Europäische Beschäftigungspolitik
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1. Begriff: Der Amsterdamer Vertrag von 1997 enthält erstmals ein eigenständiges Kapitel (ursprünglich Art. 125-130, inzwischen Art. 145-150 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union [AEUV]) zur gemeinsamen Beschäftigungspolitik, genauer zur engeren supranationalen Koordinierung und Steuerung der nationalen Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitiken, die deutliche Unterschiede aufweisen und auf spezifische Problemlagen eingehen müssen. Sie verbleiben jedoch wegen des Subsidiaritätsprinzips primär in nationaler Zuständigkeit, eine eigenständige Kompetenz der EU wird nicht begründet.
2. Verfahren: Die nationalen und supranationalen Akteure beschließen mittelfristig geltende „Beschäftigungspolitische Leitlinien”. Die Mitgliedsländer sind gehalten, diese gemeinsamen Leitlinien in sog. nationalen Aktionsplänen (NAPs) mithilfe ihrer nationalspezifischen Instrumente und Verfahren umzusetzen und jährlich Bericht über ihre Aktivitäten und Fortschritte zu erstatten. Die Kommission evaluiert diese nationalen Berichte (Monitoring) und erstellt einen synthetisierenden gemeinsamen Beschäftigungsbericht, der u.a. Vergleiche zwischen Ländern enthält (Benchmarking) sowie Best Practices präsentiert. Nach Konsultation anderer EU-Gremien kann der Ministerrat mit qualifizierter Mehrheit an die Mitgliedsstaaten Handlungsempfehlungen aussprechen, die publiziert werden, aber ausschließlich nicht bindenden Charakter haben.
3. Inhalte: Die erste Generation (1998-2002) bestand aus vier „Säulen” (Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit, Entwicklung des Unternehmergeistes, Förderung der Anpassungsfähigkeit der Unternehmen und ihrer Arbeitnehmer, Stärkung und Ausbau der Maßnahmen für Chancengleichheit). Nach Überarbeitung und Wirkungsbewertung bestand die zweite Generation (2003-2008) aus drei übergreifenden "Querschnittsthemen" (Vollbeschäftigung, Steigerung der Arbeitsplatzqualität und der Arbeitsproduktivität, Stärkung des sozialen Zusammenhalts und der sozialen Eingliederung). Diese Ziele wurden in der folgenden Phase (2008-2010) kaum verändert. Seit 2005 erfolgt jedoch eine engere Abstimmung mit den Grundzügen der Wirtschaftspolitik bzw. die Zusammenführung beider Prozesse in den integrierten Leitlinien für Wachstum und Beschäftigung (modifizierte Lissabon-Strategie). 2010 wurden die beschäftigungspolitischen Leitlinien an die neue Wachstumsstrategie "Europa 2020" angepasst (Erhöhung der Beschäftigungsquote, Abbau der strukturellen Arbeitslosigkeit und Förderung der Arbeitsplatzqualität, Heranbildung von Arbeitskräften und Förderung lebenslangen Lernens, Steigerung der Qualität und Leistungsfähigkeit der Bildungssysteme und Verbesserung des Zugangs zur Hochschulbildung, Bekämpfung von gesellschaftlicher Armut und Ausgrenzung). Diese Zehnjahresstrategie hat zum Ziel, Beschäftigung und intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum zu schaffen. Die Umsetzung erfolgt nunmehr im Rahmen des Europäischen Semesters in vier Schritten (beschäftigungspolitische Leitlinien, gemeinsamer Beschäftigungsbericht, nationale Reformprogramme, Länderberichte und länderspezifische Empfehlungen.
4. Folgen: Die „offene Methode der Koordinierung” (OMK) stellt ein neues, im Vergleich zu früheren "weiches" Instrument der EU-Regulierung dar, welches am Beispiel der Beschäftigungspolitik entwickelt wurde, inzwischen aber auch in anderen Politikfeldern (wie soziale Inklusion und Gender Mainstreaming) Anwendung findet. Angesichts des primär politischen Charakters der Europäischen Beschäftigungsstrategie sind in methodischer Hinsicht Kausalbeziehungen der Interaktion zwischen nationaler und europäischer Ebene kaum zu ermitteln und messbare, durch die europäische Beschäftigungsstrategie verursachte Veränderungen (Wirkung) schwierig zu belegen. Zumindest in einigen Mitgliedsländern sind prozedurale Veränderungen in Governance und Politikgestaltung tiefergehend als substantielle. Aktuell wird als Antwort auf die Finanz- und Schuldenkrise verschiedentlich eine weitergehende Integration gefordert.
Vgl. auch Beschäftigungspolitik.