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Rundfunksystem, duales

Definition: Was ist "Rundfunksystem, duales"?

Derzeitiges Organisationsmodell des Rundfunks in Deutschland. Im Rahmen ihres Gestaltungsauftrages haben sich die Länder zur Sicherung freier und umfassender Meinungsbildung für ein Nebeneinander von öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk entschieden.

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    Ausführliche Definition im Online-Lexikon

    derzeitiges Organisationsmodell des Rundfunks in Deutschland. Im Rahmen ihres Gestaltungs­auftrages haben sich die Länder zur Sicherung freier und umfassender Meinungsbildung für ein Nebeneinander von öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk entschieden.

    1. Geschichtliche Entwicklung: Nach dem Wiederaufbau des Rundfunks in der Bundesrepublik Deutschland war dieser zunächst öffentlich-rechtlich strukturiert, was vom Bundesverfassungsgericht (E 12, 205, 261) als eine mögliche Organisationsform akzeptiert wurde. Durch die Nutzbarkeit neuer Techniken wie Breitbandkabelnetz und Satellit wurde die Frage akut, wer die zusätzlichen Kapazitäten für Programme nutzen soll. Die vom Bundesverfassungsgericht als Legitimation für das öffentlich-rechtliche Monopol angenommene Sondersituation der Frequenzknappheit konnte als Begründung für den Ausschluss privater Veranstalter allein nicht mehr reichen. Es bestand die Gefahr der Abwanderung privater Anbieter ins Ausland.

    1978 beschlossen die Ministerpräsidenten der Länder die Durchführung von Pilotprojekten in neuen Techniken auch zur Einführung des privaten Rundfunks, die allerdings erst 1984 nach Einigung über die Finanzierung dieser Projekte aus der Rundfunkgebühr starten konnten. In diesem Jahr wurden in verschiedenen Ländern private Rundfunkgesetze erlassen, eine Einigung aller Länder über einen gemeinsamen Ordnungsrahmen gestaltete sich ausgesprochen schwierig.

    Durch das Niedersachsen-Urteil des Bundesverfassungsgerichtes (E 73, 118), welches die Zulässigkeit privaten Rundfunks ausdrücklich feststellte, aber Anforderungen definierte, um Meinungsvielfalt zu sichern, kam wieder Bewegung in die Diskussion. Das Bundesverfassungsgericht stellte fest, dass eine Reduzierung der Vielfaltsanforderungen an private Veranstalter hinnehmbar sei, so lange die „Grund­versorgung“ durch die öffentlich-rechtlichen Anstalten gewährleistet werde (Grundversorgungsauftrag). Hierzu bekam der Gesetzgeber den Auftrag der näheren Ausgestaltung. 1987 wurde der „Staatsvertrag zur Neuordnung des Rundfunkwesens“ als rechtliche Grundlage für den öffentlich-rechtlichen und den privaten Rundfunk geschlossen. Der öffentlich-recht­liche Rundfunk wurde technisch, pro­gramm­lich und finanziell abgesichert, der private Rundfunk erhielt einen Rechtsrahmen und Vorschriften zur Veranstaltung von Werbung als Möglichkeit der Refinanzierung. Die beiden Säulen des dualen Rundfunks stellen sich wie folgt dar.

    2. Öffentlich-rechtlicher Rundfunk: Aus der institutionellen Gewährleistung des Rund­funks in Art. 5 I Satz 2 GG folgt die Verpflichtung des Staates, eine umfassende und freie individuelle Meinungsbildung zu ermög­lichen. Der Rundfunk muss in seinen Programmen eine umfassende Information bieten und die Vielfalt der in der Gesellschaft bestehenden Meinungsrichtungen zum Ausdruck bringen.

    Welcher Organisationsform sich der Staat bedient, um die ihm obliegende Gewährleistung des Rundfunks zu erfüllen, ist in der Verfassung nicht festgelegt. Von Bedeutung ist allein, dass das gewählte Organisationsmodell die von der Verfassung aufgegebene Funktion auch tatsächlich erfüllt.

    Der in der Nachkriegszeit wiederaufgebaute bundesdeutsche Rundfunk wurde unter Einfluss der Alliierten, die nach den Erfahrungen des Dritten Reiches einer Gleichschaltung und Zentralisierung nach dem Vor­bild der Reichsrundfunkgesellschaft begeg­nen wollten, ausschließlich in landes­gesetz­lich geschaffenen öffentlich-recht­lichen Landesrundfunkanstalten organisiert. Die Landesgesetzgeber schufen den zu errichtenden Rundfunkanstalten ein Monopol.

    Um durch Kooperation die finanziellen Mittel effektiver nutzen zu können und eine gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung zu ermöglichen, gründeten die Landes­rundfunkanstalten 1950 die Arbeits­gemein­schaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunk­anstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD), mit dem Gemeinschafts­programm des „Ersten Deutschen Fernsehens“. Die ARD verfügt über keine einheitliche Rechts­grund­lage. Aufgrund ihrer Organisationsform ohne eigene Rechts­persönlichkeit, die den einzel­nen Mitgliedern möglichst große Eigen­ständigkeit erhalten soll, gibt es kein ein­heitliches Statut, sondern eine Vielzahl von Vereinbarungen, die jeweils einen Aus­schnitt der gemeinsamen Aufgaben­wahr­nehmung betreffen. Grund­sätzliche Fragen der Organisation und der gegenseitigen Abstimmung sind in der Satzung geregelt.

    Dem Modell der Zulassung per Gesetz folgten die Schaffung des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF) durch den „Staatsvertrag über die Errichtung der Anstalt des öffentlichen Rechts Zweites Deutsches Fernsehen“ von 1961 und die Gründung der Rundfunkanstalten des Bundes Deutsche Welle und Deutschlandfunk. Dessen Sendungen waren ursprünglich für die Bürger in der DDR bestimmt, um den Gedanken der Wiedervereinigung wach zu halten, sodass sich dessen Auftrag durch die Wiedervereinigung erledigt hat. Der Deutschlandfunk ist in die Hoheit der Länder überführt worden und besteht als Deutschlandradio mit zwei bundesweiten Programmen als Körperschaft des öffentlichen Rechts fort.

    Nach den Bestimmungen des Rundfunk­staats­­vertrages können ARD und ZDF neben ihren Hauptprogrammen jeweils drei digitale Zusatzprogramme veranstalten. Gemeinsam veran­stalten ARD und ZDF die Programme von 3Sat, Arte, Phoenix (Ereignis- und Doku­mentationskanal) und KI.KA (Kinderkanal). Die in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten können daneben nach Maßgabe des jeweiligen Landesrechtes regionale „Dritte Fernsehprogramme“ veran­stalten. Weiterhin trifft der Staatsvertrag Re­ge­lungen für die Veranstaltung von Hörfunkprogrammen der in der ARD zusammengeschlossenen Landes­anstalten und ihre zahlenmäßige Begrenzung.

    Durch den 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag (RÄStV) ist der Auftrag der öffentlich-rechtlichen Runfunkanstalten insbesondere im Bereich der Telemedien konkretisiert worden. Hintergrund war eine Beschwerde des Verbandes Privater Fernseh- und Telkommunikationsanbieter (VPRT) bei der EU-Kommission. In dem sog. „Beihilfekompromiss“ verpflichtete sich die Bundesrepublik auf eine Konkretisierung des Auftrags sowie zu einem neuen Verfahren der Beauftragung (Drei-Stufen-Test).

    Die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Rundfunks erstreckt sich nicht nur auf die Veranstaltung des Rundfunks, sondern auch auf die finanziellen Bedingungen, von denen es abhängt, ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk den ihm obliegenden Aufgaben nachkommen kann. Hieraus ergibt sich das Gebot funktionsgerechter Finan­zierung des öffentlich-rechtlichen Rund­funks, die ihn in die Lage versetzt, seine Aufgabe einer umfassenden Information zu erfüllen und ihn von fremder Einflussnahme unabhängig macht. Wie der Gesetzgeber seiner Gewährleistungspflicht nachkommt, ist grundsätzlich Sache seiner eigenen Entscheidung. Bisher stellte die Rund­funkgebühr die vorrangige Finanzierungs­quelle dar. Da die Rundfunkgebührenpflicht gemäß § 2 II Rundfunkgebühren­staats­vertrag (RGebStV) allein durch die bloße Möglichkeit des Empfangs begründet wird und es folglich auf die tatsächliche Nutzung der Programme nicht ankommt, sind die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten von Einschaltquoten unabhängig. Dies versetzt sie in die Lage, auf Dauer ein umfassendes Programmangebot zu erbringen.

    Aufgrund der demografischen und technischen Entwicklung ist infrage gestellt worden, ob der Bezug auf das Empfangsgerät verfassungsrechtlich noch angemessen ist. Stattdessen wird ein Modellwechsel zu einem Haushalts-/ Wohnungs- und Betriebs­stätten­beitrag politisch diskutiert. Beitrags­pflichtig wäre in diesem Fall einmalig die Haushalts-/ Wohnungnungsgemeinschaft bzw. der Inhaber der Betriebsstätte. Das Inkrafttreten der entsprechenden staats­vertrag­lichen Grundlage ist für das Jahr 2012 geplant.

    Es muss gewährleistet sein, dass die Rund­funkanstalten die zur Erfüllung ihres Auftrages erforderlichen Mittel erhalten und politische Einflussnahmen auf die Programmgestaltung mittels der Gebührenfinan­zierung ausgeschlossen werden. Diesen Aspekten trägt ein gestuftes und kooperatives Verfahren Rechnung, das in den §§ 1 bis 7 des Rund­funkfinanzierungsstaatsvertrag (RFinStV) festgelegt ist. Da nur die Rundfunkanstalten wissen, was zur Erfüllung ihres Programmauftrages in finanzieller Hinsicht erforderlich ist, melden sie gemäß § 1 RFinStV ihren Finanzbedarf bei der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfes (KEF) an. Die KEF ist eine unabhängige Kommission, deren 16 Mitglieder für fünf Jahre von den Ländern aus den Bereichen Wirtschaft, Technik, Medien und Rech­nungshöfen berufen werden. Auf der zweiten Stufe wird der angemeldete Finanzbedarf von der KEF fachlich überprüft. Eine externe Kontrolle ist erforderlich, weil die Rundfunk­teilnehmer nur mit der tatsächlich erfor­derlichen Rundfunkgebühr belastet werden dürfen. Auf der dritten Stufe wird auf der Grundlage des KEF-Berichtes die Rundfunkgebühr durch Staatsvertrag der Länder festgesetzt.

    Im Rahmen der Landesrundfunkanstalten der ARD wird ein Finanzausgleich durchgeführt, um den einzelnen, v.a. kleinen Rundfunkanstalten zu ermöglichen, ihren Verpflichtungen nachzukommen und den Rundfunkteilnehmern ein umfassendes Pro­gramm anzubieten (ARD-Finanz­aus­gleich). Der Finanzausgleich gewährleistet einen einheitlichen Standard zur Rundfunk­versorgung der Gesamtbevölkerung und zur Erhaltung föderaler Vielfalt.

    3. Privater Rundfunk: Wesensmerkmal des privaten Rundfunks ist, dass seine Programme aufgrund privat-autonomer Gestaltung und Entscheidung veranstaltet werden. Dem­entsprechend handelt es sich um privatrechtliche Organisationsformen und eine privatwirtschaftliche Arbeitsweise.

    • Allgemeines/ Finanzierung: Trotz größerer Freiheit müssen auch im privaten Rundfunk Strukturprinzipien eine Vielfalt von Meinungen ermöglichen. Seiner Tätigkeit liegt das Organisationsmodell des Außenpluralismus zugrunde. Der Pro­grammauftrag der privaten Veran­stalter ist nicht so eng wie der des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, wenn­gleich auch hier alle Meinungen angemessen zum Ausdruck kommen müssen. Die Angebotsseite ist weniger reguliert, sodass ein massenattraktives und damit für den Werbemarkt interessantes Programm entstehen kann. Der private Rundfunk finanziert sich ausschließlich aus Einnahmen aus Werbung und Sponsoring.
    • Zulassung: Grundlage der Programm­veranstaltung sind die Zulassung und Zuweisung durch die zuständige Landesmedienanstalt. Rechtsgrundlage ist hierfür das jeweilige Landesmediengesetz, soweit nicht der Rundfunkstaats­vertrag anderweitige Regelungen trifft, wie z.B. in den Bereichen des Jugendschutzes, beim Kurzbericht­erstattungs­recht, hinsichtlich Werbung und Sponsoring. Wesentliche Vorschriften des Staatsvertrages sind die Voraus­setzungen der Zulassung und Zuweisung (Finanzierung, Verbreitung) und die Vorschriften zur Sicherung der Meinungs­vielfalt. Mit dem 3. RÄStV, ergänzt durch die Änderungen des 6. RÄStV, haben die Länder das Zuschaueranteilsmodell im Bereich der rundfunkrechtlichen Konzen­trations­kon­trolle eingeführt. Ob eine Unternehmensgruppe den höchstzu­lässigen Zuschaueranteil des Gesamt­fernseh­marktes überschreitet, wird von der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) beurteilt. An Überschreitungen knüpfen sich Übernahmebeschränkungen oder Auflagen zur Sicherung der Meinungs­vielfalt (Drittsendezeiten, Programm­beirat). Trotz Staatsvertrag hatten sich in Deutschland zwei Senderfamilien, die Kirch-Gruppe und der Bertelsmann-Konzern, etabliert, was politisch goutiert wurde. Mittlerweile ist die Kirch-Gruppe in allen wesentlichen Unternehmensteilen insolvent.
    • Verbreitung: Bundesweit verbreitete pri­vate Rundfunkveranstalter brauchen eine Kabel-Satelliten-Zulassung; diese ist Grundlage der Weiterverbreitung in den Kabelnetzen in den einzelnen Ländern. Welche Programme eingespeist werden, entscheidet der jeweilige Kabelkanal­belegungsplan der Landesmedienanstalt. Die ursprüngliche Form der Verbreitung, die Terrestrik, wird kaum noch im herkömmlichen Sinne genutzt. Es bestehen Bestrebungen, die zur Verfügung stehenden Frequenzen für eine digitale Abstrahlung zu nutzen, insgesamt wird eine vollständige Umstellung auf eine digitale Verbreitung angestrebt. Neben den herkömmlichen Free TV-Programmen existiert ein Pay TV-Veranstalter (Sky), der gegen zusätzliches Entgelt weitere Programme anbietet. Weitere Angebote gegen Bezahlung bestehen im Internet.
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