Föderalismusreform I
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1. Begriff: Mit der Föderalismusreform I, die auf den Vorarbeiten der gemeinsamen Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung der Jahre 2003 und 2004 beruhte, wurde die umfassendste Reform des Grundgesetzes seit seinem Inkrafttreten beschlossen. Das „Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 22, 23, 33, 52, 72, 73, 74a, 75, 84, 85, 87c, 91a, 91b, 93, 104a, 105, 107, 109, 125a, 125b, 125c, 143c)“ vom 28.8.2006 (BGBl. I 2034) trat am 1.9.2006 in Kraft.
2. Reformziele: a) Stärkung der Gesetzgebung von Bund und Ländern durch eine deutlichere Zuordnung der Gesetzgebungskompetenzen und Abschaffung der Rahmengesetzgebung, b) Neubestimmung der Zustimmungsbedürftigkeit von Bundesgesetzen im Bundesrat, c) Abbau von Mischfinanzierungen und Neufassung der Möglichkeit von Finanzhilfen des Bundes, d) Stärkung der Europatauglichkeit des Grundgesetzes.
3. Lösung u.a.: a) Mit der Abschaffung der Rahmengesetzgebung werden die ihr bislang zugeordneten Materien zwischen Bund und Ländern neu zugeordnet. Ebenso werden im Bereich der ausschließlichen und konkurrierenden Gesetzgebung einzelne Materien neu verteilt, wobei die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder gestärkt wird, weil der Bund sich aus Sachgebieten mit bes. Regionalbezug und solchen, die nicht zwingend dem Zugriff des Bundesgesetzgebers erhalten bleiben müssen, zurückzieht. Das gilt etwa für den Strafvollzug, das Versammlungsrecht, das Heimrecht, das Ladenschlussrecht, das Erschließungsbeitragsrecht, das Flurbereinigungsrecht, das Gaststättenrecht, das Besoldungs- und Versorgungsrecht der Beamten.
b) Die Zustimmungsrechte des Bundesrates nach Art. 84 I GG werden deutlich beschnitten: Der Bundesgesetzgeber kann ohne die bisher erforderliche Zustimmung des Bundesrates die Behördeneinrichtung und das Verwaltungsverfahren der Länder regeln. Im Gegenzug erhalten die einzelnen Länder das Recht, für ihren Bereich von den bundesgesetzlichen Vorgaben abweichende Regelungen zu treffen (sog. Abweichungsgesetzgebung in Verfahrensangelegenheiten). Allerdings kann mit Zustimmung des Bundesrates bereits im Bundesgesetz bestimmt werden, dass eine Abweichung hinsichtlich des Verwaltungsverfahrens wegen des bes. Bedürfnisses nach einer bundeseinheitlichen Regelung nicht zugelassen ist. Der Bund kann abweichendes Landesrecht auch wieder aufheben. Solche Aufhebungsgesetze treten frühestens sechs Monate nach Verkündung in Kraft (wegen der komplizierten Regelung vgl. im Einzelnen Art. 84 I GG). Der Zustimmungsbedürftigkeit des Bundesrates bedürfen nunmehr auch Bundesgesetze mit Kostenfolgen für die Länder (Art. 104a IV GG).
c) Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung wird die Erforderlichkeitsklausel auf einzelne Materien beschränkt (Art 72 II GG). In bestimmten Bereichen, v.a. in den Sachgebieten der früheren Rahmengesetzgebung, haben die Länder die Möglichkeit einer Abweichungsgesetzgebung (Art. 72 III GG).
d) Den Gemeinden und Gemeindeverbänden können durch Bundesgesetz keine Aufgaben mehr zugewiesen werden (Art. 84 I S.7, 85 I S.2 GG).