Utilitarismus
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1. Begriff: Konzeption, die ethische Urteile über Handlungen und/oder Regeln auf den Nutzen für alle stützt, den sie stiften: Erwünschte nicht-moralische Güter (z.B. Glück, Reichtum) qualifizieren jene Handlungen bzw. Regeln, die diese Güter maximieren, als „moralisch gut“. Es handelt sich beim Utilitarismus daher um eine teleologische Ethikauffassung (Ethik).
2. Bestimmungen des „Nutzens“: Utilitaristische Konzeptionen unterscheiden sich u.a. darin, was sie als „Nutzen“ ansehen. Das Spektrum reicht von pleasure, Glück bzw. Glückseligkeit (Bentham) über Lust, ferner Erkenntnis bzw. Liebe (Mill, Moore) bis zum offenen Nutzenbegriff bestimmter Richtungen der Ökonomik.
3. Bedeutung: Der Utilitarismus hat aufgrund der grundlegenden Kategorie „Nutzen“ auf breiter Front Eingang in die moderne Ökonomik gefunden, von Kosten-Nutzen-Analysen bis hin zu theoretischen Grundlagen ökonomischer Modelle, die höchst einflussreich waren und sind. Selbst Autoren wie Hare oder Mackie, die dem Utilitarismus durchaus kritisch gegenüberstehen, und sogar ausgesprochene Utilitarismus-Kritiker wie Sen und Williams heben hervor, dass zumindest in Teilbereichen auf Rationalisierungen nach utilitaristischem Argumentationsmuster nicht verzichtet werden kann.
4. Theoretische Probleme des Utilitarismus: Die theoretischen Probleme des Utilitarismus liegen in der axiomatischen Grundlegung (v.a. Konsistenz und Vollständigkeitspostulate) sowie in der Messbarkeit, den interpersonellen Nutzenvergleichen und der Verteilung.
5. Ethische Kritik am Utilitarismus: Es bleibt aus der Sicht der Ethik ein grundlegender, konzeptionell bedingter Kritikpunkt bestehen: Dem Utilitarismus ist es bis heute nicht gelungen, die intuitiven Moralvorstellungen der meisten Menschen in Bezug auf die „Autonomie“ der „Person“ – auf ihre grundlegenden Rechte, auf die Verbindlichkeit moralischer Regeln - theoretisch zu rekonstruieren. Selbst Harsanyi, der mit der Tradition des Utilitarismus den Nutzen aller Individuen ein gleiches Gewicht beilegt und dies mit dem demokratischen Prinzip begründet, kommt nicht darum herum, die individuellen Nutzen zu aggregieren, bevor die Maximierung des Durchschnittsnutzens vorgenommen werden kann. Damit können Individuen bzw. ihre Nutzen mit den Nutzen anderer verrechnet werden - mit der Folge, dass Nutzeneinbußen einzelner von größeren Nutzengewinnen anderer aufgewogen werden können. Die Autonomie bzw. Würde der Person und die Menschenrechte stehen damit prinzipiell zur Disposition. In der Sprache von Rawls, der seine „Theorie der Gerechtigkeit” als Gegenentwurf gegen den Utilitarismus versteht, bedeutet dies: „Der Utilitarismus nimmt die Verschiedenheit der einzelnen Menschen nicht ernst.“ Innerhalb des Utilitarismus gibt es Versuche, diesen Bedenken Rechnung zu tragen: Die bes. starke Gewichtung von individueller Freiheit und Menschenrechten im Vergleich zu anderen Gütern, aber auch die Behauptung, dass langfristig Systeme mit individueller Freiheit und Menschenrechten immer erfolgreicher seien als Systeme ohne diese Rechte, gehen in diese Richtung.
6. Weiterentwicklung des Utilitarismus: Solche Überlegungen haben bei einer Reihe von Autoren, die die theoretischen Leistungen des Utilitarismus anerkannt und erhalten wissen möchten, dazu geführt, den Utilitarismus zu ergänzen, v.a. durch das Prinzip der Gerechtigkeit: So Lyons, Trapp. Andere wie Brandt entwickeln den Regel-Utilitarismus in einer Weise weiter, dass er für Kritiker, z.B. für Rawls oder Williams, seinen utilitaristischen Charakter verliert. Wieder andere wie Mackie oder Hare schränken den Bereich der sinnvollen Verwendung utilitaristischer Argumentationen auf Teilbereiche oder bes. Fälle der Ethik ein.
Vgl. auch Verteilungspolitik, Verteilungsgerechtigkeit.