Insolvenzanfechtung
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Inhaltsverzeichnis
Recht des Insolvenzverwalters, gewisse kurz vor Insolvenzeröffnung von oder mit dem Gemeinschuldner zum Nachteil der Insolvenzgläubiger vorgenommene Rechtshandlungen in ihren Wirkungen rückgängig zu machen und die veräußerten Vermögenswerte zur Insolvenzmasse zu ziehen (§§ 129–147 InsO).
Zweck: Um eine gleichmäßige Befriedigung aller Insolvenzgläubiger zu erreichen, soll verhindert werden, dass der Schuldner bei drohender Insolvenz Rechtshandlungen zu seinem persönlichen oder zum Vorteil einzelner Gläubiger vornimmt; einzelnen Gläubigern soll die Möglichkeit genommen werden, sich im letzten Augenblick auf Kosten der Gesamtheit der Gläubiger zu sichern.
Allgemeine Voraussetzungen
1. Von dem Schuldner oder ihm gegenüber muss vor Insolvenzeröffnung eine wirksame Rechtshandlung vorgenommen worden sein, z.B. Verfügungs- und Verpflichtungsgeschäft, benachteiligende Prozesshandlung.
2. Die anteilige Befriedigung der Insolvenzgläubiger muss durch Minderung der Insolvenzmasse beeinträchtigt sein.
Einzelfälle
Grundsätzlich sind Rechtshandlungen, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen wurden und Insolvenzgläubiger benachteiligen, anfechtbar (§ 129 InsO).
1. Anfechtbar sind in den letzten drei Monaten vor Insolvenzeröffnung oder aber nach Stellung des Insolvenzantrags vorgenommen Rechtshandlungen, durch die einem Insolvenzgläubiger eine Befriedigung oder Sicherung ermöglicht wurde und der Schuldner zz. der Handlung zahlungsunfähig war. Voraussetzung ist jeweils, dass der Gläubiger zz. der Handlung um die Zahlungsunfähigkeit bzw. den Insolvenzantrag wusste. Bei nahe stehenden Personen (§ 138 InsO), also Verwandten des Schuldners oder von Mitgliedern von Vertretungsorganen von juristischen Personen oder von persönlich haftenden Gesellschaftern, wird diese Kenntnis vermutet, bei den anderen muss sie der Insolvenzverwalter beweisen (§ 130 InsO).
2. Anfechtbar sind weiter im letzten Monat vor dem Insolvenzantrag oder dem zweiten und dritten Monat vor dem Insolvenzantrag vorgenommene Rechtshandlungen, durch die ein Insolvenzgläubiger befriedigt wurde, obwohl ihm dies nicht oder noch nicht zustand, wenn entweder der Schuldner zahlungsunfähig war oder der Gläubiger um die Benachteiligung der Insolvenzgläubiger wusste. Bei nahe stehenden Personen wird dieses Wissen wieder vermutet (§ 131 InsO).
3. Auch eine in den letzten drei Monaten vor Insolvenzantrag vorgenommene Rechtshandlung, die Gläubiger unmittelbar benachteiligt, kann angefochten werden, wenn der andere Teil die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners kannte oder wenn die Rechtshandlung zwar nach Insolvenzantrag vorgenommen wurde, der andere Teil zz. des Rechtsgeschäfts jedoch die Zahlungsunfähigkeit oder den Insolvenzantrag kannte (§ 132 InsO).
4. Bei der Absichtsanfechtung kann eine in den letzten zehn Jahren vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder auch nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommene Rechtshandlung angefochten werden, wenn der andere Teil zz. der Handlung diesen Vorsatz kannte (§ 133 InsO).
5. Anfechtbar ist auch ein entgeltlicher Vertrag mit nahe stehenden Personen, durch den die Insolvenzgläubiger benachteiligt werden, es sei denn, dieser wurde früher als zwei Jahre vor dem Eröffnungsantrag geschlossen oder dem anderen Teil war die Benachteiligungsabsicht des Gläubigers nicht bekannt (§ 133 II 2 InsO).
6. Bei der sog. Schenkungsanfechtung ist auch eine unentgeltliche Leistung des Schuldners anfechtbar, wenn sie nicht früher als vier Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen wurde (§ 134 InsO).
7. Eine in den letzten zehn Jahren vor dem Insolvenzantrag oder nach diesem Antrag vorgenommene Rechtshandlung, die für die Forderung eines Gesellschafters auf Rückgewähr eines Darlehens oder einer wirtschaftlich entsprechenden Leistung Sicherheit gewährt hat, kann ebenfalls angefochten werden. Wurde Befriedigung gewährt, muss die Rechtshandlung im letzten Jahr vor oder nach dem Insolvenzantrag vorgenommen worden sein, um anfechtbar zu sein (§ 135 I InsO). Gleiches gilt im Hinblick auf dieBefriedigung von Darlehensforderungen Dritter, für die ein Gesellschafter eine Sicherheit bestellt oder sich verbürgt hatte (§ 135 II InsO).
8. Ferner ist anfechtbar eine Rechtshandlung, durch die einem stillen Gesellschafter seine Einlage ganz oder teilweise zurückgewährt oder sein Anteil an dem erlittenen Verlust ganz oder teilweise erlassen wurde, wenn die zugrunde liegende Vereinbarung im letzten Jahr vor Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag getroffen wurde (§ 136 InsO).
Durchführung
Falls keine Einigung zu erzielen ist, kann die Insolvenzanfechtung nur durch Erhebung der Klage seitens des Insolvenzverwalters geltend gemacht werden, und zwar binnen drei Jahren seit Insolvenzeröffnung (§ 146 InsO).
Anfechtungsgegner ist derjenige, der anfechtbar empfangen hat, oder dessen Gesamtrechtsnachfolger. Dieser ist verpflichtet, das aus dem Vermögen des Gesamtschuldners Weggegebene zur Insolvenzmasse zurückzugewähren (§ 143 InsO), und zwar so, als wenn die Weggabe nicht erfolgt wäre (grundsätzlich Rückgabe in Natur; Geldersatz nur, wenn Rückgewähr in Natur nicht möglich ist, auch infolge von Veräußerungen der Sache).
Eine eingeschränkte Haftung des Einzelrechtsnachfolgers besteht nur, wenn er unentgeltlich erworben hat oder beim Erwerb die Umstände kannte, die den Erwerb seines Vorgängers anfechtbar machten oder eine dem Schuldner nahe stehende Person (§ 138 InsO) nachweist, dass ihr die Anfechtungsgründe unbekannt waren (§ 145 InsO). Hatte der Gegner eine Gegenleistung erbracht und ist diese noch unterscheidbar vorhanden oder ist die Masse um den Wert der Gegenleistung bereichert, so kann der Gegner seine Leistung voll zurückverlangen, und zwar als Massegläubiger (andernfalls nur Insolvenzforderung; § 144 InsO). Wird das zu Befriedigung einer Verbindlichkeit geleistete aufgrund der Insolvenzanfechtung zur Masse zurückgewährt, so lebt die Forderung wieder auf.