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Verteilungsgerechtigkeit

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Das Original: Gabler Wirtschaftslexikon

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    Ausführliche Definition im Online-Lexikon

    1. Begriff: Das normative Ziel der Verteilungsgerechtigkeit ist höchst umstritten und deshalb auch nicht in den Katalog wirtschaftspolitischer Oberziele des Stabilitäts- und Wachstumgsgesetzes (StWG) aufgenommen worden. Die kontroversen Leitbilder reichen von der Forderung nach dem unkorrigierten Leistungsprinzip bis zur Empfehlung der absoluten Gleichverteilung.

    2. Konflikte: a) Das Ziel Verteilungsgerechtigkeit ist in mehrfacher Hinsicht umstritten. Nach Meinung vieler Liberaler ist es aus dem Katalog der gesamtwirtschaftlichen Ziele zu streichen. Dagegen sehen viele Postkeynesianer gerade die Verletzung des Ziels Verteilungsgerechtigkeit als eine der Hauptursachen für anhaltende Instabilitäten an. Die ökonomische Analyse selbst liefert keine Verteilungsnorm. Wirtschafts- und Verteilungspolitik müssen sich demnach auf anderweitig gewonnene Leitbilder bzw. Normen berufen. Die Leitbilder der Wirtschaftspolitik, Liberalismus (Leistungsgesellschaft) und Egalitarismus (Gleichheitsauffassung, Gleichheitsprinzip), beinhalten gemeinsam die Grundwerte Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität. Unter diesen allg. anerkannten Grundwerten nimmt Freiheit den zentralen Platz ein, denn in diesem Wert sind - bei angemessenem Verständnis des Menschen in seiner Gesellschaftlichkeit - die beiden anderen Grundwerte mitenthalten. Freiheit kann nicht einfach (und nur) Verzicht der staatlichen und gesellschaftlichen Organe auf Eingriffe ins wirtschaftliche Geschehen bedeuten, denn dann profitieren die einzelnen Wirtschaftssubjekte aufgrund unterschiedlicher ökonomischer und sozialer Ausgangsbedingungen höchst unterschiedlich von den so geschaffenen Verhältnissen. Diese Ungleichheit ist zugleich Ungerechtigkeit und eine Beeinträchtigung der konkreten materiellen Freiheit vieler.

    b) Aufgabe der Gesellschaft (des Staates) ist es, solche sozialen, ökonomischen und politischen Verhältnisse zu schaffen, dass jeder Mensch seine persönlichen (unterschiedlichen) Anlagen frei entfalten kann. Ohne Gerechtigkeit im Sinn gleicher Freiheitschancen und Entfaltungsmöglichkeiten für alle und ohne Solidarität in Form zusätzlicher Hilfe für Benachteiligte ist die Freiheitsforderung fragwürdig: Die Freiheit der ungerechterweise Ungleichen könnte auf Kosten der Freiheit der anderen gehen. Die Gerechtigkeit der freien Entfaltung setzt (mind.) voraus:
    (1) Angemessene Bildungs- und Erziehungsmöglichkeiten für alle;
    (2) Abbau persönlicher Abhängigkeiten aufgrund unterschiedlicher ökonomischer und/oder politischer Macht oder zumindest deren demokratische Kontrolle.

    Die Menschen sind aufgrund ihrer unterschiedlichen natürlichen Anlagen verschieden. Mit Ausnahmen geht die neuzeitliche politische Philosophie (etwa seit Hobbes, Locke, Smith, Rousseau, Kant) davon aus, dass aus diesen individuellen Unterschieden keine Legitimierung von politischer Macht der einen über die anderen abgeleitet werden kann. Diese Legitimierung erfolgt durch einen Vertrag (demokratische Verfassung), nach dem jeder Bürger die gleiche Chance und das gleiche Recht hat, auf jeden Platz innerhalb der politischen Ordnung zu gelangen.

    Der Begriff der Gleichheit bleibt in der Praxis solange formal, solange die Chancengleichheit durch unzulängliche Bildung und Armut der einen nicht gewährleistet ist. Die Gleichheitsforderung hat nicht eine Nivellierung der Individuen zum Ziel, sondern will Chancengleichheit für alle, damit die unterschiedlichen Anlagen frei zur Entfaltung kommen. Die heute sichtbaren Unterschiede der Menschen an Intelligenz, Sensibilität, Kreativität etc. sind z.T. Folge der Umweltbedingungen und arbeitsteiligen Produktionsweise. Um die weitgehende Beseitigung dieser „erzeugten”, nicht der „natürlichen” Unterschiede, geht es bei der Forderung nach „Gleichheit”.

    Vgl. auch gerechte Einkommensverteilung, Sozialpolitik in der Marktwirtschaft.

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