Offenbarungspflicht
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1. Begriff: Auskunftspflicht des Arbeitnehmers über persönliche Verhältnisse vor der Einstellung nach Grundsätzen des Arbeitsrechts.
2. Umfang: a) Grundsätzlich darf der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nur Fragen stellen, an denen er im Hinblick auf den zu besetzenden Arbeitsplatz ein berechtigtes Interesse hat, z.B. nach Aus- und Vorbildung.
b) Die Frage nach der Partei-, Gewerkschafts- und Religionszugehörigkeit ist, außer in entsprechenden Tendenzbetrieben, unzulässig. Die Frage nach der Mitgliedschaft bei Scientology wird aber überwiegend für zulässig gehalten, weil es sich nach deutschem Rechtsverständnis nicht um eine Religionsgemeinschaft, sondern um eine Wirtschaftsorganisation handelt.
c) Fragen nach dem Gesundheitszustand sind insoweit zulässig, als es sich um schwerwiegende Beeinträchtigungen der Arbeitsfähigkeit des Betroffenen handelt. So darf der Arbeitgeber nach überwiegender Auffassung nach einer Aids-Erkrankung, nicht aber nach einer Aids-Infektion fragen. Angesichts deutlicher medizinischer Fortschritte bei der Behandlung von Aids-Erkrankungen scheint aber auch diese Einschränkung nicht weitgehend genug. Die Frage ist heute nur zulässig, wenn der Kandidat aufgrund einer fortgeschrittenen Aids-Erkrankung zur Ausfüllung der Position nicht mehr in der Lage ist.
d) Fragen nach dem Vorliegen einer Schwerbehinderteneigenschaft oder einer Gleichstellung waren nach früherer Rechtsprechung ohne weiteres zulässig (BAG-Urt. v. 1.8.1985; 2 AZR 101/83). Nach Inkrafttreten des AGG wird das aber überwiegend und mit Recht in Abrede gestellt (AGG im Arbeitsrecht).
e) Der Arbeitgeber darf den Bewerber bei der Einstellung nach Vorstrafen fragen, wenn und soweit die Art des zu besetzenden Arbeitsplatzes dies erfordert (ständige Rechtsprechungh des BAG seit BAG E 5, 159 (163)).
f) Die Frage nach der Schwangerschaft ist eine unzulässige Benachteiligung wegen des Geschlechts (Gleichbehandlung; AGG im Arbeitsrecht).
3. Offenbarungspflichten ohne entsprechende Frage des Arbeitgebers nimmt die Rechtsprechung nur in seltenen Fällen an. Dies deshalb, weil der Arbeitgeber, wenn er ein berechtigtes Interesse an bestimmten Tatsachen hat, vor Einstellung ohne weiteres fragen kann. Eine solche selbständige Offenbarungspflicht des Arbeitnehmers besteht nur dann, wenn es um Tatsachen geht, welche die Ausübung der Position unmöglich machen oder die sonst von erkennbar wichtiger Bedeutung sind. So muss der Arbeitnehmer von sich aus offenbaren, wenn er durch ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot an der Tätigkeit für den Arbeitgeber gehindert ist.
4. Rechtsfolge: Der Verstoß gegen Offenbarungspflichten kann den Arbeitgeber zur Anfechtung des Arbeitsvertrags wegen arglistiger Täuschung (§ 123 BGB) berechtigen.
Vgl. auch Personalfragebogen. Die wahrheitswidrige Beantwortung einer unzulässigen Frage bleibt für den Arbeitnehmer folgenlos. Eine unzulässige Frage kann auch ein Indiz für eine Benachteiligung nach dem AGG sein (AGG im Arbeitsrecht).