Rat der Europäischen Union
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1. Begriff: Gesetzgebendes Organ der EU mit Sitz in Brüssel, das in den meisten Fällen gemeinsam mit dem Europäischen Parlament EU-Rechtsakte beschließt; für die Rechtsgrundlagen vgl. Art. 16 EUV, Art. 137 ff. AEUV. Nicht zu verwechseln mit dem Europäischen Rat und dem Europarat (einer eigenständigen supranationalen Organisation).
2. Merkmale: Der Rat der EU tritt in verschiedenen Fachformationen zusammen (Allgemeine Angelegenheiten, Wirtschaft- und Finanzen (ECOFIN), Wettbewerbsfähigkeit, Umwelt, Justiz und Inneres, Landwirtschaft und Fischerei, Verkehr, Telekommunikation und Energie, etc.). Er setzt sich aus einem Vertreter auf Ministerebene pro Mitgliedsstaat zusammen. Bundesstaatlich organisierte Staaten können sich auch durch regionale Regierungsmitglieder vertreten lassen.
3. Aufgaben/Arbeitsweise: Im Rat der EU bringen die Mitgliedstaaten ihr nationales Interesse mit europäischem Interesse in Einklang und beschließen Rechtsakte (EU-Gesetzgebung). Internationale Abkommen und Verträge mit Drittstaaten oder internationalen Organisationen werden ebenfalls vom Rat der EU geschlossen. Ebenfalls in den Außenbeziehungen kann der Rat der EU Wirtschaftssanktionen (z. B. ein Embargo) beschließen und über die Aufnahme neuer Mitgliedsstaaten entscheiden. Der Rat der EU kann die Zahl der Mitglieder der Europäischen Kommission ändern und damit primäres Gemeinschaftsrecht ändern. Er kann außerdem Durchführungsvorschriften und Empfehlungen erlassen. Er sorgt für die Abstimmung der Wirtschaftspolitiken der Mitgliedstaaten. In Bereichen, in denen die EU die Politik der Mitgliedstaaten ergänzt (z.B. Sozialpolitik, allg. und berufliche Bildung, Jugend) kommt die Europäische Methode der Offenen Koordinierung zur Anwendung. Der Rat der EU kontrolliert die Kommission mittels der Komitologie. Der Rat der EU ist gemeinsam mit dem Europäischen Parlament Haushaltsbehörde der EU. Eine mehrstufige Vorbereitung der Beschlüsse erfolgt im Rahmen der über 200 Ratsarbeitsgruppen (Experten aus den nationalen Verwaltungen) und danach im Ausschuss der Ständigen Vertreter (Ständige Vertreter/Botschafter der Mitgliedstaaten bei der EU). Das Ratssekretariat wird vom Generalsekretär geleitet, der gleichzeitig Hoher Vertreter für die GASP ist. Jeweils ein Mitgliedsstaat hat für ein halbes Jahr die Ratspräsidentschaft inne (den Vorsitz des Rates) und bestimmt auf allen Ebenen das Arbeitsprogramm, bereitet die Beschlüsse vor und vertritt die EU nach außen.
4. Abstimmungsverfahren: Beschlüsse werden einstimmig oder mit qualifizierter Mehrheit gefasst. Für Verfahrensfragen reicht die einfache Mehrheit. Abstimmungen mit qualifizierter Mehrheit finden heute in einem Großteil aller Politikbereiche statt und ermöglichen effizientes, supranationales Handeln. Einstimmigkeit herrscht z.B. noch im Bereich Steuern, Sozialschutz für Wanderarbeitnehmer, Anerkennung von Diplomen und Anreizmaßnahmen im Kulturbereich). Einstimmigkeit bedeutet, dass hier jedes Land eine Veto-Möglichkeit hat. Enthaltungen stehen der Annahme eines Beschlusses mit Einstimmigkeit jedoch nicht im Wege. Bei qualifizierten Mehrheitsentscheidungen sind die Stimmen der Mitgliedstaaten unterschiedlich gewichtet. Ein Ratsmitglied kann sein Stimmrecht auf ein anderes übertragen.
5. Zusammensetzung: Der Rat der EU besteht seit dem EU-Beitritt Kroatiens im Juli 2013 aus 28 Mitgliedern mit insgesamt 352 Stimmen. Zuvor betrug die Gesamtzahl der gewogenen Stimmen in der EU-25 321 Stimmen, bzw. in der EU-27 345 Stimmen). Die vier großen Mitgliedstaaten Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien verfügen über jeweils 29 Stimmen, gefolgt von Polen und Spanien mit jeweils 27 Stimmen. Eine qualifizierte Mehrheit kommt zu Stande, wenn mind. 260 von 352 Stimmen (73,91 Prozent). Zusätzlich muss die Mehrheit der Mitgliedstaaten (d.h. mind. 15) zugestimmt haben. Ein Mitgliedsstaat kann auf Antrag überprüfen lassen, ob die qualifizierte Mehrheit mind. 62 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU umfasst. Wenn dies nicht der Fall ist, kommt der Beschluss nicht zu Stande.
Die Tabelle zeigt das Stimmenverhältnis der Mitgliedstaaten im Rat der EU im Jahr 2000 (EU-15), 2005 (EU-25), 2007 (EU-27) und 2013 (EU-28). Seit dem 1.11.2014 haben sich die Quoren geändert. Als qualifizierte Mehrheit gilt nun eine Mehrheit von mindestens 55 Prozent der Mitglieder des Rats, gebildet aus 15 Mitgliedern, so Unionsbevölkerung bilden. Als Sperrminorität sind mindestens 4 Mitglieder erforderlich. Weiteres in Art. 16 Abs. 4 und 5 EUV. Mit Vollzug des Brexit am 31.1.2020 haben sich die Stimmensummen geändert (die Gesamtzahl der Stimmen sinkt mit dem Brexit um 29 auf insges. 321 Stimmen).
Mitgliedstaat | Stimmen im Rat 2000 | Stimmenverhältnis 2000 | Stimmen im Rat 2007/2017 | Stimmenverhältnis 2007/2017 |
Deutschland | 10 | 11,5 | 29 | 8,4 |
Frankreich | 10 | 11,5 | 29 | 8,4 |
Großbritannien | 10 | 11,5 | 29 | 8,4 |
Italien | 10 | 11,5 | 29 | 8,4 |
Spanien | 8 | 9,2 | 27 | 7,8 |
Niederlande | 5 | 5,7 | 13 | 3,8 |
Belgien | 5 | 5,7 | 12 | 3,6 |
Griechenland | 5 | 5,7 | 12 | 3,6 |
Portugal | 5 | 5,7 | 12 | 3,6 |
Österreich | 4 | 4,6 | 10 | 2,9 |
Schweden | 5 | 5,7 | 10 | 2,9 |
Dänemark | 3 | 3,4 | 7 | 2 |
Finnland | 3 | 3,4 | 7 | 2 |
Irland | 3 | 3,4 | 7 | 2 |
Luxemburg | 2 | 2,3 | 4 | 1,2 |
EG-15 gesamt | 87 | 100 | 237 | - |
Polen | - | - | 27 | 7,8 |
Tschechien | - | - | 12 | 3,6 |
Ungarn | - | - | 12 | 3,6 |
Litauen | - | - | 7 | 2 |
Slowakei | - | - | 7 | 2 |
Estland | - | - | 4 | 1,2 |
Lettland | - | - | 4 | 1,2 |
Slowenien | - | - | 4 | 1,2 |
Zypern | - | - | 4 | 1,2 |
Malta | - | - | 3 | 0,9 |
Rumänien | - | - | 14 | 4 |
Bulgarien | - | - | 10 | 2,9 |
Kroatien | - | - | 7 | 2 |
EU-28 gesamt | - | - | 352 | 100 |
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Interne Verweise
Rat der Europäischen Union
- Amsterdamer Vertrag
- Assoziierungsabkommen
- Ausschuss der Regionen (AdR)
- Charta der Grundrechte
- Comprehensive Economic and Trade Agreement
- COREPER
- ECOFIN
- EGKS
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- EU-Haushalt
- EU-kritische Parteien und Populisten
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- EWWU
- Finanzielle Vorschau der Europäischen Union
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- Ministerrat der Europäischen Union
- regionale Integration
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- Vertrag von Lissabon
- Vertrag von Nizza
- Wirtschafts- und Sozialausschuss der EU (WSA)
- Zollkontingent