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Wirtschaftswissenschaften

Definition: Was ist "Wirtschaftswissenschaften"?

Gegenstand der Wirtschaftswissenschaften ist die Erforschung von Gesetzmäßigkeiten in der Wirtschaft. Unter Wirtschaft wird der rationale Umgang mit knappen Gütern (Gut) verstanden.

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    Ausführliche Definition im Online-Lexikon

    Inhaltsverzeichnis

    1. Gegenstand, Geschichte und besondere Entwicklungen
      1. Gegenstand
      2. Geschichte
    2. Gliederung
      1. Systematische Gliederung
      2. Historische Gliederung
    3. Methoden
      1. Allgemein
      2. Methode als Prozess
      3. Mathematische Methode
      4. Historische Entwicklung
    4. Wirtschafts- und Unternehmensethik

    Gegenstand, Geschichte und besondere Entwicklungen

    Gegenstand

    Gegenstand der Wirtschaftswissenschaften ist die Erforschung von Gesetzmäßigkeiten in der Wirtschaft. Unter Wirtschaft wird der rationale Umgang mit knappen Gütern (Gut) verstanden. Güter sind sowohl reale Güter als auch Dienstleistungen, die zur Befriedigung menschlichen Bedarfs dienen. Ist der Vorrat an Gütern hinreichend, um den gesamten darauf gerichteten Bedarf stets zu befriedigen, dann handelt es sich um freie Güter. Übersteigt dagegen der Bedarf den Vorrat an Gütern oder Dienstleistungen, dann wird von knappen Gütern und Dienstleistungen gesprochen. Dabei kann es sich um private oder öffentliche Güter handeln. Nur diese bilden den Gegenstand der Wirtschaftswissenschaften. Ein Anliegen der Wirtschaftswissenschaften ist demnach die Erforschung wirtschaftlicher Erscheinungen und ihrer Zusammenhänge bei der Verteilung der knappen Güter auf die einzelnen Individuen und Gemeinschaften sowie der Auswirkungen historischer Verteilungen auf die Gegenwart. Ein zweites Anliegen der Wirtschaftswissenschaften betrifft die Analyse der Ziele und Mittel zur Gestaltung wirtschaftlicher Prozesse und Strukturen.

    Geschichte

    Die Geschichte der Wirtschaftswissenschaften in ihrer heutigen Gestalt ist relativ jung. Im Altertum und im Mittelalter waren wirtschaftliche Lehrmeinungen an philosophische und theologische Systeme gebunden. Für die gegenwärtigen Wirtschaftswissenschaften hat z.B. die Nikomachische Ethik des Aristoteles wieder große Bedeutung erlangt. Im 18. Jahrhundert entstand unter dem Einfluss der Physiokraten (Physiokratie) und Kameralisten (Kameralismus) eine säkularisierte Wirtschaftswissenschaft. Sie stand jedoch unter staatspolitischen Zielsetzungen, da sie ihre Hauptimpulse von dem Interesse der absoluten Fürsten an Systemen der Wirtschaftsverwaltung erhielt. Mit dem Aufkommen liberalistischer Ideen (Liberalismus) befreiten sich die Wirtschaftswissenschaften aus dieser staatspolitischen Bindung. Die modernen Wirtschaftswissenschaften behandeln vorwiegend marktwirtschaftliche Ordnungen. Die wissenschaftliche Bindung der Wirtschaftswissenschaften an die Lehre vom Staat (Staatswissenschaften, Nationalökonomie) blieb jedoch so stark, dass lediglich Volkswirtschaftslehre und Finanzwissenschaft als Disziplinen im Rahmen der Wirtschaftswissenschaften angesehen wurden. Daneben hat sich auch die Public Choice Theorie (Neue Politische Ökonomie) zu einem selbstständigen Gebiet der Wirtschaftswissenschaften entwickelt. Die Betriebswirtschaftslehre entwickelte sich zunächst außerhalb der Universitäten. Die Idee zur Gründung von Handelshochschulen lässt sich bis auf Marperger 1715 zurückverfolgen. Eine der bedeutendsten war die Handlungsakademie von Hamburg, die Johann Georg Büsch von 1768 bis 1800, seinem Todesjahr, leitete. Die Handelswissenschaft wurde um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert an den Handelshochschulen wieder belebt. In weiten Bereichen ist heute eine Integration der Betriebswirtschaftslehre mit der Volkswirtschaftslehre vollzogen.

    Einige wissenschaftstheoretische Ansätze bezweifeln die Selbstständigkeit der Wirtschaftswissenschaften im Bereich der Sozialwissenschaften und versuchen eine stärkere Integration der Wirtschaftswissenschaften mit den anderen Zweigen der Sozialwissenschaften herbeizuführen. Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen. Teilweise gewinnen aber auch gegenteilige Bestrebungen an Einfluss, die eine rückgängige Abwicklung dieser Integration anstreben, da sie die Anreiz-Theorie mittlerweile als Pseudo-Psychologie auffassen.

    Gliederung

    Systematische Gliederung

    Die Interdependenzen der sozialen Tatbestände erschweren eine systematische Gliederung der Sozialwissenschaften und damit eine Abgrenzung der Wirtschaftswissenschaften von den anderen Sozialwissenschaften. Die Abgrenzung kann anhand eines methodologischen und zum anderen anhand eines theoretischen Kriteriums vorgenommen werden.

    Methodologisch sind die Wirtschaftswissenschaften gegenüber den Nachbardisziplinen aufgrund einer wissenschaftseigenen Forschungsmethode abgegrenzt worden. Danach kennzeichnen sich die Wirtschaftswissenschaften durch ein induktives Vorgehen bzw. durch eine bestimmte Kombination von Induktion und Deduktion. Dieses Abgrenzungskriterium kann heute nicht mehr aufrechterhalten werden. Die allgemeine Methode der Wirtschaftswissenschaften entspricht den in anderen empirischen Wissenschaften verwendeten Forschungsmethoden.

    Die theoretische Selbstständigkeit der Wirtschaftswissenschaften kann jedoch aus ihrem Erkenntnisobjekt abgeleitet werden. Erkenntnisobjekt ist die Wirtschaft. Wirtschaft kennzeichnet sich durch Knappheit der Güter und ökonomisches Prinzip (Wirtschaftlichkeitsprinzip). Dieses Kriterium ermöglicht eine Abgrenzung gegenüber den vorwiegend technischen oder medizinischen Nachbarwissenschaften wie der Betriebswissenschaft, der Arbeitswissenschaft, der Physiologie und der Psychologie. Auch gegenüber der Soziologie ist das ökonomische Prinzip als Abgrenzungskriterium verwendbar, wenn es in der weniger strengen Form des Rationalitätsprinzips verwendet wird. Während sich die Soziologie und die Psychologie mit allen Erscheinungen menschlichen und gesellschaftlichen Verhaltens beschäftigen, untersuchen die Wirtschaftswissenschaften die Formen, in denen knappe Güter rational verteilt und verwendet werden. Die Frage, unter welchen soziologischen und psychologischen Bedingungen das Rationalitätsprinzip eine empirisch relevante Hypothese ist, stellt ein Problem dar, an dem neben wirtschaftswissen-schaftlichen Disziplinen auch Nachbarwissenschaften mitarbeiten.

    Historische Gliederung

    Die Gliederung der Wirtschaftswissenschaften selbst ist vorwiegend historisch und weniger wissenschaftssystematisch vorgenommen worden.

    Die Wirtschaftswissenschaften können in der herkömmlichen Weise in die Disziplinen Volkswirtschaftslehre (einschließlich Finanzwissenschaften) und Betriebswirtschaftslehre gegliedert werden. Diese beiden Gebiete werden teils funktionell, teils institutionell weiter aufgeteilt. Die für den heutigen Stand der Wirtschaftswissenschaften repräsentativen Sammelwerke legen folgende Gliederung zugrunde: Allgemeine Betriebswirtschaftslehre: Unternehmensleitung, Personalwirtschaft, Beschaffung, Fertigung, Absatz, Finanzwirtschaft, Kontrolle (Rechnungswesen), Institutionelle Spezialfragen; Volkswirtschaftslehre: Volkswirtschaftstheorie, Finanzwissenschaft, Wirtschaftspolitik (Allgemeine Wirtschaftspolitik), Statistik, Ökonometrie, Wirtschaftsgeschichte, Wirtschaftsgeografie, Versicherungswissenschaft. Als Randgebiete der Wirtschaftswissenschaften werden die wirtschaftlich relevanten Teile des Rechts, ferner Soziologie, Betriebssoziologie, und Wirtschaftspsychologie behandelt.

    Die durch die historische Entwicklung bedingte und in anderen Ländern u.a. des angelsächsischen Bereichs unbekannte Unterscheidung von Volks- und Betriebswirtschaftslehre hat sich weder sachlich noch methodologisch ganz behaupten können. Es bestehen daher Tendenzen, beide Disziplinen in einer einheitlichen Wirtschaftswissenschaft aufgehen zu lassen. Eine Gliederung der Wirtschaftswissenschaften unter dem Gesichtspunkt der Einheitlichkeit wird wie folgt vorgenommen:

    Wirtschaftstheorie (Volkswirtschaftstheorie): Allokationstheorie, Verteilungstheorie, Produktionstheorie, Preistheorie, Geldtheorie, Theorie der öffentlichen und betrieblichen Finanzen, Konjunkturtheorie und Beschäftigungstheorie, Wachstumstheorie, Informationstheorie, betriebliche Personalwirtschaft, Planungstheorie.
    Wirtschaftspolitik (Allgemeine Wirtschaftspolitik): Wirtschafts- und Sozialpolitik, spezielle Wirtschaftspolitik, Unternehmenspolitik.
    Empirische Wirtschaftsforschung: empirische Verhaltensforschung (Konsumentenverhalten, Unternehmerverhalten), Organisationsforschung, empirische Kostenuntersuchungen etc., Wirtschaftsgeschichte, Wirtschaftsgeographie. In den USA wird in den Economics Departments zwischen Macroeconomics und Microeconomics unterschieden. Daneben bestehen Business Schools bzw. Graduate Schools of Management, in denen auch die Nachbardisziplinen vertreten sind.

    Ob sich eine solche Einteilung der Wirtschaftswissenschaften angesichts der zahlreichen Probleme, die von betont volkswirtschaftlicher Art (Zahlungsbilanztheorie, Geldtheorie, Wachstumstheorie) bzw. vorwiegend betriebswirtschaftlicher Art (Führungs- und Kontrollinstrumente der Unternehmen, absatzpolitische Instrumente, Lagerung, Arbeitsvorbereitung, Steuerlehre, Wirtschaftsprüfung etc.) sind, durchsetzen wird, erscheint fraglich. Die Verschulung der Ausbildung in den Wirtschaftswissenschaften hat zu Lehrplänen geführt, die bestimmte Fächer vorschreiben (z.B. Unternehmensethik) und andere ausgrenzen (z.B. Organisationssoziologie).

    Eine Gliederung der Wirtschaftswissenschaften kann auch unter dem Gesichtspunkt der Information vorgenommen werden. Man unterscheidet:

    • Die Theorie vollkommener Information: In diesem Falle haben die Akteure an den Märkten vollkommene Information. An den Güter- und Kapitalmärkten bilden sich Gleichgewichtspreise (Volkswirtschaftslehre: Markttheorie). Die Preise können von den Unternehmen als Datum genommen werden (Betriebswirtschaftslehre: Produktion, früher auch Finanzierung).
    • Die Theorie unvollkommener Information: In diesem Fall besteht Unsicherheit über die zukünftige Entwicklung der Wirtschaft (Umfeldrisiko), und es besteht Unsicherheit über die Aktionen und Reaktionen der Wettbewerber (strategische Unsicherheit). In diesem Fall sind die Gleichgewichtspreise das Ergebnis der strategischen Interdependenz der an den Märkten Handelnden. Die Betriebswirtschaftslehre behandelt nun Probleme, die früher der Volkswirtschaftslehre vorbehalten waren (Preisbildung auf Beschaffungs- und Absatzmärkten, Zinsbildung auf Kapitalmärkten). Die Volkswirtschaftslehre konzentriert sich auf makroökonomische Probleme (Wachstum, Währung, Konjunktur und Verteilung).
    • Die Theorie normierter Information: In diesem Fall werden Verfügungsrechte (Handlungsrechte und Haftungsrechte) definiert und normiert, um die Kosten von Vertragsverhandlungen durch Einschränkung der Wahlmöglichkeiten zu begrenzen. Damit wird auch die Rechtsordnung zu einer Entscheidungsvariablen der Wirtschaftswissenschaft. Beispiel: Die Wahl der Rechtsformen von Unternehmen (Corporate Governance). Hier geht es um die Ordnung der Machtverhältnisse zwischen Eigentümern, Managern und Belegschaft von Unternehmen. Diese Ordnung ist Teil der gesamten Rechtsordnung eines Staates. Die Rechtswissenschaft untersucht, welche Rechtsformen in normierter Form bereitgestellt werden können und welche konsistent mit der gesamten Rechtsordnung sind. Der Betriebswirt wählt diejenige Rechtsform, die mit möglichst niedrigen Transaktionskosten (Transaktionskostentheorie) verbunden ist, und gestaltet die Unternehmensorganisation insgesamt so, dass das Unternehmen strategische Wettbewerbsvorteile am Markt erzielen kann. Der Volkswirt untersucht die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen in den verschiedenen Rechtsordnungen und bestimmt diejenige Wirtschaftsordnung, die den höchsten Wohlfahrtsgewinn verspricht.

    Innerhalb der wirtschaftswissenschaftlichen Theorie lassen sich heute zwei verschiedene Typen unterscheiden:

    • Entscheidungstheorien gehen i.Allg. von einem gegebenen rationalen Verhalten (Gewinn- oder Nutzenmaximierung) aus und fragen, ob und mit welchen Mitteln dieses Ziel zu erreichen ist. Im Rahmen dieser Theorien werden zwei Hauptprobleme behandelt:
    • Operationalität der Ziele und Kompatibilität von daraus abgeleiteten Unterzielen mit den Hauptzielen. Aufstellung von Plänen bzw. Bestimmung der optimalen Entscheidung. Hierfür sind neben den traditionellen Verfahren der Lösung solcher Optimierungsprobleme moderne Methoden entwickelt worden (Planungsrechnung, Verfahrensforschung u.a.). Entscheidungstheorien können in vier Gruppen eingeteilt werden: statische Theorie bei sicheren Erwartungen, statische Theorie bei unsicheren Erwartungen, dynamische Theorie bei sicheren Erwartungen, dynamische Theorie bei unsicheren Erwartungen. Man kann die Entscheidungstheorien auch als Finalanalyse bezeichnen. Die Spieltheorie hat inzwischen in der Entscheidungstheorie zentrale Bedeutung gewonnen.
    • Erklärungstheorien versuchen, bestimmte Erscheinungen der wirtschaftlichen Wirklichkeit aus dem Verhalten der Wirtschaftssubjekte (Unternehmer, Haushalte, Staat) zu erklären. Erklärungstheorien sind nur so gut wie die Daten, die zum empirischen Test der jeweils getesteten Theorie verwendet werden. Größte Vorsicht ist geboten, wenn die Datensätze nicht aus der Amtlichen Statistik oder aus jedem zugänglichen und überprüfbaren Quellen (z.B. Geschäftsberichten) stammen. Wenn die Daten nicht jedes Jahr ergänzt (die Zeitreihe verlängert wird) werden, dann haben die Folgerungen, die aus einer solchen obsoleten Datenbasis gezogen werden, keinerlei Erklärungswert, nicht einmal für die Wirtschaftsgeschichte.

    Methoden

    Allgemein

    Unter Methode wird der versachlichte, gedanklich objektivierte, auf andere Personen übertragbare und von ihnen reproduzierbare Gang der Gewinnung wissenschaftlicher Erkenntnis verstanden. Nach älterer Auffassung kennzeichnen sich die Naturwissenschaften durch die nomothetische, die Kulturwissenschaften, zu denen die Wirtschaftswissenschaften gerechnet werden, durch die ideographische Methode. Eine solche Unterscheidung erscheint heute angreifbar. Auch die Behauptung, dass die Wirtschaftswissenschaften als Erfahrungswissenschaften sich der induktiven Forschungsmethode bedienen, um zu wissenschaftlicher Erkenntnis zu gelangen, wird seit den Arbeiten von Popper und Albert nicht mehr vertreten.

    Methode als Prozess

    Nach moderner Auffassung stellt die Gewinnung wissenschaftlicher Erkenntnis einen Prozess dar, der aus zwei Grundoperationen besteht: Der Bildung von Hypothesen und ihrer Überprüfung.

    - Hypothesen sind theoretische Aussagen über die Wirklichkeit, die überprüft werden müssen. Auf welche Weise sie gewonnen werden, entzieht sich wissenschaftlicher Erkenntnis. Fantasie und Einfallsreichtum der Wissenschaftler sind hierfür entscheidend.

    Bei der Überprüfung der Hypothesen müssen objektive, wissenschaftliche Methoden angewandt werden. Eine Hypothese besteht aus zwei Teilen: ursprünglichen Aussagen (Prämissen) und abgeleiteten Aussagen (Theoreme). Theoreme werden nach den logischen Gesetzen der Deduktion aus den Prämissen abgeleitet.

    – Die ursprünglichen Aussagen eines Modells (Prämissen) stellen theoretische Aussagen dar. Wissenschaftliche Regeln der Identifikation geben an, ob die Übereinstimmung zwischen diesen Prämissen und den empirisch feststellbaren Tatsachen hinreichend groß ist. Hierzu gehören Regeln über die Gewinnung von Tatsachenkenntnis und über die Aufbereitung des Materials durch Analyse, isolierende oder generalisierende Abstraktion und statistische Verarbeitung.

    Die aus den Prämissen abgeleiteten Theoreme müssen an den empirischen Tatsachen überprüft werden. Hierfür wurden in der traditionellen Methodologie Regeln der Verifikation angegeben. Heute hat sich das Kriterium der Falsifizierbarkeit von Theoremen (Popper) durchgesetzt. Danach ist eine Theorie solange gültig, wie sie nicht an den empirischen Tatsachen scheitert. Je mehr sich eine Theorie behauptet, und zwar trotz angestrengter Suche nach ihr widersprechenden empirischen Fakten, desto größer ist ihr Bewährungsgrad. Es ist eine Frage wissenschaftlicher Konvention, welcher Bewährungsgrad die Annahme oder Ablehnung einer Theorie zur Folge haben soll.

    Mathematische Methode

    Die mathematische Methode ist keine eigentliche Forschungsmethode der Wirtschaftswissenschaften. Sie ist eine von vielen Methoden, zu Erkenntnissen über Gesetzmäßigkeiten in der Wirtschaft zu gelangen. Der Prozess der Mathematisierung der Wirtschaftswissenschaften schien in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts abgeschlossen (Wilhelm Krelle, Erich Gutenberg). Inzwischen sind Zweifel an ihrer Leistungsfähigkeit für Wirtschaftspolitik und Unternehmenspolitik entstanden (Kölner Makroökonomie-Streit, Bonner Mikroökonomiestreit). Denn wer die Aussagen, die er mithlfe abstrakter mathematischer Modelle entwickelt, für Aussagen über die wirtschaftspolitische Wirklichkeit und zukünftiger Ereignisse hält, handelt fahrlässig und muss sich mit gewissem Recht dem Vorwurf stellen, in skrupelloser Weise der für die Beurteilung der Realität notwendigen Bodenhaftung zu entbehren.

    Gleichwohl: Die Verwendung der Mathematik ist aus den Wirtschaftswissenschaften nicht wegzudenken. Sie hat drei Vorteile:

    – Sie stellt durch die Verwendung von Symbolen eine formalisierte und damit kürzere Sprache als die verbale Ausdrucksweise dar. Bei exakter Definition der verwendeten Symbole werden die Vieldeutigkeiten der verbalen Sprache ausgeschieden.

    – Sie enthält bereits ein eingehend erforschtes System logischer Regeln, welche die Ableitung von Theoremen aus den Prämissen eines Modells erleichtern. Bei komplexen und interdependenten wirtschaftlichen Tatbeständen sind die modernen mathematischen Methoden geeignet, überprüfbare Theoreme abzuleiten. Das gilt besonders für die Spieltheorie. Mit ihrer Hilfe kann kooperatives und kompetitives Verhalten kurzfristig und langfristig in seinen Wechselwirkungen untersucht werden. Dabei geht es um die Existenz einer oder mehrerer Lösungen und um die Bestimmung einer individuell optimalen Lösung.

    – Die Mathematik wird nicht nur zur Gewinnung von Aussagen, sondern auch zu ihrer Überprüfung eingesetzt. Bei der Identifikation und Falsifizierung von Hypothesen spielt die Ökonometrie eine entscheidende Rolle. Sie ist gekennzeichnet durch die kombinierte Anwendung mathematisch-ökonomischer und mathematisch-statistischer Forschungsmethoden. Sie bietet die Möglichkeit, auf der Grundlage empirischer Beobachtungen Interdependenzen zwischen einzelnen wirtschaftlichen Tatbeständen zu überprüfen.–
    Vgl. auch Volkswirtschaftstheorie.

    Historische Entwicklung

    Unter dem Einfluss des Bologna-Prozesses hat sich die Lehre der Wirtschaftswissenschaften stark verändert, stofflich wie methodisch. Stofflich haben sie die Wirtschaftswissenschaften in Richtung der amerikanischen Unterscheidung von Makroökonomie und Mikroökonomie verändert. Methodisch ist die Mathematisierung in beiden Bereichen weiter fortgeschritten. Das hat in Deutschland zur Folge, dass die Ordnungspolitik in den Hintergrund tritt. Die Diskussion zwischen deutschen und amerikanischen Wirtschaftswissenschaftlern über die Bedeutung der Inflationspolitik bei der Bewältigung der Euro-Krise zeigt das deutlich.

    In der Mikrotheorie sind vor allem die Spieltheorie und die Principal-Agent-Theorie zu bedeutenden Methoden der Forschung und der Lehre geworden. Im Jahre 1994 erhielt Reinhard Selten den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften. Man muss darin die Bestätigung sehen, dass die Spieltheorie kein Glasperlenspiel für Mathematiker ist. Sie ist eine Methode zur Analyse des Verhaltens von Agenten auf Märkten mit wenigen Anbietern (und Nachfragern). Während Adam Smith vollkommene Märkte (mit sehr vielen anonymen Unternehmen und Konsumenten) untersuchte, behandelt die Spieltheorie Märkte mit wenigen Anbietern (Oligopole) und Nachfragern, die sich untereinander gut kennen. Man unterscheidet kooperative und nicht kooperative Spiele und einfache und wiederholte Spiele. Die Annahme opportunistischen Verhaltens (homo homini lupus) der Partner am Markt ist dabei problematisch. In der Wirklichkeit dürfte opportunistisches Verhalten selten vorkommen. Auf lange Frist kann es sich kein Anbieter leisten, Schwächen des Partners konsequent zum eigenen Vorteil auszunutzen.

    Wirtschafts- und Unternehmensethik

    Der Streit über die Axiome, mit denen die Akteure am Markt bei der Entwicklung ihrer Modelle arbeiten, hat die Wirtschaftsethiker ebenso wie die Unternehmensethiker auf den Plan gerufen. Es ging dabei um die Frage, ob die Zielfunktion in mikroökonomischen Modellen Gewinnmaximierung bzw. Maximierung des Wohlstands einer Gesellschaft angenommen werden dürfe, und zwar auch dann, wenn dieses Verhalten zu Lasten des Partners gehe. Man erkannte, dass es im langfristigen Interesse jedes Unternehmens liegt, sich moralisch einwandfrei zu verhalten. In diesem Zusammenhang wurde das Buch „Moral Sentiments“ von Adam Smith zu einer wichtigen Ergänzung des Werkes „The Wealth of Nations.“ Auf übersichtlichen Märkten, auf denen jedes Unternehmen seine Kunden gut kennt (Stammkunden), maximiert jedes Unternehmen seinen eigenen Nutzen, der aus dem eigenen Gewinn und der eigenen Freude darüber besteht, dass der Unternehmer seinen Kunden einen guten Dienst erwiesen hat (Das ist kein Altruismus! Akerlof hat gezeigt, dass Altruismus die höchste Form des Egoismus ist). Bei einer Vielzahl von Kunden sorgt die „unsichtbare Hand des Wettbewerbs“ dafür, dass die Interessen der Kunden befriedigt werden.

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