Wohnungsgenossenschaft
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kooperative Wohnungsunternehmen (auch als Bauvereine, Baugenossenschaften, Wohnungsbaugenossenschaften, Bau- und Sparvereine u.a. bezeichnet), die für ihre Mitgliederhaushalte im Wohn- und Immobilienbereich Aufgaben übernehmen, die diese aus ihrer wirtschaftlichen Situation heraus grundsätzlich zu erfüllen nicht in der Lage sind.
1. Begriff und Prinzipien: Eine Wohnungsgenossenschaft ist eine Personengruppe, deren Personenzahl nicht geschlossen ist, und die im Bereich des Wohnens oder der Immobilienwirtschaft gemeinsame Zwecke verfolgt. Durch gruppenmäßige Selbsthilfe soll eine wohnungs- und immobilienwirtschaftliche Besserstellung ihrer Mitglieder realisiert werden. Es handelt sich um einen auf Dauer angelegten gemeinsamen Geschäftsbetrieb i.d.R. in der Rechtsform einer eingetragenen Genossenschaft (eG), der mit der Personengruppe in einer Leistungsbeziehung steht und eine direkte oder indirekte Förderung der Genossenschaftsmitglieder erreichen soll. Die Mitgliederförderung durch Selbsthilfe ist das Wesensprinzip der Wohnungsgenossenschaft, wobei es sich um eine wirtschaftliche Nutzenstiftung (Ermöglichung der Nutzung preiswerter Wohnungen, des Erwerbs preisgünstigen Wohneigentums bzw. der Inanspruchnahme attraktiver Dienstleistungen rund um das Wohnen) handelt. Bei Wohnungsgenossenschaften geht es um eine individuelle Förderung der Mitglieder und nicht – wie bei kommunalen Wohnungsgesellschaften - um eine Versorgung breiter Schichten der Bevölkerung mit Wohnungen. Im Zusammenwirken zwischen Personenvereinigung und Geschäftsbetrieb ist das Prinzip der Doppelnatur der Genossenschaften zu sehen; außerdem sind Wohnungsgenossenschaften an den Unternehmensgrundsätzen der genossenschaftlichen Selbstverwaltung (Genossenschaftsorgane), dem Subsidiaritätsprinzip, dem Solidaritätsprinzip u.a. ausgerichtet.
2. Arten und Funktionen: Nach den unterschiedlichen strategischen Geschäftsfeldern der Wohnungsgenossenschaft sind verschiedene Unternehmensarten zu unterscheiden, die entsprechend differierende Aufgaben für ihre Mitglieder übernehmen.
a) Bei der Vermietungsgenossenschaft handelt es sich um eine Wohnungsgenossenschaft, deren Geschäftstätigkeit primär oder ausschließlich auf die Nutzungsüberlassung von Wohnungen an die Genossenschaftsmitglieder ausgerichtet ist. Wenn sich nicht weniger als 90 Prozent des Geschäftsvolumens einer derartigen Wohnungsgenossenschaft aus Einnahmen aus der Vermietung von Wohnraum an die Mitglieder ergeben, ist die Genossenschaft steuerbefreit.
b) Bei der Bauträgerwohnungsgenossenschaft ist die Geschäftstätigkeit dahingehend ausgerichtet, Wohnungen oder Eigenheime zu erstellen und an die Genossenschaftsmitglieder zu verkaufen.
c) Eine Kombination dieser beiden Genossenschaftsarten ist in der Vermietungs- und Eigentumswohnungsgenossenschaft gegeben, die in Deutschland die Mehrzahl der Wohnungsgenossenschaften ausmacht. Die überwiegende Zahl der Wohnungsgenossenschaften führt das Vermietungsgeschäft an die Mitglieder durch und hat noch in geringerem Umfang das Bauträgergeschäft als Geschäftsfeld.
d) Eine wohnungsbezogene Dienstleistungsgenossenschaft ist dann vorhanden, wenn diese für ihre Mitglieder und in geringerem Umfang für die Nichtmitglieder Leistungen anbietet, die nicht nur in der Vermietung von Wohnungen und der Vermittlung von Wohneigentum, sondern auf Geschäftsfelder „rund um das Wohnen“ ausgerichtet sind (altersgerechtes Wohnen und Versorgen, Vermittlung von immobilienbezogenen Versicherungen und Bausparverträgen, Entgegennahme von Spargeldern der Mitglieder durch die Wohnungsgenossenschaften mit Spareinrichtung).
e) Eine Dienstleistungsgenossenschaft mit immobilienwirtschaftlicher Herkunft tritt dann auf, wenn ein solches Unternehmen vielfältige Geschäftssparten übernommen hat - auch solche, die nicht dem Wohnungs- und Immobilienbereich zuzuordnen sind -, jedoch die wirtschaftshistorische Herkunft aus dem Bereich der Wohnungsgenossenschaft gegeben ist (Reisebüros, Lebensmitteleinzelhandelsgeschäfte, Durchführung von Handwerks- und allg. Dienstleistungen). Obwohl gegenwärtig in Deutschland die Vermietungsgenossenschaften mit Bauträgeraktivitäten dominieren, wird zukünftig in den Wohnungsgenossenschaften der Dienstleistungsbereich als Geschäftsfeld von steigender Bedeutung sein.
3. Strukturen: Die Struktur der Wohnungsgenossenschaften wird durch die Anzahl und Größe der Unternehmen, die Zusammensetzung der Mitgliedschaft nach soziologischen und wirtschaftlichen Kriterien, das Auftreten an unterschiedlichen Standorten sowie in unterschiedlichen Rechtsformen gekennzeichnet.
a) Bei den Wohnungsgenossenschaften dominieren in Deutschland die kleinen Unternehmensgrößen.
b) In demografischer Hinsicht ist festzustellen, dass die Wohnungsnutzer primär Ein- bis Zweipersonen-Haushalte sind und zumeist eine Überalterung der Mitglieder vorliegt.
c) Bei der Struktur der Unternehmensformen ist erkennbar, dass die Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft dominiert, dass aber auch Wohnungsgenossenschaften in anderen Rechtsformen, speziell der GmbH, auftreten.
4. Gesamtwirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung: Wohnungsgenossenschaften sind in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden und erreichten zu Beginn des 20. Jahrhunderts und in den 20er-Jahren einen Höhepunkt in ihrer Entwicklung (1890: 50, 1914: 1.402, 1930: 4.132, 1948: 2.048 und 2011: 1.921 Wohnungsgenossenschaften in Deutschland). Die Wohnungsgenossenschaften haben 2,846 Mio. Mitglieder und einen Wohnungsbestand von 2,18 Mio. Wohnungen; das Geschäftsguthaben der Mitglieder macht 2011 insgesamt 3,505 Mrd. Euro aus. Rund 800 Wohnungsgenossenschaften aus den neuen Bundesländern mit 1,1 Mio. Wohnungen und 1 Mio. Genossenschaftsmitgliedern haben zu einer beachtlichen Stärkung der genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen in Deutschland beigetragen.
Die Wohnungsgenossenschaften werden zukünftig eine günstige Entwicklungsmöglichkeit haben, weil ihre genossenschaftlichen Unternehmensprinzipien mit den gesellschaftlichen Grundwerten (Freiheit, Eigen- und Selbstverantwortung, Mitbestimmung im Unternehmen, persönliche Kommunikation und Freiheit etc.) übereinstimmen. Auch neue kooperative Wohnformen - etwa im altersausgerichteten Wohnen - werden an Bedeutung gewinnen.