Netzplantechnik
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1. Begriff: Klasse von Methoden zur Analyse, Planung, Durchführung und Kontrolle, d.h. zur Unterstützung des Managements, von Projekten auf der Grundlage der Graphentheorie.
2. Phasen (simultan ablaufend, möglicherweise Vorwärts- und Rückkopplungen zwischen diesen): a) Strukturanalyse und -planung: Diese Phase beinhaltet die Zerlegung des Gesamtprojekts in überschaubare Teiltätigkeiten (Graph) und/oder die Ermittlung wichtiger Projektzustände (Ereignisse), zu denen etwa Projektbeginn und -ende gehören. Für die Vorgänge sind ihre bei einem bestimmten vorgesehenen, oft kostenminimalen Faktoreinsatz zu erwartenden Ausführungsdauern zu bestimmen; in Bezug auf Vorgänge und Ereignisse müssen ihre gegenseitigen zeitlichen Anordnungsbeziehungen (d.h. ihre zeitliche Reihenfolge) ermittelt bzw. festgelegt werden. Schließlich erfolgt die Darstellung von Vorgängen, ihren Dauern, von Ereignissen und Abhängigkeiten in einem Pfeildiagramm (Netzplan).
b) Zeitanalyse und -planung: Auf der Grundlage des erstellten Netzplans berechnet man in einer Vorwärtsrechnung (ausgehend vom Projektbeginn) für jeden Vorgang dessen frühestmöglichen Anfangs- und Endzeitpunkt bzw. für jedes Ereignis den frühestmöglichen Eintrittszeitpunkt. U.a. erhält man so auch den frühesten Beendigungstermin des Projekts bzw. dessen Gesamtdauer. Nach Vorgabe eines spätesterlaubten Beendigungstermins (der i.d.R. mit dem frühesten Beendigungstermin identisch angenommen wird, aber nicht vor diesem liegen darf) ließe sich analog in einer Rückwärtsrechnung für jeden Vorgang ein spätesterlaubter Anfangs- und Endzeitpunkt bzw. für jedes Ereignis ein spätesterlaubter Eintrittszeitpunkt berechnen. Abweichungen zwischen frühestmöglichen und spätesterlaubten Zeitpunkten definieren Pufferzeiten, die auf Ausdehnungsmöglichkeiten (bei Vorgängen) bzw. auf Verschiebungsmöglichkeiten (bei Vorgängen und Ereignissen) hinweisen. Vorgänge bzw. Ereignisse ohne Pufferzeit bezeichnet man als kritisch. Sie sind bei der Ausführung des Projekts bes. sorgfältig zu überwachen, da eine zeitliche Verzögerung bei ihnen sofort das Projekt über den spätesterlaubten Beendigungstermin hinaus verzögern würde. Kritische Vorgänge bieten darüber hinaus Ansatzpunkte zur Verkürzung der Projektdauer (sofern erforderlich).
c) Kapazitätsanalyse und -planung: Hat man jedem Vorgang seinen zeitpunktbezogenen Faktorbedarf im Hinblick auf bestimmte interessierende Faktorarten zugeordnet, so kann man für jede Faktorart auf der Grundlage der frühesten Anfangszeitpunkte eine Kapazitätsbelastungskurve bestimmen, die für jeden Zeitpunkt des Projekts Auskunft darüber gibt, welche Menge des betreffenden Faktors insgesamt (d.h. über sämtliche in diesem Zeitpunkt auszuführende Vorgänge aufsummiert) gerade benötigt werden. Spitzenbelastungen lassen sich bei konstanten Vorgangsdauern häufig zunächst durch eine zeitliche Verschiebung von Vorgängen im Rahmen ihrer Pufferzeiten abbauen (Glättung der Kapazitätsbelastungskurve). Ohne die Projektdauer zu verlängern lassen sich weitere Glättungen oft dadurch erreichen, dass man bei Vorgängen mit Pufferzeiten die zunächst vorgesehene Faktoreinsatzmenge reduziert (etwa Einsatz von zwei Arbeitskräften anstelle von dreien), was gewöhnlich eine entsprechende Verlängerung der betreffenden Vorgangsdauer bewirkt (bei einem Gesamtbedarf von etwa 30 Manntagen für einen bestimmten Vorgang also eine Verlängerung von 10 auf 15 Arbeitstage). Auch dann kann immer noch zu gewissen Zeitpunkten der Kapazitätsbedarf die vorhandene bzw. beschaffbare Kapazität übersteigen. In einem solchen Fall müssen Vorgänge, die aufgrund der in der Strukturanalyse ermittelten Abhängigkeiten an sich zeitlich parallel ausgeführt werden könnten, hintereinander durchgeführt werden. Es kommt dann zwangsläufig zu einer Verlängerung der Projektdauer, wobei - im Rahmen der bereits vorgegebenen Abhängigkeiten - gewöhnlich eine solche Vorgangsreihenfolge zu bestimmen ist, welche zur geringsten Verlängerung der Projektdauer führt. Eine Glättung bzw. Optimierung in Bezug auf eine Faktorart bewirkt aber wiederum Veränderungen an den Kapazitätsbelastungskurven anderer Faktoren, die bei diesen möglicherweise zu neuen Kapazitätsspitzen bzw. Überbeanspruchungen führen. In der Praxis wird deshalb gewöhnlich eine Reihenfolge der Faktoren vorgegeben, in der die Glättung/Optimierung durchzuführen ist.
d) Kostenanalyse und -planung: Aufbauend auf den Ergebnissen der Kapazitätsplanung lässt sich durch Bewertung der jeweiligen Faktoreinsatzmengen mit ihren jeweiligen (Verrechnungs-)Preisen eine Kostenanalyse durchführen und die Entwicklung der Kosten im Zeitablauf, etwa in Form von kumulierten Kostenkurven, darstellen. Eine Kostenplanung ist v.a. erforderlich, wenn die zunächst berechnete minimale Projektdauer über der gewünschten liegt. In diesem Fall muss man überlegen, welche Vorgänge unter Einsatz zusätzlicher Faktoren oder Faktormengen verkürzt werden sollen, sodass einerseits die gewünschte Projektdauer nicht überschritten wird, andererseits die Kosten der Verkürzung der Projektdauer minimal werden.
e) Liquiditätsanalyse und -planung: Analog zur Kostenanalyse lässt sich eine Liquiditätsanalyse durchführen, welche ebenfalls auf den geplanten Faktormengen aufbaut, aber deren unterschiedliche (Aus-)Zahlungswirksamkeit berücksichtigt. Eine solche Liquiditätsanalyse ist v.a. bei solchen Projekten angebracht, die sich über sehr lange Zeiträume hinziehen. Auf ihrer Grundlage lässt sich dann eine sorgfältig begründete Einnahmenplanung (etwa der Vorauszahlungen der Projektbesteller) durchführen.
f) Durchführung und Kontrolle: Die Ergebnisse der Zeit- und Kapazitätsplanung bilden die Grundlage für die Realisierung des Projekts. Die Ergebnisse der Zeit-, Kapazitäts-, Kosten- und Liquiditätsplanung lassen sich außerdem zu Kontrollzwecken verwenden, indem man sie den tatsächlichen Größen gegenüberstellt und bei unerwünschten Abweichungen Gegenmaßnahmen einleitet. Diese führen regelmäßig zu Revisionen der vorangegangenen Teilplanungen.
3. Arten: a) Nach Orientierung in Bezug auf ihre Untersuchungsstandpunkte (1) Vorgangsorientierte Netzplantechniken bauen auf Listen von Vorgängen, den Vorgangsdauern und ihrer Abhängigkeiten auf und stellen neue, daraus berechnete Informationen über Vorgänge zur Verfügung. Die Abbildung von Vorgängen kann in Form von Pfeilen (Vorgangspfeilnetzpläne, z.B. CPK) oder in Form von Knoten (Vorgangsknotennetzpläne, z.B. NPK) erfolgen.
(2) Ereignisorientierte Netzplantechniken (z.B. PERT) bauen auf Ereignisse und ihre zeitliche Abfolge auf. Ereignisse werden stets als Knoten dargestellt Ereignisknotennetzplan), wie in Vorgangsnetzplänen kommen in den Pfeilen lediglich Anordnungsbeziehungen zum Ausdruck.
b) Nach der Art der Anordnungsbeziehungen, die sie zulassen: Dabei kann es sich um zeitliche Minimal- oder Maximalabstände handeln, wobei diese Zeitabstände grundsätzlich größer, gleich oder auch kleiner als Null sein können. Als Bezugspunkt für die Festlegung eines zeitlichen Abstands kann bei einem Vorgang sein Beginn oder sein Ende gewählt werden. Entsprechend werden folgende Beziehungstypen zwischen zwei Vorgängen unterschieden:
(1) Ende-Anfang-Beziehung (Normalfolge);
(2) Anfang-Anfang-Beziehung (Anfangsfolge);
(3) Ende-Ende-Beziehung (Endfolge);
(4) Anfang-Ende-Beziehung (Sprungfolge).
Vgl. auch Bündelbedingung. Die meisten Netzplantechniken lassen nur ausgewählte Anordnungsbeziehungen zu. Andere in der Realität auftretende, aber im Netzplan zunächst nicht darstellbare Beziehungen können dann häufig allenfalls durch geschickte Manipulation eingebaut werden.
c) Von einer deterministischen Netzplantechnik spricht man, wenn sämtliche Vorgangsdauern bzw. Zeitabstände als sicher angenommen/angesehen werden (z.B. CPM, MPM); bei einer stochastischen Netzplantechnik (z.B. PERT) können für die Vorgangsdauern/Zeitabstände dagegen auch Wahrscheinlichkeitsverteilungen angesetzt werden.
4. Anwendungen: Die Methoden der Netzplantechnik bilden - neben denjenigen der linearen Optimierung - den Teil des Operations Research (OR), der die weiteste Verbreitung in der ökonomischen Praxis gefunden hat. Das liegt u.a. an der Vielfalt ausgereifter Softwarepakete, die sowohl für Mainframe als auch für Personalcomputer zur Verfügung stehen. Typische Anwendungen in der betriebswirtschaftlichen Praxis betreffen v.a. den Bereich der Produktion (Terminplanung bei Einzelfertigung, etwa von Industrieanlagen, Universitäten, Krankenhäusern, Brücken, Schiffen), die Instandhaltung (Durchführung von Großreparaturen wie etwa an Hochöfen), das Marketing (Einführungsplanung neuer Produkte), das Rechnungswesen (Erstellung von Jahresabschlüssen) oder die Verwaltung (Einführung von EDV-Anlagen).