personelle Einkommensverteilung
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personelle Verteilung; 1. Begriff: Im Gegensatz zur funktionalen Einkommensverteilung, welche die Verteilung des gesamtwirtschaftlichen Einkommens (Einkommensverteilung) auf funktionale Einkommensarten (Lohn, Profit, Zins und Rente) oder auf die Produktionsfaktoren (Arbeit, Kapital, Boden), die zur Erwirtschaftung des Sozialprodukts beigetragen haben, untersucht, betrachtet die personelle Einkommensverteilung die Verteilung der im Wirtschaftsprozess entstandenen Einkommen auf Personen oder Haushalte unabhängig davon, aus welchen Einkommensquellen es stammt. Damit hängt die personelle (Brutto-)Verteilung von der Verteilung der Einkommen auf die Produktionsfaktoren sowie von der Verteilung der Produktionsfaktoren auf die Personen bzw. Haushalte ab. Die personelle Einkommensverteilung kann das Phänomen der Querverteilung abbilden, womit die Tatsache gemeint ist, dass den Haushalten Einkünfte aus unterschiedlichen Einkommensarten (Lohn-, Kapitaleinkommen) zufließen können. Zum anderen soll sie die Unterschiede zwischen den einzelnen in den ökonomischen Einkommensaggregaten zusammengefassten Einheiten erkennen lassen. Die bestehende Ungleichheit der personellen Bruttoeinkommensverteilung (Primärverteilung) wird in gewissem Umfang durch das Steuersystem und das System der Sozialversicherung korrigiert (vgl. Sekundärverteilung).
2. Erfassung: a) Grundlagen: Die Multidimensionalität des Verteilungsproblems erfordert vorab stets eine nähere Präzisierung der Fragestellung. Dabei ist v.a. zu unterscheiden, ob der Gesichtspunkt der Leistungsgerechtigkeit oder jener der Bedarfsgerechtigkeit im Vordergrund stehen soll, was Konsequenzen sowohl für den adäquaten Einkommensbegriff als auch für die geeignete personelle Bezugsgröße hat. Bei der Frage der Leistungsangemessenheit geht es um die Entlohnung im Produktionsprozess, weshalb das Individuum hier die adäquate Bezugseinheit und die (marktmäßigen) Faktoreinkommen eine angemessene Einkommenskategorie sind. Für eine Analyse der Bedarfsdeckungsmöglichkeiten erscheint es demgegenüber sinnvoll, auf die Bezugsgröße Haushalte abzustellen, da hier die wesentlichsten Entscheidungen bez. der Einkommenserzielung und Einkommensverwendung getroffen werden, wobei die äquivalenzgewichteten Haushaltsnettoeinkommen wohl als der angemessene Einkommensbegriff anzusehen sind.
b) Statistische Erhebungen: Ein weiteres Problem stellt sich mit der Frage nach der geeigneten Datenbasis, denn die offizielle Statistik liefert nur ein unzureichendes Bild über die personelle Einkommensverteilung. Das sich aus der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) ergebende Bild bleibt unzureichend; geeigneter erscheint die sog. Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS), welche in regelmäßigen mehrjährigen Abständen durchgeführt wird. Eine ergiebige Datenquelle für personelle Einkommensanalysen stellt seit einiger Zeit auch das Sozioökonomische Panel (SOEP) des DIW Berlin dar.
c) Indikatoren: (1) Eine geläufige Darstellung der personellen Einkommensverteilung erfolgt in Form einer Häufigkeitsverteilung, bei welcher bestimmten Einkommensklassen auf der Abszisse die entsprechenden Häufigkeiten als Ordinatenwerte zugeordnet werden, wobei allerdings bei variierenden Klassenbreiten das Prinzip der Flächentreue zu beachten ist (d.h. die Säulenhöhe muss proportional zur Besetzungsdichte sein, die sich als Quotient aus Besetzungszahl und Klassenbreite ergibt). Die Vorgabe von Einkommensgrenzen führt bei einem allg. Einkommensanstieg jedoch zwangsläufig zu einer größeren Besetzungshäufigkeit der höheren Einkommensklassen und suggeriert somit eine Verteilungsänderung, die eigentlich gar nicht stattgefunden hat.
(2) Besser geeignet für zeitliche Vergleiche erscheint demgegenüber eine Darstellung anhand von Vielfachen des Durchschnittseinkommens. Auch derartige Untersuchungen zeigen die für die personelle Einkommensverteilung charakteristischen linkssteilen (rechtsschiefen) Kurven. Eine aussagekräftige Charakterisierung dieser Häufigkeitsverteilungen kann bereits anhand einfachster statistischer Messzahlen erfolgen. Zu nennen sind die sog. Durchschnittslage (Anteil der privaten Haushalte, die weniger als das Durchschnittseinkommen beziehen), der Median und der Modalwert (häufigstes Einkommen).
(3) Gini-Koeffizient: Ein oft verwendetes Konzentrationsmaß zur Charakterisierung von Einkommensverteilungen ist der sog. Gini-Koeffizient.
(4) Sonstige: Da sich das Konzentrationsverhältnis nur global auf die gesamte Verteilung bezieht, sind bes. Zusatzinformationen über die Situation der sozial relevanten Gruppen mit sehr niedrigen und sehr hohen Einkommen von Interesse. Dazu eignen sich z.B. die folgenden Maßzahlen:
(1) Unterer Randgruppenanteil (Ru): Anteil am Gesamteinkommen, den die 20 Prozent der Bezugseinheiten mit den niedrigsten Einkommen haben;
(2) oberer Randgruppenanteil (Ro): Anteil am Gesamteinkommen, den die 5 Prozent mit den höchsten Einkommen haben;
(3) Randgruppenverhältnis (RV = 4Ro/Ru),wobei allerdings diese Art der Berechnung den Grad der Disparität überhöht ausweist;
(4) Randgruppenrelation: Verhältnis des Durchschnittseinkommens der obersten Randgruppe (5 Prozent) zu dem der untersten Randgruppe (20 Prozent).
3. Erklärungsansätze: Theorien der personellen Einkommensverteilung versuchen die Rechtsschiefe der personellen Einkommensverteilung zu erklären. Solche Ansätze greifen die verschiedensten Faktoren auf, z.B. Verteilung von angeborenen Fähigkeiten, die unterschiedliche Ausstattung mit Vermögen, die Altersstruktur, unvollkommene Arbeitsmärkte und institutionelle Einflüsse. Die Modelle selbst beschränken sich i.d.R. auf einen der genannten Faktoren und sind insofern nur begrenzt aussagefähig. Ein befriedigender Ansatz zur Theorie der personellen Einkommensverteilung müsste in einer Verknüpfung der makroökonomischen Theorie der funktionalen Verteilung mit der personellen Verteilung liegen. Querverteilungsansätze, Vermögensbildungs- und Vererbungsprozesse müssten integriert werden. Diese Ansprüche und die wichtige Rolle, die die Einkommensverteilung für das Wirtschaftswachstum spielt, machen deutlich, warum sich Verteilungstheorien häufig auf die makroökonomische Ebene beziehen.
Vgl. auch Verteilungstheorie.