundsatz der Autarkie, d.h. Abfälle, hier Siedlungsabfälle, die in einem Bundesland entstehen, müssen auch dort der Behandlung zugeführt werden. Von den 411 Mio. Tonnen (Abfallaufkommen 2021) wurden 48 Mio. Tonnen in den Müllverbrennungsanlagen verwertet, davon 15 Mio. Tonnen Siedlungsabfälle und 11,6 Mio. Tonnen Abfälle, insbesondere aus Produktion und Gewerbe. Den größten Anteil (20 Mio. Tonnen) machen aber die Sekundärabfälle aus, also Abfälle, die in Behandlungsanlagen erst entstehen und danach nur noch energetisch verwertet werden können, da eine andere Behandlung entweder technisch nicht möglich oder wirtschaftlich nicht tragbar ist.

    Fünfte Stufe der Abfallhierarchie: Beseitigung:
    Für die Beseitigung kommen vor allem Gefahrstoffe in Frage, die in Sonderabfallbehandlungsanlagen verbracht werden. Teils wählt man den Weg der thermischen Beseitigung (3,075 Mio. Tonnen), teils erfolgt eine Behandlung zur Beseitigung. (5,197 Mio. Tonnen).
    Der größte Teil jedoch, 66 Mio. Tonnen, wurde deponiert und schied somit aus dem Stoffkreislauf aus. Eine solche Behandlung bzw. Beseitigung wäre im Sinne der hier definierten Rückgewinnungswirtschaft nicht zulässig.
    Insgesamt ist die Branche aktuell (Stat. Bericht 2024) noch weit von den Zielsetzungen einer Rückgewinnungswirtschaft qua Definition entfernt. Der dargestellte aktuelle Status spiegelt in erster Linie den derzeitigen ordnungspolitischen Rahmen, ist also kein Verschulden der Branche.

    Transformationserfordernisse für die Rückgewinnungswirtschaft mit den Schwerpunkten zeitliche, qualitative und quantitative Standards und Ausnahmesachverhalte

    Anknüpfend an die Langerklärung unter Punkt 3 werden nachfolgend spezifische Erfordernisse, auch über den nationalen Maßstab hinaus, ergänzt:

    Weil die Rückgewinnungswirtschaft Integraler Bestandteil der Kreislaufwirtschaft muss die Transformation zu dieser qualitativ neuen Wirtschaftsweise auch in diesem Kontext konzipiert und umgesetzt werden.

    Dafür bedarf es eindeutiger ordnungspolitischer Vorgaben. Diese müssen in parlamentarischen Verfahren unter enger und gleichberechtigter Mitwirkung der Wirtschaft und ihrer Spitzenverbände erarbeitet und von der Legislative verabschiedet werden. Im ersten Schritt geht es um die Festlegung der grundlegenden Ziele und Abläufe der Transformationsprozesse. Im nächsten Schritt müssen übergreifende und sektorale Vorgaben (zeitliche, qualitative und quantitative Standards) gesetzlich normiert werden. Sanktionen müssen so ausgestaltet sein, dass die Nichteinhaltung dieser Vorgaben ökonomisch signifikant nachteiliger ist, als deren Einhaltung. Wegen der existentiellen Dimension müssten Verstöße gegen die Vorgaben ergänzend auch erhebliche strafrechtliche Konsequenzen haben.

    Analog zur Bestimmung der nationalen Transformationsstrategien müssen diese Prozesse auch im globalen Maßstab normiert werden. Und zwar ebenfalls mit dem Ziel, zeitliche, qualitative und quantitative Standards mit einer hohen Verbindlichkeit zu definieren und mit wirkungsvollen Sanktionsmechanismen zu bewehren. Die globalen Maßnahmen und Strukturen gegen die Erderwärmung zeigen die Unwirksamkeit von Zielprojektionen – dafür steht das sogenannte 1,5-Prozent-Limit – wenn sie nicht mit strengen durchsetzbaren Sanktionen verbunden sind.

    Für die globale Transformation zur Rückgewinnungswirtschaft (als Teil der Kreislaufwirtschaft) gilt ähnlich wie für die Maßnahmen gegen den Klimawandel das Gebot der Differenziertheit. Die Akteure mit dem höchsten Ressourcenverbrauch – das sind im Wesentlichen die Mitglieder der seit 1999 bestehenden G20-Gruppe, also die 19 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer, die Europäische Union (EU) und die Afrikanische Union (AU) – tragen die höchste Verantwortung für die Rückgewinnung und sollten deshalb quantitativ die größten Rückgewinnungsquoten erbringen. Diese Verpflichtungen betreffen nicht nur die G20-Gruppe, sondern sind auch aus der Exportperspektive zu sehen. Fast alle der 20 weltweit größten Exportländer sind zugleich Mitglieder der G20-Gruppe. Ihre Produzenten-Verantwortung im Sinne des erweiterten Verursacherprinzips betrifft auch die exportierten Güter. Daraus folgt, dass die Zielländer der Exporte dabei unterstützt werden müssen, Rückgewinnungsstrukturen zu etablieren, die den global gesetzten Standards gerecht werden. Alternativ müsste die Rückgewinnung nach Beendigung des Produktlebens in den Herstellerländern erfolgen.

    Mit der konsequenten Transformation zur Kreislauf- und Rückgewinnungswirtschaft verlieren auch die langlebigen Unterscheidungen zwischen rohstoffreichen – und rohstoffarmen Ländern Zug um Zug ihre tradierte Bedeutung. Denn je umfassender weitestgehend geschlossene Stoffkreisläufe etabliert werden, umso geringer wird die Bedeutung irdischer Ressourcen. Die Länder, die in der industriellen Wertschöpfung im globalen Maßstab an der Spitze stehen – dazu gehört Deutschland – werden bei weitestgehender Rückgewinnung auch über die größten stofflichen Ressourcen verfügen, und zwar weitestgehend unabhängig von den irdischen Vorkommen, die sich zudem zunehmend erschöpfen. Diese Korrelation zeigt den engen Zusammenhang zwischen den genannten Transformationsprozessen und den abnehmenden irdischen Ressourcen. Der Rohstoffbedarf bezieht sich derzeit in erster Linie auf diese Vorkommen. Er muss aber in nahen Zeiträumen weitestgehend aus zurückgewonnenen Stoffen gedeckt werden. Diese Rückgewinnung muss auch die exportierten Güter umfassen. Auch deshalb ist die Implementierung der Kreislaufwirtschaft ein globales Erfordernis.

    Im Kontext mit einem in der Zukunft mehr qualitativ determinierten Wachstumsverständnis spielen die verbleibenden Rohstoffvorkommen immer mehr die Rolle von Reservekapazitäten. Zugleich gewinnen die intellektuellen Ressourcen an Bedeutung. Auch deshalb haben Länder wie Deutschland mit ihrer Vorrangstellung als Industrie- und Exportnationen eine besondere Verantwortung bei der technischen, technologischen und naturwissenschaftlichen Bewältigung der Transformation zur Rückgewinnungswirtschaft, verfügen dafür aber auch über die größten Potenziale.

    Grundsätzliche und konkrete Schritte zur Implementierung des Begriffs

    Bei der Implementierung des Begriffs muss die Rückgewinnungswirtschaft die wesentlichen inhaltlichen Impulse setzen und sollte deshalb auch als Koordinator der Kommunikation fungieren. Das ist wie folgt zu begründen: 

    Erstens: Um Handlungen auszulösen sind Begründungen auch auf der konkreten Ebene nötig. Diese können substantiell belastbar und objektiv nur von den Protagonisten aufbereitet und formuliert werden, die mit den zugrunde liegenden Prozessen in allen Details befasst sind. Das sind die Unternehmen und Einrichtungen (Verbände, Forschungsstätten usw.) der Rückgewinnungswirtschaft.

    Zweitens: Die Rückgewinnung der in der tradierten Wertschöpfung verwendeten Stoffe ist das Kerngeschäft der gleichnamigen Branche. Sie  realisiert diese spezifische Wertschöpfung materiell und gewährleistet dies als Innovationsführer. Damit ist sie im Kreislauf an einer exponierten, letztlich der wichtigsten Stelle: Sie gewährleistet am Ende des Produktlebens die Rückgewinnung der Stoffe und schafft damit zugleich die Voraussetzung für den neuen Zyklus der Wertschöpfung. Aus dieser komplex definierten Schlüsselposition erwachsen neben der inhaltlich-informationellen Kompetenz  auch die moralische Legimitation und die Verpflichtung, die Kommunikation zum gesellschaftlichen Auftrag des Gesamtsystems der Kreislaufwirtschaft federführend zu konzipieren und zu realisieren.

    Drittens: Diese Kommunikation umfasst die folgenden Ebenen/Zielgruppen:

    1. Die gesamtgesellschaftliche Ebene, national und international, ohne Differenzierung der Adressaten mit dem Ziel ein übergreifendes Verständnis für das existentielle Erfordernis für die Kreislaufwirtschaft zu schaffen
    2. Die Ebene der politischen und gesellschaftlich relevanten Entscheidungsträger und Meinungsbildner
    3. Die Ebene der industriellen und gewerblichen Wertschöpfung und der Dienstleistungsbranchen mit dem Ziel, durch konkrete Beratung und Motivation optimale Bedingungen für die Funktionalität der Rückgewinnungswirtschaft zu etablieren
    4. Die Ebene der konsumierenden Endverbraucher (letztlich alle Bürger) sowie der kommunalen                 Gebietskörperschaften mit dem Ziel, auch auf der Ebene der individuellen Konsumtion die weitestgehende Rückgewinnung der Stoffe zu gewährleisten.

    Für alle Ebenen hat zu gelten, dass für die materielle Seite der Rückgewinnung auch im Detail die Machbarkeit ordnungspolitisch normiert wird. Zur Sicherung der regelgerechten Umsetzung müssen zudem eindeutige Sanktionsmöglichkeiten geschaffen werden, die engmaschig und konsequent zu exekutieren sind.
    Damit wird die Umsetzung weitgehend, aber nicht optimal gewährleistet. Um dieses Optimum zu erreichen ist ein gesellschaftliches und individuelles Bewusstsein dafür erforderlich, dass die Rückgewinnung der Stoffe auch das konsequente Handeln jedes Einzelnen voraussetzt. Das gilt für Individualstrukturen (Einzelpersonen, Familien) genauso wie für juristische Körperschaften (Unternehmen, Einrichtungen usw.).
    Es muss in der Kommunikation deutlich gemacht werden, dass diese Rückgewinnungspflicht im Sinne der Definitionen von Kreislaufwirtschaft und Daseinsvorsorge eine existentielle und neben der ordnungspolitischen Normierung auch eine ethisch-moralische Dimension hat.
    Unter dieser Prämisse muss auch die bisherige Abfallberatung neu gedacht und exekutiert werden. In der semantischen Logik der vorliegenden Definition wird aus Abfallberatung die Rückgewinnungsberatung.
    Die Implementierung des Begriffs kann nur über eine mehrjährige Kampagne auf der Grundlage eines komplex angelegten Kommunikationskonzepts erfolgen. Wesentliche Akteure sind die Branche und ihre Verbände (BDE, VKU) und die Arbeitnehmerseite, in erster Linie die inhaltlich zuständigen Strukturen der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi.
    Die Inhalte sind auch ein zentraler Gegenstand der neuen Rückgewinnungsberatung. Für die Kommunikation müssen sowohl tradierte Fach-Plattformen wie Messen (IFAT), Fachmedien (EUWID) übergreifende klassische Medien (TV, Rundfunk, überregionale und regionale Zeitungen / Zeitschriften), als auch die sozialen Medien genutzt werden.

    Perspektiven

    1. Die Transformation zur Rückgewinnungswirtschaft muss in Deutschland zügig und konsequent in Gang gesetzt werden. Dazu sind Normierungen im globalen Maßstab und auf Ebene der EU keine zwingende Voraussetzung. Gleichwohl bedarf es großer Anstrengungen, den weltweiten Diskurs zu diesen grundsätzlichen Weichenstellungen in einer neuen Qualität         und mit deutlich größerer Verbindlichkeit zu führen. Der dringend gebotene Paradigmenwechsel zu einer konsequenten Kreislaufwirtschaft kann grundsätzlich nur im globalen Maßstab erfolgen. Das ergibt sich allein schon aus der objektiven Begrenztheit der irdischen Ressourcen. In der Definition wird begründet, dass die Implementierung der Kreislaufwirtschaft mit dem integralen Bestandteil Rückgewinnungswirtschaft der wichtigste Beitrag zur Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius ist. Dieser Zusammenhang wird in den Weltklimakonferenzen weitestgehend ausgeblendet. Dieses Defizit muss dringend beseitigt werden. Der Kampf gegen die Erderwärmung und den existenzbedrohenden Klimawandel kann nur dann erfolgreich sein, wenn die Themen Klima und Kreislaufwirtschaft gemeinsam gedacht und Gegenstand integrierter radikaler Transformationsprozesse werden.
    2. Globale und nationale ordnungspolitische Normierungen sind zwei Seiten einer Medaille. Auf beiden Ebenen sind die Rückgewinnungsquoten für die Stoffe zu definieren, die in der Wertschöpfung im Sinne vorliegender Definition die größte qualitative und quantitative Bedeutung haben und festzulegen, bis wann diese Quoten erreicht werden müssen. Die     Zielerreichung ist in Intervallen vorzugeben und mit strengen Sanktionsmechanismen zu verknüpfen. Nationale Aktivitäten dürfen nicht mit dem Argument unterbleiben, dass die vollständige Transformation ein  globales Erfordernis ist. Das eine bedingt das andere. Wenn insbesondere die großen Volkswirtschaften als Vorbilder und Vorreiter Maßstäbe setzen,              wird das als Treiber für transnationale Aktivitäten wirken. Zudem sind die großen Industrienationen in herausgehobener Weise für die Vernichtung irdischer Ressourcen verantwortlich und haben deshalb auch eine besondere Verantwortung bei der Implementierung der Kreislaufwirtschaft mit dem Erfordernis zur weitestgehenden Rückgewinnung der Stoffe.   
    3. Da die Rückgewinnungswirtschaft integraler Bestandteil der Kreislaufwirtschaft ist, müssen die Vorgaben für dieses Segment im direkten Zusammenhang mit denen für alle weiteren Branchen normiert werden.
    4. Der Transformationsprozess ist aus politischer Perspektive die mit Abstand wichtigste nationale Zukunftsinvestition. Deshalb müssen temporär wirksame Fördermechanismen etabliert werden, auch um anfängliche Nachteile im internationalen Wettbewerb zu kompensieren.
    5. Mittel- und langfristig wird die konsequente und schnelle Transformation Deutschland eine Allein- und Spitzenstellung nicht nur in ökonomischer, sondern ökologischer und moralischer Hinsicht verschaffen. Abgebaut wird auch die große Abhängigkeit von Rohstoffimporten. Mit den herausgehobenen technischen und technologischen Kompetenzen, die aus und mit der Transformation erwachsen, kann Deutschland zum weltweiten Marktführer avancieren.
    6. Auch unter diesem Aspekt muss Deutschland zum maßgeblichen  Initiator der globalen Transformation zur Kreislaufwirtschaft mit dem Technologietreiber Rückgewinnungswirtschaft werden. Die internationalen Initiativen müssen sich in erster Linie auf die G20-Gruppe konzentrieren. Denn die Industriestaaten, die seit Beginn der industriellen Revolution nahezu ausschließlich zur existentiellen Bedrohung der Erde beigetragen haben, sind in erster verantwortlich für die Wiederherstellung einer lebenswerten Umwelt und deren nachhaltigen Erhalt.
    7. Der Begriff Schwellenländer für maßgebliche Teile dieser Staatengruppe ist generell, vor allem aber auch mit Blick auf die Transformationsziele, ungeeignet. Länder wie in erster Linie China, Indien und Brasilien gehören vielmehr zur Gruppe der größten Industrieländern, deren Produktionsweise ist kapitalistisch und der Beitrag zur ökologischen Zerstörung der Erde ist überproportional groß. Deshalb müssen diese Länder signifikant zur Transformation beitragen.

    Auch unter Hinweis auf die Definition Kreislaufwirtschaft ist zu postulieren, dass wegen der realen und kurzfristigen existentiellen Bedrohungslage analog zum Sektor Klima auch für alle weiteren Aspekte der Kreislaufwirtschaft – also auch die Rückgewinnungswirtschaft – bis zum Jahr 2050 die grundlegende Trendwende vollzogen und bis Ende des 21. Jahrhunderts   abgeschlossen sein muss.

    GEPRÜFTES WISSEN
    Über 200 Experten aus Wissenschaft und Praxis.
    Mehr als 25.000 Stichwörter kostenlos Online.
    Das Original: Gabler Wirtschaftslexikon

    zuletzt besuchte Definitionen...

      Literaturhinweise SpringerProfessional.de

      Bücher auf springer.com